Otto Flake Sade und die psychopathia sexualis

Mühlhausen, Altstadt,

Foto Bernd Oei: Mulhouse, Geschäftshaus, Hutmacher, elsässischer Fachwerkbau. Nach dem Suizid seines Vaters übersiedelte Otto Flake (1880-1963) aus seiner Geburststadt Metz ins heute 104 0000 Einwohner zählende Mühlhausen. Er verbrachte hier im südlichen Elsass zwischen 1882–1905 seine Jugend.

Der sanfte Revolutionär

Es gehört zu den Besonderheiten, dass der im Luberon, nahe Avignon geborene, Marquis de Sade (1740-1814), der über die Hälfte seines Lebens im Gefängnis,darunter die Bastille undI im Irrenhaus verbrachte, auf Rache verzichtete und jene, die seine Inhaftierung veranlasst hatten, nicht unter dem Fallbeil hinrichten lies, als Robespierre ihm die Gelegenheit dazu bot. Der aufgrund seiner Ausschweifungen im wahren Leben und seines prosaischen Sadismus, verbunden mit monströsen Folterungen berüchtigte Schriftsteller geriet aufgrund seiner Milde während der Terreur gegenüber den Konterrevolutionären alsbald selbst in Todesgefahr.

Die zahlreichen Widersprüche des Sades bewegten Falke, der seinerzeit zu den meist gelesenen deutschsprachigen Autoren gehörte, 1930 eine Biografie zu verfassen; die folgenden Zitate stammen aus der Gesamtwerk-Ausgabe des S. Fischer Verlags „Freiheitsbaum und Guilotine“ (S. 49-173). Der Titel des Essaysammlung hätte für den Libertin der sich mehrfach mit der Todesstrafe konfrontiert sah, nicht treffender gewählt sein können.

In zwanzig Kapiteln entrollt Flake das exaltierte Leben des Schriftstellers, der die erste psychopathia sexualis (Wechselspiel von Sadismus und Masochismus) erforscht und geht dabei auf die populärsten Schriften ein, darunter „Die hundertzwanzig Tage von Sodom“, “ Justine“ und“ Juliette“ (Das Missgeschick der Tugend), sowie „Die Philosophie im Boudoir“ (Die unmoralischen Lehren). Wie er im Vorwort schreibt handelt es sich hauptsächlich um „Charakterologie“ und akzentuiert den Wert negativer Phänomene für den „Beitrag zur Geistesgeschichte und zur Seelenforschung„.

Gleich zu Beginn schildert Flake daher die sich über Tage hinziehende Folterung und Exekution eines Attentäters, der Mitte des 18. Jahrhunderts den König Ludwig XV. hatte töten wollen. Öffentliche Körperbeschädigungen und zur Schau gestellte Qualen gehörten daher zum Alltag des werdenden Schriftstellers. Hinzu kommt die Alltäglichkeit des Tötens von Angehörigen des Volkes durch den Adel und ihre Straffreiheit, quasi ein aristokratisches Privileg und eine Bagadelle, so dass de Sade nur auffällig wurde, wenn er Frauen seines Standes Leid zufügte. Dies gilt auch für Inzest und andere moralische Perversionen, die im Ancien Régime mit zweierlei Maß gemessen wurden. Als dritten Aspekt wählt Flake das Faktum, dass der pubertierende Sade lange an der Front im Siebenjährigen Krieg teilnahm, in dem systematisch, legitimiert über die Staatsräson getötet und gefoltert wurde.

Foto Bernd Oei: Rathaus und historisches Museum in Mulhouse am Place de la Réunion (Wiedervereinigung), der seinen Namen aus der Zeit desnicht freiwillig erfolgten Anschlusses des Elsass an Frankreich 1798 hat. 1648 bis 1798 Stück für Stück, meist mit Waffengewalt, Blut und Schmerz annektiert.Die Figuren allegorisieren das Gericht. Die heutige Fassademit ihrer aufwendigen Malerei entstammt dem Ende des 17. Jahrhunderts. https://www.tourisme-mulhouse.com/de/erfahrungen/historisches-museum/

Das 1864 gegründete Museum im Herzen der Altstadt von „Mühlhausen“, in dem Flake seineJugend vertrachte, beschäftigt sich mit der goldenen Zeit der Stadt, die zwischen dem Barock und der beginnenden Industrialisierung liegt und damit sich mit der Lebenszeit de Sades überlappt. Der bekannteste Sohn der Stadt ist Alftred Dreyfus, dessen Prozess, Verurteilung und Revision die 3.Republik in zwei Lager spaltete. Das Museum im trompe de l´oeil Stil der Spätrenaissance hat seines seiner Zimmer nachgestellt. Die Figuren allegorisieren das Gericht.

