Rechts und Recht

Foto Belinda Helmert: „Der Denker „(Le penseur) von Auguste Rodin, 1882; erstes Kunstwerk des Meisters im öffentlichen Raum. Die Plastik stelltl Dante Alighieri dar, den genialen Schöpfer der Göttlichen Komödie, Sie ist u.a., auch in Paris (Portal für das Musée des Arts décoratifs) und Rom zu bewundern. Es gibt heute global über 20 Bronzegüsse wie im Skulpturengarten, der zur Kunsthalle Bielefelds (Eröffnung 1968) gehört. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Denker. Ob er sich fragt, dass wir von der roten in die grünen Diktatur gesteuert sind.

Das Konzept der Ironie: Richard Rorty

Rousseau und Pascal vertrauten dem Herzen mehr als den Verstand – angesichts der Herzlosigkeit einer Mehrheit während der Coronazeit und augenblicklich der Kriegsbefürwortung (Die Russen, die Palästinenser müssen für den Frieden besiegt werden) darf dies bezweifelt werden. Wer weiß schon, was die Mehrheit will, zumal dieser Wille launisch daherkommt.

Der amerikanische Philosoph Richard Rorty spricht anschaulich davon, dass die gesellschaftlichen Werte Freiheit, [Gleichheit?], Gerechtigkeit und Demokratie für uns zur Zivilreligion werden müssen, soll es gelingen unsere Gesellschaften zu stabilisieren. So könnte auch eine nur menschlich begründete Rechts-Ethik zu einem wichtigen Bestandteil der Rechtsidee werden. Daraus wird deutlich: Gerechtigkeit ist nicht nur ein rechtlicher, sondern ein (gesamt)gesellschaftlicher Wert.

Aufgabe des Rechts ist es, zur Erreichung dieses wichtigen gesellschaftlichen Ziels, Umsetzungs-Hilfe zu leisten. Das ist heute nicht anders als zur Zeit der Antike . Ein gesellschaftsfernes Rechts- und Gerechtigkeitsdenken ist demnach ein Widerspruch in sich. Mag es auch für alle rechtlich Tätigen wichtig sein, die innere wie äußere Unabhängigkeit zu bewahren. Geld und Macht versuchen nämlich immer wieder, Recht und Gerechtigkeit für ihre Zwecke zurechtzubiegen. Und man muss zugestehen: Sie sind dabei zur Zeit „erfolgreich“. Rorty fragt: Was ist das für eine Wahrheit, die sich als Gerechtigkeit verstellt und die bei diesem Bergzug endet und für die Welt dahinter Lüge (also Unrecht) ist.

Foto Belinda Helmert: Skupturengarten Bielefeld (Kunsthalle), gestiftet vom Pudding-Giganten Dr. Oetker, dessen Fabrik und Museum nicht weit entfernt liegt. Herzstück im Innenraum bilden Werke der „Entarteten Kunst“. Im Vordergrund Oleander. Die Anlage, die bis 1998 nach dem Stiefvaters Oetkers, Richard Kaselowsky, benannt war, befindet sich am südwestlichen Rand der Bielefelder Altstadt. https://de.wikipedia.org/wiki/Kunsthalle_Bielefeld

Foto Belinda Helmert: Skulpturengarten 2008. Im Vordergrund das Wasserbecken, im Hintergrund Bronzeskulptur „Frau“ (2000) des Oldenbuger Künstlers Thomas Schütte – eines von 20 zeitgenössischen Plastiken oder Skupturen. https://www.teutoburgerwald.de/region/ausflugsziele/mein-ziel/skulpturenpark

Kontingenz, Solidarität, Ironie

Hoffnung statt Erkenntnis: Solidarität statt Objektivität, so könnte man titeln. Unter Kontigenz versteht rorty keineswegs Zufälle, sonden nicht berechenbare Kausalitäten und Umstände, die auf das pragmatische Handeln, aber auch das Erkenntnisvermögen einwirken. Freiheit ist für Rorty die Erkenntnis, die Einsicht in die Kontingenz. Unter contingency versteht Rorty ein notwendiges Bedürfnis, das von der Vorstellung vierfach bestimmt ist: soziales Milieu, innerweltlicher Kontext, Sprachvermögen und Ausdruck von Lebenserfahrung. Alle Menschen leben daher in sozialen, kulturellen, psychologischen und  ökonomischen Kontingenzen (Daseinsbezug = Geworfenheit). Das Subjekt ist ebenso wie Objekt Produkt diverser konkurrierender Kontingenzen.

Die Regierung sollte primär dem Bürger dienen, nicht ihn bevormunden. Diese Einsicht vertritt überraschenderweise auch Goethe, der sinngemäß schreibt: „Republiken hab ich gesehen, und das ist die beste, die dem regierenden Teil Lasten, nicht Vorteil gewährt.“ Für eine Nation ist nur das gut, was aus ihrem eigenen allgemeinen Bedürfnis hervorgegangen, ohne Nachäffung einer anderen. Voilà, das Prinzip der Subsidarität ist geboren.

