Foto Belinda Helmert: Hannover, Herrenhäuser Gärten, Wandfresko. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss zerstört, doch 2009 entschloss man sich für einen Wiederaufbau. Heute wird das Gebäude vor allem als wissenschaftliches Tagungszentrum und Museum genutzt.
Wahlen gelinkt
Preisfrage: Wenn ein Linker links abbiegt- wo landet er dann? Richtig, rechts. Die Wähler in Brandenburg haben formal gesehen knapp mehr SPD als AFD in den Landtag gewählt. Doch hat sich herumgesprochen, dass dies nur möglich war, weil viele Stammwähler der aussichtlos unterlegenen CDU und der Linken auf sie gesetzt haben per Zweitstimme. Dies ist eine unlautere Absprache und moralisch nicht integer. Nur vier Parteien ziehen damit ins Postsdamer Kabinett ein. Da das BFW seinen harten Oppositionskurs gegen die (ehemaligen?) Volksparteien nicht aufrecht erhält, sind Koalitionsgespräche zwischen SPD und der Wagenknecht-Partei (aus dem Stand auch hier zweistellig)reine Formsache: eine stabile Mehrheit gleingt jedoch nur mit Billigung bzw. Duldung der ausgeboteten CDU. Die AfD ist wieder mal azußenb vor, angeblich zu weit rechts, um vernünftig mit ihr Politik machen zu können.
Interessant wird, wie das BFW, deren Positionen z.B. US- Mittelstrecken-Raketenstationierung betreffend und die fortgesetzte Kriegsgeführung allgemein vehement und kategorisch negiert, mit einer proamerikanischen SPD zusammenarbeiten will. Auch wenn dies nur bedingt ein Landtagsthema sein kann.
Auffallend war die Briefwahl mit fast ausschließlich Stimmen für die SPD, die sich sehr spät noch an die Spitze setzte und damit die Oberhoheit über die Sondierungsgespräche bestitzt. Überraschend bzw. auffallend viele stimmten aus den Jugendspätleseresidenzen für die Soziale Arbeiterpartei ohne an die Urnen zu gehen. Zu allem Überfluss gesellte sich das Verbot für Wahlinformation der AfD in Seniorenheimen, deren Bewohner dafür umso heftiger von der SPD besucht und beworben werden konnten. Freie Wahlen sehen in meinen Augen anders aus.
Foto Belinda Helmert: Hannover, Schloss Herrenhausen. Zwischen 1714 und 1837 bestand zudem eine Personalunion mit England, sodass die hannoverschen Könige während dieser Zeit auch die Könige von England waren.
Serie oder Gruppe
In seinem Nachkriegswerk „Kritik der dialektischen Vernunft“ entwirft der Existenzphilosoph Sartre (1905-80), der sich vom Kommunisten über einen Stalinisten zum Maoisten entwickelte, also links linker am linkesten abbog, u.a. einen Unterschied zwischen Totalität (der Bewegung) und Totalitarismzus (der Stagnation) sowie der Serie als eine zufällige Anordnung und der Gruppe als ein bewusster
Grundsätzlich gilt fütr Sartre, je bewusster das Subjekt als handelnder Agens sich seiner Motive und Taten wird, desto freier ist es auch. Jeder wird in Situationen „hineingeworfen“ und bleibt historischer Faktizität unterstellt, doch ebenso („Wir sind zur Freiheit verdammt“) kann und muss sich jeder über eine Wahl mit allen Konsequenzen selbst entwerfen und damit sein Schicksal mit Geschick leiten. Grundsätzlich dient eine Gruppe bewusster Entscheidungen, die durch Solidarität, Zwecke, Ziele und auch Methoden (Argumente ohnehin) eine temporäre Einheit, z.B. eine revolutionäre Gruppe bilden. Eine solche kann auch eine Partei sein, wobei Sartre die kleineren im Auge hatte, die sich für eine Bewegung besser eignen.
Nun ist offenbar eine Gruppe zu einer Serie mutiert: einem mehr zufällig zustandegekommenen Haufen, einer Ansammlung von Menschen, die bestenfalls temporär und aus materieller Not, nahezu Zwang, zusammen an einem Strang ziehen sollen. Laut Sartre führt dies zu routinemäßigen, statischen, bürokratischen und vor allem unreflektierten Handlungen. Stereotypen.
Foto Belinda Helmert: Eintgangsntor zu Herrenhäuser Gärten, Detail
Hände waschen, bevor sie schmutzig werden
Vorsichtig formuliert: es riecht nach Verarschung. Das Geschmäckle, Hauptsache regieren, egal wie und ohne Rücksicht auf den Mandanten (das Volk, der Riese). bleibt. Jeder bleibt einsam, um mir Sartre zu sprechen, für sich zurück. Eine Serie ist primär definiert durch ihr Interesse wie Wartende auf einen Bus oder in Schlangen vor einem Amt. Eine Gruppe bildet hingegen eine homogene Kampfeinheit aus Überzeugung und nicht nur ein Kollektiv. Eine Gruppe totalisiert, d.h. engagiert sich wirklich nicht für sich als Selbstdarsteller (wie es Politiker von Beruf aus sind), sondern als Diener einer Sache, eines Ideals.
