Unverlierbarkeit metaphysischer Werte

Foto Belinda Helmert, Hameln, Neugieriges Mädchen, Bronzefigur von Bernhard Kleinhans (1984) in der Osterstraße vor dem Stadtmuseum Hameln. Ernst Jünger, der seine Teenagerzeit in Hameln vertrachte, sprach wiederholt von der Notwendigkeit des Menschen, an der Unverlierbarkeit metaphysischer Werte festzuhalten. An Hölderlin und Nietzsche geschult, stilisierte er sich als selbstsichereren Solitär.

Jüngers Traum vom freien Menschen

Spricht man von Hameln, so literarisch vom Rattenfänger, einer deutschen Sage,die durch die Gebrüder Grimm Volksgut wurde. Wenige gedenken Philipp Karl Moritz, einem heute nahezu vergessenen Autoren, der in der Stadt an der Weser mit heute ca.58 000 Einwohnern das Licht der Welt erbickte und wohl nur Jünger-Biografen wissen, dass der 1895 gebürtige Heidelberger Ernst Jünger, in Hannover eingeschult, hier seine Gymnasialzeit verbrachte. Vom Traum nach Abenteuer getrieben, sah er im Ersten Weltkrieg die Chance seiner Verwirklichung,brach die Schulzeit am ehrwürigen Schiller-Museum ab und ging nach Afrika. Vor allem in Frankreich erwarb er sich als Offizier einen guten Namen. Gleichzeitig hielt er in Tagebüchern fest, dass Krieg Mord und damit ein Verbrechen sei und las Tucholsky, einem verbotenen und in den den Sebstmord getriebenen jüdischen Autoren.

An ihm, seinem literarischen Werk, scheiden sich heute die Geister. Seine Beschäftigung mit Nietzesche brachte mich persönlich auf seine Spuren. Er teilt bis heute mit ihm das Schicksal, trotz rigorosen Individualismus und Ablehnung sowohl des Rassismus als auch des Germanenkultes, Wegbereiter des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Dass er trotz Drucks nie der Partei beitrat und sich in seinem Gedankengut von dieser stark abgrenzt, wurde bis zu seinem Tod 1998 und wird kaum zur Kenntnis genommen. So evozierte die Verleihung des Goethepreises 1982 einen Skandal. https://www.deutschlandfunkkultur.de/umstrittene-ehrung-102.html

Er galt als Günstling Kohls, gerade aufgrund seiner Widerstands-Romane, von denen“ Im Stahlgewitter“ wohl der bekannteste ist. Sie schließen sein Bekenntnis zum nationalen Konservativismus und Ablehnung der Demokratie (Hitler bediente sich ihr und wurde gewählt) keineswegs aus. Fast vergessen scheint sein mit Todesgefahr verbunderner aktiver Widerstand in der Wehrmacht, der Kontakt zur Gruppe „Walküre“, der auch Stauffenberg angehörte. Heutzutage gilt jeder Opportunist als Nazi, jeder, der die von den Medien hofierte „demokratische“ Staatspolitik als antideutsch angreift als Volskverhetzer und damit rechtsradikal. Über die Zuordnung Jüngers informiert der zweiteilige Podcast https://rss.com/podcasts/allezeitderwelt/1455814/ und https://rss.com/podcasts/allezeitderwelt/1467723/

Vor allem war Jünger ein Träumer,ein Utopist, dessen Prosa an eine bessere und sogar friedlichere Welt appellierte. Beispielhaft dafür ist seine dystopische Novelle „Auf den Marmorklippen“. Er erkannte, dass Nietzsches Übermensch nicht mit dem Herrenmenschen gleichzusetzen ist, der über andere bestimmen will oder sich darauf beruft, einer Elite anzugehören. vielmehr ist er ein Versprechen,sich selbst befehlen und gehorchen zu lernen, ein ewiger im mit sich selbst im Kampf liegender Freigeist. Überdies steht Jünger für einen Autoren, der sich zu wandeln versteht, Schreibtrieb als Prozess begreift und Ideologien abschwört. Wie Nietzsche oder sein Vorbild Hölderlin wurde er häufig vereinnahmt und es entstand ein Mythos, dem sein Selbstbild nicht gerecht wird.