Der Dreißigjährige Krieg endete damit, das der größte Teil des Elsass Frankreich zugeteilt wurde. ( Westfälischer Frieden – Vertrag von Münster 1648).

Durch den Vertrag von Nimwegen 1679 (Ende des Holländischen Krieges 1672-1678) wurden die 10 Reichstädte Frankreich angegliedert. Am 23. Oktober 1681 wurde Straßburg im tiefsten Frieden überfallen und durch eine List ohne einen einzigen Kanonenschuss nach 33 Jahren Widerstand eingenommen. 

1797, de Sade befand sich noch auf freiem Fuß und nicht in der Irrenanstal, kam es zur französischen Invasion in der Nordschweiz. 1798 schließlich, stimmte der Stadtrat (die reichen Industriellen) dem Anschluss an Frankreich zu. Es war eine Zwangsannexion der Republik Mülhausen.. Nun gehörte das Elsass endlich zur Republik Frankreich.

Foto Bernd Oei: Im 1. Stock des Museums befindet sich der ehemalige Ratssaal, der einen grossen Teil seines originalen Dekors aus der Renaissance behalten hat. Das altehrwürdige Rathaus wurde von einem Brand zerstört, von Montaigne 1580 als schönstes Gebäude aus Basler Stein gewürdigt.

Das Theater der Grausamkeit

Flake zufolge ist die Figur Valcour aus „Aline et Valcour“ am Vorabend der Revolution das Alter Ego de Sades. Dieser wird ebenso zwangsverheiratet wie er mit einer Frau, die so masochistische Züge trägt wie er sadistische; erst sehr spät trennt sich die Gattin von ihrem Ehemann, der auch eine Affäre mit ihrer Schwester hat. Auch der lange Aufenthalt in Italien, diverse Schlösser und Gift,das die Damen willenlos macht (KO Tropfen) kommen darin vor. Diese skandalträchtigen Vergiftungen führen zur Anklage des Pariser Gerichtshofs; weitere Orgien des Schwiegersohnes bringen die einflussreiche vermögende Schwiegermutter (la Présidente), die über die Ehe in den Hochadel aufgestiegen ist, dazu, de Sade über ihren Mann, ein hoher Richter, einkerkern zu lassen. Die Festnahme erfolgte 1877 auf Lacoste im Lubéron nahe Aix en Provence. 13 lange Jahre im Gefängnis folgten.

Flake schließt auf eine bisexuelle Ader des Marquis und eine anale Fixierung, begleitet von sodomistischern Neigungen. Ausgelebt hat er seine Passion zu Männern wahrscheinlich nicht; seine potenzierte „Pornografie“ sublimiert die Einsamkeit in der Bastille, von wo aus der Gefangene das Volk gegen die Monarchie aufhetzt. Wenngleich der Inhaftierte zahlreiche Privilegien (u.a. eine eigene Bibliothek) genießt, zeitigt die Isolation jene Romanen, die eine einzigartige Mischung aus Gewaltfantasien und philosophischen Maximen bieten. Nur letztere sind hier von Belang. Eine davon lautet: Je besser ein Staat organisiert ist, desto größer die Deformation seiner Menschen. Die Zivilisation fördert nicht die Vervollkommnung des Menschen zum Guten, sondern zum Bösen. Blick in den Abgrund. https://www.spektrum.de/lexikon/philosophen/sade-donatien-alphonse-fran-ois-marquis-de/292