Foto Belinda Helmert: Rodin, Der Denker. Mit seiner Lage an den Wallpromenaden, dem Blick auf die Sparrenburg – das Wahrzeichen Bielefelds – und mit dieser durch Spazierwege verbunden – nahm der Stadtgarten an der Schnittstelle zwischen Alt- und Neustadt von Anfang an eine zentrale Stellung im Bielefelder Stadtbild ein. https://stadtundgruen.de/artikel/vom-stadtgarten-um-1900-zum-modernen-skulpturenpark-der-museumsgarten-der-kunsthalle-bielefeld-8684

Foto Belinda Helmert: Bielefeld, Goldstr. 9, Restaurant Charlie: Bacchusstatue 1992 von Nina Koch (geboren 1961), die in Bielefeld studierte. https://www.lippischer-kuenstlerbund.de/nina-koch/portrait/

Hegel schreibt sinngemäß: Gegenwärtig hat das ungeheure politische Interesse alles andere verschlungen, eine Krise, in der alles, was sonst gegolten, problematisch gemacht zu werden scheint. Ein Modewort erscheint Polykrise der Gegenwart. Laut Rorty gilt:die Kontingenz von zeitgleich stattfindenden, existentiellen Krisen gezeichnet, die sich in ihrer Wirkung verstärken. Ist die Demokratie noch resillient genug für ihre Probleme?

Eichendorff schreibt, wir alle sehnen uns nach Heimat und wissen nicht, wo sie ist. Auch daran knüpfgt Rorty an, da die Romantik die Quelle aller politisch gemünzten Ironie ist. Sein Denken lässt sich als Ringen um Balance, um Ausgleich zwischen Romantik (zu ihr zählt auch Nietzsche) und Pragmatismus (zu ihr zählt Kant) lesen. Letzter postuliert Recht bedeutet auch Moralität, geht aber darüber hinaus (Transzendenz); Nietzsche, Alle politischen] Geschäfte laufen darauf hinaus, über Andere zu regieren (Immanenz). Man könnte die Kriterien der Moralität und des Pragmatismus folglich auch anders gewichten. Am Ende sucht Rorty den ehrlichen Kompromiss zwischen ich soll und ich will im Prinzip der Solidarität zu verankern.

Als Vertreter der Postmoderne missgtraut er Verabsolutierungen und Idealen wie Wahrheit und Gerechtigkeit. Es geht um rechte Gesinnung, Anstand und rechts Handeln, Respekt. Beides ist permanent gefährdet. So ist sein erklärtes Ziel radikaler Aufklärung die Erzeugung einer „postmetaphysical culture“, die er auch als „poeticized culture“ heißt. Schließlich koinzdiert die Epoche der Romantik mit Industrialisierung und Triumph der Wissenschaft, besitzt aber noch einen moralischen Impetus, ein Gegengewicht und vor allem ironische Selbstverwirklichung.

Foto Belinda Helmert: Terasse in der Bielefelder Fußgängerzone vor „Charlie“ in der Goldstraße mit mediterranen Flair.

ironische Ethik

Rortys Buch 89 mit dem provokanten und literaturwissenschaftlichen Titel „Kontingenz, Solidarität Ironie“ – ersteres dient der Subjektivität, zweites Prinzip der Objektivität und letzteres vermittelt zwischen beiden und erzeugt Intersubjektivität – dem Umstand zu verdanken, dass Rorty seinen Lehrstuhl für Philosophie beendete und gegen den der Literaturwissenschaft vertauschte. Dies geschah, weil er seiner Überzeugung konsequent folgte, die Philosophie dürfe keineWissenschaft sein, sie vermittle bestenfalls Werte. Man kann nach Nietzsche nicht die Metaphysik beerdigen und eine neue lehren oder aus der Taufe heben.

Eine Erkenntnis lautet: Nur selbstbewusste freie Individuen können liberale Gesellschaft bilden, weil nur sie eine offene Diskursform anerkennen. Demokratie basiert folglich auf eine gewisse Form elitären Bewusstseins. Mehr Offenheit schafft keineswegs, wie platt behauptet, Solidarität, sondern lediglich Ironie. Diese sieht Rorty als hochwertiger an, denn Solidarität fördert Sicherheit, Ironie hingegen Freiheit.

Daraus ist abzuleiten, dass Rorty den Pragmatismus etwas weniger schätzt als die Romantik und Kants Pflichtbewusstsein und Loyalität dem Riskio, mehr Unsicherheit zu wagen (Nietzsche) favorisiert. Es handelt sich daher nicht um einen 50:50 Mix, sondern eine Abmilderung des romantischen Selbstbewusstseins gegenüber dem „Ding an sich“ , wobei der Begriff Kants nicht die erwünschte Prägnanz aufweist. Freiheit beinhaltet den Mut zum Scheitern.