Foto Belinda Helmert: Osterstraße, Museumscafé. Nahezu die gesamte Straße nahe des historischen Pferdemarktes steht unter Denkmalschutz. Im Vordergrund „Die Neugierige“, Skulputur von Bernhard Kleinhans. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ac/Stiftsherrenhaus_Hameln.jpg

Foto Belinda Helmert: Hameln, Alstadt, Fußgängerzone, Museumscafé. Das 1558 vom Bürgermeister Friedrich Poppendiek als Wohnhaus errichtete Stiftsherrenhaus im Fachwerkstil unterscheidet sich stilistisch von allen anderen historisch verliebenen Gebäuden aus der Renaissance, da es die Traufenseite und nicht die Giebel (siehe rechts) zur Straße wendet. https://www.museumscafe.de/

Konservativer Revolutionär

Der von seinem Sekretär Armin Mohler (1949-53), einem gebürtigen Basler in dessen Promoton „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932“ geprägte Begriff „Konservative Revolution“ ist urprünglich F. Engels entlehnt, der hier über den Novemberaufstand in Polen 1830 (dem Vormärz) spricht. Bei Engels ist er noch ein Etikett für gescheiterte, weil zu wenig radikale und bürgerlich bestimmte Erhebungen. Rudolf Borchardt benutzte den Ausdruck 1927 in Zusammenhang mit einer notwenig gewordenen „ästhetischen Kulturrevoluton“, bezeichnete sie als schöpferisch und aufgrund seiner Ablehnung der Moderne auch als konservativ. Dies kommt dem Wesen Jüngers, seiner antidemokratisch (Weimarer Republik) und preußisch-militärischen (deutsche Tugenden) durchaus bis zuletzt aufgeschlossenem Gesinnung sehr nahe. Wenn man von ihm als einen Vertreter der Rechten spricht, so weil er sich zu konservativen (romantischen) vorindustriellen Werten bekannte. Wer heute deutsche Interessen vertritt, gilt auch als rechts.

Mit Nietzsche und Hölderlin hat Jünger die romantische Haltung einer geistigen Kulturelite im Sinn, die sich in ihrem radikalen Individualismus vom gemeinen Pöbel, auch SS, SA und NS Partei deutlichst abhebt. Weder teilte Jünger deren rassistische bzw. sozialdarwinistische Ideologie noch die offensiv betriebene Kulturvernichtung. Obgleich seine Argumente, die Wehrmacht vom nationasozialistischen (und später kriegesverbrecherischen) Gedankengut auszuschließen und „reinzuswachen“ historisch widerlegt sind (es waren damals nicht einfach immer nur „die Anderen“), darf man Jünger, der immerhin mit Hitler und Göbbles in Briefkontakt stand, nicht mit den Kriegsverbrechern gleichsetzen. Auch Helmut Schmidt war Offizier der Wehrmacht.

Rückkehr zur Ordnung, Restauration nach zwischenzeitlich notwendigem Chaos der Zerstörung durch.temporären Anarchismus (Jünger beruft sich auf Stirner), trifft den politischen Zug Jüngers eher. Auch Hugo von Hofmannsthal greift die Terminologie in seiner Rede „Das Schrifttum als gesitiger Raum der Nation“ 1927 auf. Die durch die Industrialisierung und Bildung der Massengesellschaft forcierte Spaltung in apollinisch und dioysisch, soll überwunden und in eine geistige Einheit überführt werden. Jünger empfand sich wie Hofmannsthal als Repräsentant einer geistigen Elite, als Romantiker, als Deutscher und Individualist, folglich als Typus der Renaissance, die in der Romantik wiederkehrte.

Foto Belinda Helmert: Museumscafé in Hameln, Osterstraße. Da die „Ratten-Stadt“ kaum bombardiert wurde, sind viele historische Gebäude, namentlich aus der Blützezeit der Renaissance, aus dem 16. und 17. Jahrhundert erhalten.