Möglich, dass die eigene erlebte Ohnmacht die Allmachtsfantasien steigerten wie die Gefangenschaft den Durst auf Freiheit und Willkür. Verbotenes, das Tabu reizt, Gesetze zu übertreten. Diese Ansicht vertritt ein weiterer de Sade – Monograf: Georges Bataille, der die Entgrenzung zu seinem philosophischen Kernthema erhob. Flake interessiert indes die ungeschminkte Seite, das Abgründige im Menschen, das de Sade nicht erfindet, sondern aufspürt. „Man muß in ihm einen Mann sehen, der Schriftsteller sein wollte und war und der unter anderm in düsteren Berzike des Erotismus ausbrach … die Geschichte von Juliette und Raunai ist eine historische Novelle aus der Zeit der wilden Kämpfe zwischen Hugenpotten und Katholiken.“ (S.83)

Wie man aus Montaignes „Essais“ weiß, waren die Religionskriege reich an Grausamkeiten und Folter, die de Sades Schilderungen kaum nachstanden.

Foto Bernd Oei: Mulhouse, Temple St.Etienne im neogotischen Stil am Place de la Réunion. Mit 97 m Turmhöhe ist die Stefanskirche das höchste protestantische Gotteshaus Frankreichs, ein Neubau, der 1866 fertiggestellt wurde. Die beeindruckenden Kirchenfenster stammen noch aus der Vorgängerkirche des 14. Jahrhunderts. https://www.visit.alsace/de/234004472-temple-saint-etienne-stefanskirche/

Über die Stadtgeschichte Mühlhausens informiert https://media.globetrotter.de/file/1240277_b_mmv_elsass_24.pdf. Flakes erste Publikation lautet 1908 „Straßburg u. das Elsass“. Philosophische Essays des überzeugten Protestanten folgen erst nach dem 1. Weltkrieg, beginnend mit „Das neuantike Weltbild“.

Zwei Pole – Biopolitik

De Sades Familie stammt v.a. von Bischöfen und dem Klerus ab. Das erlebte Gemetzel an der Front führte den Marquis zum Atheismus, auch zur Blasphemie. „Gott gibt es nicht, ich selbst habe diese Erfahrung gemacht.“ Die frühe Gewaltprägung war entscheidend für seine Überzeugung, der Mensch heuchle Frömmigkeit und Tugend nur. Er griff die Gepflogenheiten und Verlogenheiten seiner Zeit auf: „Wenn der König von Frankreich sich seinen Harem hielt, den ein Netz von Kupplern und Kupplerinnen über den ganzen Land mit der besten Ware versah, werden andere Adelige ihr eigenes Systemgehabt haben.“ (S. 85).

Weshalb konnte Flake an de Sade so interessiert sein? Er erstrebte den nachexpressionistischen Roman, der nicht in der Beschreibung des einzelnen Gegenstands verharrt, sondern das Typische hervorheben will. In der Abstraktion, Simultanität und Unbürgerlichkeit sah er methodische Grundlagen. Bisherige Wertvorstellungen gelten nicht mehr, ein neues Weltbild sollte entstehen: die unvoreingenommene Sehweise des Individuums, das in der Zeit der Krise mangels verbindlicher Sinngebungen neue erwerben muss. https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/118533665/Flake+Otto

Mit der Präzision eines Buchmachers prägt er seine Folterzenen. Der Vielschreiber, von dessen Werk nur ein Teil entdeckt wurde, betrieb aufwendige Recherchen sexueller Praktiken in Feudenhäusern und Geschlechtskrankheiten. De Sades Monomanie ist die Ursache für seinen Anspruch, der erste „Systematologe der Perversion“ zu sein. Damit arbeitet er Freud bereits vor. Hierin und in derMissachtung der öffentlichen Meinung besteht eine Analogie zu Nietzsche.

Laut Flake ist de Sade „zweipolig“ mit einer hellen, rationalen und an Maschinen geschulten Seite und einer dunklen, irrationalen, von unbeherrschbaren Trieben dominierte Seite. Dies führt zur Logik des Absurden, dem Theater der Grausamkeit mit Berechnung. Ohne Aufklärung ist dies undenkbar. „Das Schaltwerk ist nichts weiter als ein mechanischer Apparat, der sich ohne Kämpfe, ohne inneres Erlebnis., ohne Erschütterung und Durchrüttelung in Bewegung setzt„. (S. 87)

Interessant ist die Wendung der Perspektive. In den frühen Werken wie „Aline und Valcour“ ergreift de Sade noch Partei des Opfers, das er mit der eigenen Gefangschaft invertieren wird. Er beginnt, das Martyrium, zu verhöhnen, die Tugendhaften zu verspotten, die Täter zu glorifizieren.