Wo die Würde bleibt, die Ehre und der Anstand, das mag im Kabinett oder Landtag sekundär erscheinen. Sartre selbst gibt in seinem Stück „Die schmutzigen Hände“ vor, dass purer Idealismus zu nichts führt und ein gesunder Pargamatismus, zu dem er auch Parteipolitik zählt, unumgänglich ist. Der Fall in Postdam liegt aber anders: hier müssen sich die mutmaßlichen Kooperationspartner vorher die Hände waschen, denn es sind ja die Gegner aus dem Bundestag, die sich hier respektvoll begegnen sollen. Respekt ist keine Einbahnstraße, doch links abbiegen, das geht immer.
Im Drama Sartres wird der Idealist Hugo aus Parteiraison erschossen. Er sebst hat es so gewollt, denn seine Wahl fiel auf Konsequenz und nicht auf Erfolgspragmatismus. Allerdings hat er vorher seinen Rivalen, den skrupellosen Parteichef auch im Affekt getötet – aus Leidenschaft, nicht aus Kalkül. Folglich lehrt Sartres politisches Stück in sieben Akten (1948 uraufgeführt) dreierlei: Konsequenz mit Redelichkeit gepaart ist eine todsichere Angelegenheit, Verrat an einem Verräter kann gleichfalls illegitim sein und am Ende siegt immer derjenige, der es am meisten will. Handle und du wirst schuldig, handle nicht und du wirst schuldig. Also lieber eine Wahl eigenständig treffen als von der Wahl selbst erwählt zu sein.
Foto Belinda Helmert: Büste im Skulpturengarten, Herrenhauser Schlossanlage
Totalschaden
Sartre: »Der Mensch ist allein das, was er tut… Alles ist Handlung, und nichts ist hinter der Handlung.« Die Sittlichkeit steht hinter dem Erfolg zurück, diese wiederum bleibt eine persönliche Wahl, die dem Subjekt niemand abnehmen kann. Wer sie leugnet, handelt unaufrichtig und unredlich zugleich. Nur durch gemeinsame Aktion kann die relative Sinnlosigkeit der Welt ansatzweise gebessert werden; das Nichts, aus dem sich der Mensch frei entwirft, wird Seinsfülle.
Im Zentrum Sartres politischen Verständnis steht immer da Engagement für den Anderen – die dialektische Totalisierung , niemals die Totalität des Absoluten. Totalität ist ein statischer Begriff mit dem Ergebnis zum Inhalt, seine Verbalisierung Totalisierung zielt auf den Prozeß des Handelns.Dabei akzeptiert er die Terreur, den aktiven, auch gewaltbereiten Widerstand.
Frei sein (être libre) ist keineswegs Freiheit haben (avoir libre): ersters befürwortet Sartre, denn frei sein ist ein Prozess des Engagements, der Wahl, der Totalisierung, der ständigen Suche nach Gruppe und geeignetem Kollektivbewusstsein. Diese Form der Freiheit en soi (an sich) befreit von Voruteil und konventionellem Denken, von allem nicht selbst entworfenen Sein. Durch ständige Bewegung entsteht mit der Revolution zugleich Freiheit für den Anderen, denn, das ist entscheidend, man verändert zwar sich, aber das Ziel bleibt, die Gesellschaft zu verändern, nicht für sich, sondern an sich. Da sollte das Ego zurückstehen. Das Gegenteil davon, Freiheit pour soi (für sich) läuft auf Unbeweglichkeit bzw. Untätigkeit (inerte) hinaus. Selbstverständlich ist ein frei sein zukunfstorientiert. Freiheit haben dagegen ist bourgeosie Saturierheit (Behaupten des status quo) und führt nur zu Klassen- und Privilegien- Absicherung.
Foto Belinda Helmert: Gartentor, Schloss Herrenhaus
Kreisverkehr oder Sackgasse
Brandenburgs Bürger müssen sich ärgern über diese übergriffige Fremdbestimmung. Intellektuelle, so Sartre etwas paradox in „Die schmutzigen Hände“ sind nicht zum skupellosen Töten fähig; alle Mittel sind ihm recht, wenn sie zum Erfolg führen. Das würde natürlich beinhalten, dass die Intellektuellen ihre weniger geistreichen und streatgisch planenden Handlange benötigen, um ihre Zwecke zu erfüllen und Ziele zu erreichen. Sartre hat lebenslang vergeblich versucht, zu einer Moralphilosophie zu gelangen, denn Gewalt des Tötens für die einen (aufgrund der redlichen Gesinnung) zu rechtfertigen und bei den anderen (aufgrund der fehlenden Fraternität, Solidarität oder Freiheit) zu stigmatisieren, ist in sich unstimmig.