Foto Belinda Helmert: Hameln, Museumscafé, Detail. Hugo von Hofmannsthal in Das Schrifftum als Raum geistiger Raum der Nation: „„Der Prozess von dem ich rede, ist nichts anderes als eine konservative Revolution von einem Umfange, wie die europäische Geschichte ihn nicht kennt. Ihr Ziel ist Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilnehmen könne.“ Auch Hofmannstahl wäre nach heutiger Lesart „rechts“ einzunorden.

Im Stahlgewitter Mensch bleiben

Zehn Auflagen erlebte das meistgeselesente Werk Jüngers. Siebenmal nutzte der Autor die Gelegenheit, „sein Werk „In Stahlgewittern“ (Erstauflag 1920) umzuschreiben und an Formulierungen zu feilen. Die Schrecken des Krieges, die er im Ersten Weltkrieg an forderster Front in den Schützengräben erlebte, spart er nicht aus. Kritikern fehlt eine nachträgliche Ablehnung oder Reue, denn dass Jünger im Kampf töten musste, um zu überleben, beschreibt er. Kriegstrauma und Wut auf die Versailler Verträge (ein Diktat der Siegermächte, das den Sozialisten und Demokraten zum Vorwurf gereichte) machten aus Jünger einen Vordenker der „Rechten“, die faschistoiden Gedanken offengegen überstanden, wenngleich er Rassismus in jedweder Form, Zensur( kulminierend in Bücherbrerbennung und Bilderverbot) und Partei bzw.Massenideologie rigoros ablehnte. Jünger war nie Parteimitglied und schlug sämtliche Offerten der NS-Spitzen aus, weil er sie als Kulturzerstörer und nicht als Eliten einer bevorzugten Geistesaristokratie begriff. An seiner Demontage arbeiteten sich vor allem die Grünen ab, die ihn als Wegbereiter des Faschismus begriffen und seinen Kriegsroman von Remarques „Im Westen nichts Neues“ als verherrlichende Propaganda der Gewalt stigmatisierten.

„In Stahlgewittern“ liefert auch ein Bekenntnis gegen Materialschlachten und Materialismus, der den Menschen entindiviualisiert und entwürdigt ab. Jünger tritt für den ritterlichenb Kampf Mann gegen Mann ein und durchleuchtet die Verbindung von Rüstungsindustrie und damit wirtschaftlichen Interessen am Krieg, welche nationale Identität und Selbsbestimmung untergraben. Bis 1949 erhielt Jünger Publikationsverbot. In Frankreich und England sind seine Werke (immerhin zweifacher Kriegsgegner) jedoch weit weniger umstritten als hierzulande, weil man dort Patriotismus nicht mit Nationalismus verwechselt.

Jünger verurteilt den Krieg nicht pauschal, weil er ihn als rohesten und unmittelbarsten Existenzkampf betrachtet, der Entwicklungspotential für die Menschwerdung beinhaltet. In der Extremsituation Mann gegen Mann entscheidet sich, ob das Gute oder das Böse Oberhand im Einzelnen gewinnt. Außerdem bieten Kameradschaft und Loyalität Schutz in einer Ohnmachts-Situation, wie sie jede Schlacht mit sich bringt. Gerade heutige Kriegstreiber oder Berfürworter sollten sich solche Zeilen eines „Stoßtruppführers“ (jene, die archaische Zweikämpfe im Stellungskrieg an der Westfront führten) vor Augen halten.

Foto Belinda Helmert: Rattenfänger Statue, Bronze von Bruno Jakobus Hoffmann (2001) ttps://crappyradiostationsandcandybars.de/2020/08/31/hameln-sehenswuerdigkeiten/#Die-Rattenfaengerstatue. Heutige Parallele: der designierte neue Kanzler F. Merz, der verstärkt in den Krieg investieren will.

Foto Belinda Helmert, Hameln, Rattenfänger-Brunnen, Rathausplatz, Bronze von Karl Ulrich Nuss (1975). Jünger, der zahlreich die Schulen wechselte und in Hameln seine Gymnaisalzeit abrupt beendete im Tausch gegen die Fremdenlegion, war ein erklärter Gegener der „eingeborenen Trägheit des Menschen„.