Foto Bernd Oei: Maison Mieg, 1560 erbaut, benannt nach der Tuchhändlerdynastie, die es von 1675 bis 1840 besaß. Sein heutiges Aussehen verdankt es Mathieu Mieg, der 1799 die Fassade mit Wandmalereien schmückte. Das Erker-Wohnhaus Nr. 11 ist das größte, die den Place de la Réunion umgeben.

Schmerz als aktive Ursache der Wollust

Flake vergleicht de Sade auch mit Mirabeau, der gleichfalls aus der Region um Aix en Provence stammt: die beiden Lüstlinge sind sich auch im Gefängnis, der Festung Vicennes begegnet und beide begannen dort zu schreiben. Er bezeichnet ihn als einen Sanguiniker mit gesundem Temperament, einen Redner ersten Ranges, der im Gegensatz zu de Sade nach seiner Befreiung ins Leben springt und mit beiden Händen die Politik ergreift. De Sade dagegen ist vom Typus Choleriker, im Leben introvertiert, nur als Schriftsteller extrovertiert. Er war mehr Beobachter der Gelage, ein Voyeur, seltener aktiv. Mirabeau behielt trotz seines Lasters einne menschliche Wäme; de Sade war indes kühl und kultivierte die Beherrschung zur Kontrollsucht.

De Sade ist der erste Europäer, um es mit Sigmund Freund zu sagen, der gezeigt hat, dass wir aufgrund unseres sexuellen Trieblebens nicht „Herr im Haus“ sind. Dass also der Verstand keinesfalls die Triebe und Leidenschaften des Menschen beherrschen kann, wie es die Aufklärung gehofft hatte. Er hatte die Doppelgesichtigkeit der Vernunft, ihre in Dienstetellung der Herrschenden durchschaut. Insofern ist de Sade auch nicht nur Aufklärer, sondern auch Provokateur. Er geht weit über die Ideen der Aufklärung hinaus. https://www.dw.com/de/de-sade-wird-uns-immer-provozieren/a-18103131

Überkompensierung der Männlichkeit„, so urteilt Flake, sei die Ursache pathologischer Grausamkeit, die de Sade kaum ausletbe, zumal er die sich bietende Chance der Revolution auslies und passiver Beobachter, Bewunderer Marats, blieb. Allerdings handelt es sich um eine partielle Passivität, die auch Nietzsche charakterisiert, der gleichfalls des öfteren zum Vergleich herangezogen wird, da auch er amoralischer schrieb als er lebte. Flake spricht von einem sezessionistischen Wissenstrieb bzw. dem „pantheistischen Trieb der Allgeschlechtlichkeit„. Wollust und Liebe schließen sich bei ihm aus. Liebe entspringt laut de Sade einem masochistischen Bedürfnis des Opfers, Schmerz ist aktive Ursache aller Wollust.

Foto Bernd Oei: Bollwerk (1390 errichtet) und alte Stadtmauer Mühlhausens, welche die Ober- von Unterstadt trennt. Das Fresko des urbanen Wahrzeichens entstammt 1893. Es ist der einzige mittelalterliche Überrest. https://www.elsass-geniessen.de/de/themenreisen/Elsass+Stadttour

Foto Bernd Oei: Rue du Sauvage mit Blick auf Saint Etiènne in der Fußgängerzone Mulhouse. Basel ist von hier 30 km und Freiburg 50 km entfernt. Mein Weg führte Mai 2018 über die legendäre Weinstraßein in die ehemalige Industriestadt. https://www.weinstrasse.alsace/