Am Ende hat Sartre die Gewalt mehrfach gerechtfertigt, u. a. die der revolutionären Baader-Meinhof Gruppe, vordem die der Kuomintang, der Rothen Khmer, der Partisanen der PLO und natürlich die Stalinisten. Er ist daher so fragwürdig naiv in seinem politischen Weltbild wie Heidegger, nur dass dieser rechts abbog. Beide haben sich nie öffentlich für ihre selektive Dummheit oder Blindheit oder bewusste Ignoranz entschuldigt, wenigstens dazu bekannt. Sartre besaß den Vorteil, dass er als revolutonär und dieser Che Geuevara Effekt den Nimbus des Guten, des Robin Hood, besaß. Dazu kam die Zeit: alles was rechts war, hatte seinen Kredit verspielt, war Nazi. Die Revolutionäre waren sakrosankt, a priori die Moralisten.
Das ist natürlich Quatsch, irrational sowieso. Konservativ oder reaktionär ist in sich kein Wert, ebensowenig wie Auf- oder Widerstand. In Brandenburg will das Volk (eine Gruppe) politisch offensichtlich einen Wandel, den ihr die Politikerspitze (eine Serie) verwehrt. Dreißig Prozent wollen auch nicht in eine Ecke gedrängt, isoliert oder gar verachtet werden. Die Mehrheit steht im Osten in allen drei Parlamenten auf wackligen und ohnhein töneren Füßen. Nochmals scharf links abbiegen könnte im Kreisverkehr enden oder einer Sackgasse. Deutschland, am Tag der Einheit, so gespalten wie nie.
Foto Belinda Helmert: Skulpturengarten, Herrenhäuser Schloss
Demokratie retten durch Verbote
Hegels entscheidendes Kapitel in der „Phänomenologie des Geistes“, mit dem sich Sartre in Kritik der dialektischen Vernunft“ vorwiegend auseinandersetzt, ist das über Herr und Knecht. Hegel endet mit der wechselseitigen Anerkennung, auch die doppelte genannt, eine Versöhnung, die aus dem Ich und dem Anderen, dem Subjekt und dem Objekt, ein Wir formt. Sartre widerspricht diesem: er streicht Versöhnung aus seinem Vokabular. Er probt den Aufstand des Knechts, der am Ende Herr seiner selbst, seiner Wahl, seiner Existenz, seines Lebensentwurfes ist. Ein voll mündiger und nicht ein vollmundiger Bürger. Er glaubt an den Erfolg, weil er an die Freiheit glaubt und daran, dass jeder frei ist zu glauben, was er will.
Glaube natürlich nicht im religiösen oder spekulativen Sinn, sondern im existentiellen. Die SPD kann nur mit dem BSW koalieren: die AfD schließt sie kategorisch aus, die CDU genügt als Mehrheitsbeschaffer nicht. Folglich muss sich zusammenraufen, was nicht zusammen gehört. Die Mittel, wie es die ehemalige Volkspartei, die in zahlreichen Ländern inzwischen nur noch einzahlige Prozentzahlen erreicht, geschafft hat, sich an die Spitze zu setzen, mögen illegitim gewesen sein: ob sie illegal waren bzw. sind, wie die AfD nun einbklagt, erscheint eher unwahrscheinlich. Neuwahlen ebenso. Sartre hätte den Pakt des Teufels mit dem Bezlebub gebilligt. Er hätte darin eine Chance gesehen, aus einer Serie zu einer Gruppe zu gelangen, aus der Zufälligkeit eine Notwendigkeit zu „machen“.
Das neue Wort lautet für die ungeliebten Stimmen lautet „politische Ränder“. Möglicherweise sind die Ränder jedoch das (Epi)Zentrum des Protestes Einb inlfationä genutzer Unsatz des Jahres lautet. „Wir müssen die Demokratie verteidigen“. Die Frage ist gegen Wen und für Was? Für noch mehr Zensur und falsche Politik, die am Volk, an der Wirtscdhaft, an gewachsenen Strukturen vorbeigeht. Gegen Menschen, die Frieden wollen um vielleicht jeden Preis? Demokraten sind nicht automatisch jene, die sich dafür halten und damit brüsten, links zu sein. Menschen, die mit zweierlei Maß messen und munter ausgrenzen, weil sie glauben, so die Demokratie wahren oder gar retten zu können. Allein schon das martialische Wort verteidigen scheint fehl am Platz. Warum nicht einfach Demokratie vorleben?
Merkt einer noch den Widersatz in sich: Demokratie retten, indem wir die politischen Ränder (wer legt die fest?) nicht größer werden lassen als sie sind. Anstelle sich um die Demokratie zu sorgen, sollte die Sorge um das Sein der Freiheit, der Bürger Brandenburgs gelten, deren Interessen seit langem überhört, buchstäblich überstimmt werden. Die selbst ernannten Linken sind lau geworden und am Ende doch rechts in die Einbahnstraße eingebogen.
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