Und doch bleibt alles, wie es ist

Und doch bleibt alles wie es ist“ bildet den Schlussatz des Prologs der zweiten Auflage von „In Stahlgewittern“ https://www.projekt-gutenberg.org/winkler/literat/chap004.html. Vom Unheil des Denkens, weil er aus der offensichtlichen Krise der Demokratie die falschen Schlüsse zog und die Tat (die auch Sartre heilig blieb) mit Bereitschaft zur Gewalt gleichsetzte, sprach die Kritik, z.B. Eugen Gottlieb Winkler. Zweifellos glorifiziert Jünger den Kampf; dies dokumentiert bereits der Titel seines Essays „Der Kampf als inneres Erlebnis„, der den Überlebenskampf als biologisches Gesetz und Grundlage jeder Existenz begreift.

Auch seine Gleichsetzung des Kriegs mit einer Schicksalsmacht, mit einem historischen Gesetz, stimmt bedenklich,wenngleich die Faktizität wiederkehrender Kriege weltweit dem Autor Recht zu geben scheint. Realitätssinn und Drang zur ungeschönten Darstellung der Dinge, wie sie sind, vermag man Jünger nicht abszusprechen. Die Schilderung der hoffnungslose Lage widersprach der Dolchstoßlegende, welche v.a. die Nationalsozialisten aufgriffen. Andererseits hielt Jünger lange an der Unvereinbarkeit der Wehrmacht (Stahlhelm) mit dem Nationalsozialismus fest, was eine Verdrängungsleistung ersten Grades ist. Daher verweisen Journalisten immer wieder auf die Tatsache, dass Hitler und Wessels um die Gunst Jüngers warben, weil er Gewalt ästhetisierte https://www.welt.de/wams_print/article2333149/Wie-Hitler-und-Hess-um-Ernst-Juenger-warben.html

Unbestritten begriff Jünger wie Nietzsche das Leben rein als ästhetisches Phänomen und verwehrte sich einer moralischen Deutung. Sätze, die man als aphoristisch bezeichnen könnte, wären sie nicht eingebunden in einen Wirklichkeits-Roman – den Begriff des journalistischen Belletristik führte Truman Capote 1965 mit „Cold Blooded“ (Kalblütig, im englischen als true crime literature klassifiziert) ein, verweisen auf den hohen Grad der Refllexion.„Im Kriege lernt man gründlich, aber das Lehrgeld ist teuer“. Dies kann mehrfach gedeutet werden, auch als Kriegsverherrlichung, da Lernen positiv konnotiert bleibt. Vor allem, wenn wenig später die Erkenntnis folgt: „Ich habe stets den Feigling bemitleidet, dem die Schlacht zu einer Reihe höllischer Qualen wurde, die der Mutige in gesteigerter Lebenskraft nur als eine Kette aufregender Ereignisse betrachtete.“ https://www.gutenberg.org/files/34099/34099-h/34099-h.htm

Die Schützengräben belegt Jünger mit organischen Metaphern, etwa „Eingeweide der Erde„. Jüngers Eingangssatz lautet – unverändert in allen zehn Editionen – „Noch wuchtet der Schatten des Ungeheuren über uns.“ Kritische Gedanken an der Versachlichung bzw.Verdinglichung durch Technik äußert Jünger mehrfach in seinem, auf Tagebuchnotizen basierenden, Roman. Darunter auch „Der Dichter ist überflüssig in der technischen wie in der ökonomischen Welt – das macht sein Elend und seine Größe aus.“ Nachzuhören ist der Text „In Stahlgewittern“ https://www.youtube.com/watch?v=dW9LiJP-u9s

Foto Belinda Helmert: Hameln, Rattenfängerhaus in der Osterstraße, Abzweigung Bungelosenstraße. Das Gebäude aus der Weserranaissance (Originalfassade) ist heute ein indisches Restaurant. Eigentümer ist jedoch seit Ende des Ersten Weltkrieges die Stadt.

Foto Belinda Helmert: Die Seitenfront in der Bungelosenstraße ziert die altdeutsche Inschrift, hier in modernes Deutsch übertragen: IM JAHRE 1284 AM TAGE VON JOHANNES UND PAUL – WAR DER 26. JUNI – (WURDEN) DURCH EINEN BUNT GEKLEIDETEN PFEIFER 130 IN HAMELN GEBORENE KINDER ENTFÜHRT (VERLEITET) – (GINGEN) AM KALVARIENBERG BEIM KOPPEN VERLOREN. Bungelosen bedeutet Trommler und verweist auf die Kriegsanwerber. Merzianer von damals.