Neurotische Überkompensation

Es gibt selten so viele verschiedene Ausgaben von einem Buch wie von Justine und Juliette, die zudem auch mit Illustrationen vorliegen. De Sade stritt seine Autorenschaft immer ab. Eine Variante, aus dem Flake zitiert, lautet „Die neue Justine oder die Leiden der Tugend“, wobei der Titel offenkundig an Rousseaus „Julie oder die neue Héloise“ anknüpft. Justine ist die Märtyrerin und bezahlt ihr Gutsein mit schrecklicher Folter; die lasterhafte Juliette hingegen hat Erfolg und genießt das Leben in vollen Zügen. Fetisch, Orgien der Mönche, Inzest, Folter, Kanibalismus, Kakophonie und ein mordender Abt dürfen dabei nicht fehlen. „Die Orgien geben Gelegenheit zu einer Systematologie von Perversionen„. (S.96) Deutlich wird dabei, dass Verbrechen ansteckend wirkt. Ist die erste Hemmschwelle überschritten, potenzieren sich Grausamkeiten in einer Gewaltspirale. Flake fragt nach dem Grund der Faszination.

Der Leser sollte sich fragen,ob unter der Schwelle seiner Abscheu sich nicht auch andere Empfindungen regen. … Diese Hemmungslosigkeit, dieser vollkommene Mangel an Sinn für das Wahrscheinliche und die Aufnahmefähigkeit, führt in das Zentrum der Sadeschen Problematik, die Überkompensation, die man bei allen Neurotikern findet.“ (S.97, 98)

De Sade arbeitet methodisch mit Reizüberflutung. Er testet Normen und Abnormitäten aus, stellt Dystopien in Aussicht: der Mensch, befreit von Fesseln der Moral, der Furcht vor Strafe, wird mehr und mehr zur Bestie. Ethik interessiert den Schriftsteller nicht, der (wie Nietzsche) alles als ästhetisches Phänomen begreift. Das Unnormale der Omnipotenz begleitet die Schwachen und infantil gebliebenen Gemüter, so Flake. Er schildert exemplarisch das Auspeitschen einer Bürgerlichen namens Rosa, an der der jungvermählte de Sade die Wirkung einer Heilsalbe mit akribischer Sorgfalt testete.

Foto Bernd Oei: Durch Mulhouse fließt die Doller, ein 46 km langer Fluss aus den Vogesen,die hier in den Ill, mündet, denmit 216 km längsten linken Zufluss des Rheins. https://www.elsass-netz.de/165/Seen-Fluesse-WasserStrassen-Kanaele.html

Foto Bernd Oei: Radweg (voie verte) entlang dem Rhein-Rhône Kanal kurz vor Mühlhausen. Der Kanal verbindet auf 237 km Länge drei Regionen und endet 17 km östlich von Mulhouse in Niffer an der deutsch-französischen Grenze.https://de.wikipedia.org/wiki/Rhein-Rh%C3%B4ne-Kanal

Chronist der Unsitten

„Aline und Valcour“ liefert eine Utopie von einer freizügigen Gesellschaft, in der ein Maxinmum an Hedonismus gelebt wird. Es handelt sich um eine positive Form der Diktatur. Es besteht kein Zweifel daran, dass Demokratie und Pöbel dem elitär orientierten Marquis verhasst waren. Andererseits wurde er Opfer des Absolutismus, der höfischen Intrigen und einer ebenbürtigen Gegnerin. Hauptthese de Sades ist, analog der „Bienenfabel“ von Mandelville, dass Laster eine unverzichtbare Grundsäule der Ökonomie darstellt und daher vernünftig ist, am Ende auch lohnenswert. https://www.podcast.de/episode/634540761/06-marquis-de-sade-lohnt-sich-das-laster.

2014, zum 200 jährigen Todestag, brachte der Deutschlandfunk eine Sendung mit dem ensprechenden Titel „Ein Gegner der Tugend“ heraus. Einige Zitate zu den Kerngedanken des Marquis sind dort nachzulesen. https://www.deutschlandfunk.de/marquis-de-sade-ein-gegner-der-tugend-100.html

Ein Podcast der Reihe „Lesedusche“ widmet sich dem Duell zwischen De Sade und seiner Schwiegermutter, „La Présidente“, Madame de Montreuil. Symptomatisch für den Niedergang des Adels und den Aufstieg der Bourgeoisie, dem Triumph des Geldes über den Rang, unterliegt der Freigeist der kalkulierenden Karrieristin. https://podcasts.apple.com/tn/podcast/marquis-de-sade-im-duell-mit-seiner-schwiegermutter/id1548971447?i=1000676883586