Für Rorty existieren nur noch ironische und nicht-ironische Ethikkonzepte. Die Ironie ist prinzipiell an drei kontingenten Bedingungen geknüpft: dem Zweifel an der Eindeutigkeit der Sprache, der Gewissheit, selbst logische Argumente können den Zweifel nicht tilgen und die Einsicht, alle Entscheidungen sind vorübergehende Positionen. Rorty pointiert:

Eine Gesellschaft ist dann liberal, wenn ihre Ideale durch Überzeugung statt durch Gewalt, durch freie offene Begegnung durchgesetzt werden“.

Demokratie lebt von der Pluralität und Disparität. Wo immer Einheit und Solidarität priorisiert werden wie im Kommunismus oder der Diktatur, spricht Rorty von nicht-ironischem Ethos. Ironie definiert Rorty u.a. als „Unsicherheit des Sagens und „unangemessene Formulierung mit Hinweis auf ihre Unangemessenheit“ nennt. Er differenziert dabei (angelehnt an die Literaturtheorie) in sechs Formen von Ironie: 1)der Hyperbel, d.h. Übersteigerung/Untersteigerung, 2) der einfachen Negation durch Wiederholung, 3) der doppelten Negation in Form der Paradoxie, 4) der Hinterfragung, der Inversion durch eine Schein-Affirmation, 5) die Vertauschung (ein Begriff wird dekontextualisiert, was seine Polyvalenzakzentuiert und die Metapher

Was vielleicht oft übersehen wird: „Erst durch Anerkennung des anderen wird Ironie zur Ironie.“ Daher ist das ironische Konzept auf Mündigkeit ausgerichtet. Metaphorisch gemünzt: Man muss auch mal jemanden die lange Leine lassen, bei anderen hingegen die Reissleine ziehen.

Foto Bernds Oei: Leinweber, 1909 aus Bronze, von dem Bildhauer Hans Perathoner, Leiter der Bielefelder Kunstgewerbeschule. Leinen machten Bielefeld bundesweit bekannt. Zusammen mit dem Leinweber-Brunnen an der Nicolaikirche bildet er ein zweites Wahrzeichen der Stadt. https://www.bielefeld.jetzt/leineweber-denkmal

Foto Bernd Oei: Leinweber-Denkmal vor der Nicolaikirche, Bielefelder Altstadt https://de.wikipedia.org/wiki/Altst%C3%A4dter_Nicolaikirche

Ich und wir, Ost und West: wenn die Partei das Volk führt ….

Rorty ist ein Meister der Dekonstruktion von Wahrheit und Entlarven von Idealen, die in rigide Ideologie umschlagen. Der Sterilität des Denkens setzt er das Konzept der Ironie entgegen. Rorty hofft auf die „Gemeinschaft liberaler Ironikerinnen„, deren letztes Anliegen nicht Wahrheit, sondern die „Vermeidung von Grausamkeit“ und dazu zählt Selbstgerechtigkeit und Selbstjutiz (Autoritäres Gebahren anstelle Autorität) ist. Einer seiner erhellensten Sätze lautet: „Die Philosophie sollte den Versuch aufgeben, für beruhigende Gewißheit zu sorgen

Rodin hingegen war ein Meister des Nachahmung, vielleicht auch der Überzeichnung, in jedem Fall des Formens von Menschen, dem Ringen um Vorherrschaft. Er war geprägt von Darwin, Rorty /1931-2007) lag mehr daran, etwas zu kennen, als es zu verstehen. Als Ironiker legt er mehr Wert auf Liberalität, Eigenständigkeit und Privatheit. Der Ironiker glaubt nicht an eine verallgemeinerbare Vernunft, ebenso wenig wie an ein allgemeines Gewissen. Er hält aber den Willen zur Einsicht, die Neugier für die Basis von Intelligenz. Mit Nietsche zitiert: „Die Zeit für kleine Politik ist vorbei: schon das nächste Jahrhundert bringt den Kampf um die Erd- Herrschaft – den Zwang zur großen Politik.“ (Jenseits von Gut und Böse, VI Wir Gelehrten, Aphorismus 204)

Ich denke, also bin ich. Sind zwei, die denken dann bereits ein wir? Ist eine Vielheit ein mehr an wir? Ist das Volk rechter, wenn es rechts wählt oder linkisch, wenn es links wählt.Am Ende gilt auch hier Nietzsches Verdikt, eine Mischung aus Etymolgie und ironie: Gerechtigkeit und Recht stammen von Rache. Ich bin gerecht klingt phonetisch wie Ich bin gerächt. Stoff für Satiriker und Kabaretisten, doch diese haben sich auch bereits verstaatlicht.

Der Osten lässt sich nicht mehr bevormunden, weil er das schon kennt und hinter sich hat. Da hat der Westen Nachholbedarf.

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