Auf den Marmorklippen

1939 erschienene Novelle zeigt deutlich, dass sich Jünger weder von den damaligen braunen Machthabern vereinnahmen lassen wollte, noch dass er sich vor deren Verfolgung und Rache fürchtete. Die Auseinandersetzung mit dem Werk fand Eingang in meine Promotion „Nietzsche unter deutschen Philosophen“. Bereits die Einordnung dokumentiert, dass ich Jung mehr als Denker denn als Romanisten betrachte. Eine fünfminütige Hörbuchkritik 2023, die auch Hitlers Schutz integriert, liefert Tobias Wenzel. https://www.deutschlandfunkkultur.de/hoerbuchkritik-ernst-juengers-roman-auf-den-marmorklippen-dlf-kultur-782a5819-100.html

In der dystopischen Erzählung wird das nietzscheanische Narrativ besonders deutlich und eine Gesellschaft im Umbruch beschrieben, welche die Umwertung aller Werte von der friedlichen Idylle zum Krieg als Gegenstand hat. Dem lebensfrohen Hirten- und Bauernvolk, das an dionysische Zustände erinnert, ist sowohl das barbarische Volk der Hinterweltler (ein nietzscheanische Metapher) aus den angrenzenden Bergen als auch das „verschlagene Gefolge“ des Oberförsters nichtwohlgesonnen. Beids verörpert die lebensfeindliche apollinische Ordnung. Verrohung und kultureller Verfall sind die Folge. Die alte Weltordnung muss dem Regime des Oberförsters (alias H. Göring) weichen, Jünger wollte seine Novelle durchaus nicht als Widerstandsbuch verstanden wissen, sondern als „Schuh, der auf verschiedene Füße passt“, womit er sich an den Untertitel aus „Also sprach Zarathustra“ – „Ein Buch für alle und keine“ – anlehnt. Die Ästhetisierung der Gewalt, des „schönen Bösen“, der Reiz der Gefahr, der Verführung, wirft weitere Analogien auf.

Schauplatz der Bergwelt ist Marina, in der eine Anspielung auf Sils Maria erkennbar wird. Die Lust an Zerstörung und die eisige (menschliche) Kälte der Höhenluft bilden weitere stilistische Merkmale des Zarathustra-Epos, der immer wieder bei Jünger durchscheint. Der Autor stilisiert Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und das daraus gewonnene Lebensgefühl, dem drohenden Untergang ins Auge zu blicken und dabei seine Wertmaßstäbe beizubehalten. Wille zur Macht erscheint hier als Stimulanz zum Leben,als potenziertes Ja zur eigenen Existenz(behauptung).

Auch in späteren Werken, Essays und Erzählungen, greift Jung Stilblüten oder Textpassagen Nietzsches auf. Exemplarisch dafür „Gläserne Bienen“ (Roman, 1957) der auf Zarathustras Honig-Metapher zurückgreift. Die gläsernen Bienen können zwar aus Blüten Honig saugen, bestäuben diese jedoch nicht und sind in ihrer Sterilität ein Sinnbild für die ausbeuterische Natur der modernen Technik. Sowohl Nietzsche als auch Jünger als „Unzeitgemäße“ lehnen ihre Epoche als dekadent und nihilistisch ab. In dieses Bild passt die lange Korrepspondenz Jüngers mit Heidegger und dessen Interesse an der „Bewegung“. Heidegger interpretiert Honig als eine dem Dinge innewohnende, aber durch die Gestalt verschlossene Wesenheit, der Essenz der Wahrheit. Jünger lehnt Technik als Essenz der Moderne ab; in diesem Sinn sind er, Nietzsche und Heidegger konservativ (werterhaltende) Denker oder konservative Revolutionäre.

Foto Belinda Helmert: Hameln, Narren(schiff)brunnen, Am Posthof, Bronze, von Jürgen Weber (1987) https://www.komoot.com/de-de/highlight/639730

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