Obschon Donatien de Sade viele Jahre (1801-1814) in einer Nervenheilanstalt in Charenton südöstlich von Paris verbrachte, wo er weiter Stücke schrieb und auch aufführen lies, beschäftigen sich wenige Beiträge intensiv mit der Frage, ob er tatsächlich wahnsinnig oder doch nur ein Opferpolitischer Umstände war. Es gab Gründe,weshalb er sich den Unmut Napoleons auf sich zog, da der überzeugte Republikaner de Sade hemmungslos die Schwächen von Bunopartes Frauen aufzeigte. Ein Narr sei, wer sich durch Moralideen fesseln ließe, schrieb er und dennoch tat er es selbst, indem er realistisch den Finger in die Wunde des korsischen Erotomanen legte. Das Kalenderblatt nimmt den 6.März 1801 allerdings nur zum Aufhänger, beschäftigt sich nicht mit der Pathologie de Sades. https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/de-sade-wird-verhaftet-102.html

Ein weiteres Bonmot, das auch Flake aufgreift lautet: „Schlimm, wenn man missverstanden wird, schlimmer, wenn man verstanden wird.“ De Sade hat die Sitten seiner Zeit, mehr noch deren Unsitten und Monströsitäten dokumentiert. Er ist ein „phantastischer Verdeutlicher„,der beispielsweise aufeckt, dass die Jesuiten nicht uneigennützig als Tröster jünger Witwen auftraten. Sex und Geld bildeten die Mitgift seiner Prosa. Die geschilderten Satansmessen erinnern an heidnische Bräuche und Naturreligion. Der Königspalast dient dabei als Modell seiner Dirnenstadt. „In den Nachtstunden war das Palais Royal das,was ein Jahrhundert später Montmartre wurde,und mehr.“ (S.113)

De Sade ist kein typischer Franzose, so Flake, denn der Rausch der Grausamkeit sei eine Folge der Revolution, der Grand Terreur und damit nur Affekt. Der Marquis jedoch ging planvoll und chirugisch wie mit dem Seziermesser vor und erinnert vielmehr an die Inquisition, „an den spanischen Spiritualismus„. Der Essayist spürt Parallelen zu anderen Philosophen und Romanciers auf, die der Insasse von Charenton bis zu seinem Tod rezipierte und auf die er sich stützte. Ebenso zitiert er Polizeiberichte und enquêtes, Untesuchungen im Ancien Régime. Er verwendet dabei häufig den Begriff der Tribadie, eine seinerzeit häufig verwendete Terminologie für lesbische Unzucht. Demnach war der Schriftsteller besessen von Sexualität, aber nicht verrückt.

In seinem letzten Lebensabschnitt wird er zum Soziologen der Pariser Prostitution. Daher steht am Ende der Arbeit ein Vergleich mit De Sades Zeitgenossen, dem Schuhfetischisten Nicolas Rétif (auch Restif de la Bretonne geschrieben), dessen detaillierten Betrachtungen des gesellschaftlichen Bodensatzes Goethe, Schiller und W. Humboldt nahezu verehrten. Seine Themenüberschneidung mit de Sade sind eklatant und gravierend. Ein Beispiel liefern Giftmorde, Päderasmus als eine von Ludwig XV importierte italienische Mode und die Darstellung der zeitgemäßen Unsicherheit, insbesondere durch Räuberbanden.

Foto Bernd Oei: Markt, Marché du Canal Couvert, wegen der Bedachung der Halle und ihrer Lage am Rhein-Rhône Kanal genannt, öffnet um 6 Uhr morgens und schließt um 17 Uhr nachmittags. https://marchedemulhouse.com/le-marche/

Foto Bernd Oei: Markthalle am Quai de la Cloche Mit über 300 Händler ist der Markt in Mulhouse, der Dienstags, Donnerstags und Samstags stattfindet, der größte im ganzen Alsace. Dabei begenen sich zwei Welten: Auf der einen Seite Textilien und Bazar, auf der anderen Lebensmittel und Gartenbau.

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