
Foto Belinda Helmert: Weserschleife bei Porta Westfalica. Weserbergland und Wiehengebirge stoßen hier aufeinander.
Unerkannte Erkenntnis
Edmund Husserl, 1859 in Mähren ( k. u . k. Monarchie geboren und 1938 in Freiburg, Breisgau unter der Hitlerdiktatur gestorben) gilt für Philosophen weit mehr als für Liebhaber oder Laien, denn er war bedeutend für die kritische Sicht auf die Naturwissenschaft, der er entstammt. Dass sich theologen, psyachologen oder andere Geisteswissenschaftler eben aufgrund der Tatsache, dass sie menschliche Individuen sind, streiten, ist nicht weiter verwunderlich, denn der Faktor Subjektivität ist beispielsweise in Kunst- und Literaturfragen unmöglich zu nivellieren. Doch Husser sah auch die Problematik bei seinen Kollegen (er entstammt der empirischen Naturwissenschaft) skeptisch, was Neutralität und Objektivität anbelangt. Die Grundlage unseres Wissens ist:
Unser Wissen bestehet aus Beobachtung, Wahrnehmung (eine bereits selektive Boebachtung und sei es nur das kalibierte Meesgerät) und drittens, der Deutung bzw. Interpretation, der wir alle unterliegen.. In einer zunehmend vermessenen und inzwischen digital erfassten Welt wird der von Husserl angestrebte Zusammenhang aller Disziplinen und die Methode, mit der sich auch der denkende wissenschaftler als Beobachter reflektiert, immer wichtiger. Phänomenologie laut Husserl ist nicht nur Wesensschau der sichtbaren Phänomene (oder der messbaren), dem Objekt, sondern bertrifft auch das Subjekt. Kein Objekt kommt ohne Subjekt aus, daher schließt die logische Phänomenologie den Beobachterstandpunkt mit ein. Anders gesagt: etwas bleibt unerkannt

Foto Bernd Oei, Porta Westfalica, Blick auf die Weser, die von Hann Gmünden (Wo Werra und Fula als Weser fusionieren) ca. 210 km entfernt liegt.
Erkenntnis an Erkennenden gebunden
Der Erkennende muss in den Erkenntnisprozess einbezogen werden, was Sinn und Sinnlosigkeit bzw. Erfolg und Nutzen oder Motivation als Kriterien in ihn einfließen lässt. Jedes Denksystem, als welches die Phänomenologie zu verstehen ist, bedarf einer inneren geistigen Schau, einer Reflexion, die hier im Fall Husserls auch eine Reduktion auf das Wesentliche, das ursprüngliche Ereignis, die Sache selbst zurückgeht.
Husser fragt, unter welchen Bedingungen der Beobachtende, bzw. Wahrnehmende bzw. Erkennende beobachtet bzw. wahrnimmt bzw. erkennt. Die Pointe, dass es keine (dauerhafte) allgemeingültige Wahrheit bzw. Erkenntnis von Wahrheit geben kann, ist obligatorisch.
Der Anspruch heutiger Wissenschaft auf universale Objelktivität oder Neutralität, da der Faktor Mensch (selbst wenn er ein Instrument konzipiert oder ein Programm programmiert) nie außer Acht gelassen werden darf. Wir haben immer einen teilweise subjektiven Zugang zur Welt und damit einen blinden Fleck auf der weißen Landschaftskarte. mind mapping heißt das auf englisch.

Foto Bernd Oei: Porta Westfalica, Wittenkindsberg, Annäherung an die Burg. Der Wittekindsberg ist der östlichste Teil des Wiehengebirges mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal, der sich von Porta Westfalica mehrere Kilometer nach Westen auf einem schmalen Grat bis zu einer Höhe von 290 Metern erstreckt.
Zu den Sachen selbst
Husserl ist zwar Kantianer, aber zur zur Hälfte, da er nicht an einer konstituierenden Vernunft, einer Erstaussstattung aller Menschen festhält. Zurück zu den „Dingen selbst“ heißt nicht zurück zum „Ding an sich“, sondern zu den Sachen, den Sachverhalten, den orimären und sekundären Bewusstseinsakten. Von den blo0ßen Worten (Definitionen) zu dem Primäreignis, das darin beschrieben werden soll, herrscht eine black box, eine undefinierbare Schwelle, die keine spekulative Vernunft zu kompensieren vermag.
Natürlich ist der Ausgang Husserls wie bei Kant transzendental. Doch weder die Wessenschaft noch ihre Methode ist exaktes Abbild dessen, was sie untersucht. Das transzedentale Ich selbst besitzt nicht die volle Erkenntnis, weil es der Anschauung unterliegt. Die Anschauung, Zeit und Raum, wäre die volle Erkenntnis, alles andere, beginnend mit der Kausalität ist bereits eine Interpretation, die auf eine Annahme beruht.
Um diese Hypothesen zu hinterfragen, entwickelt Husserl die dreifach Reduktion: zunächst muss der subjektive Faktor ausgeschlossen werden (u.a. der Rückgriff auf den Apparat 9der den Kontext wie die Institution der Forschung und Vorwissen), hernach die Fragwüridgkeit einer bereits als bewiesen angeommene Hypothese (Messgenauigkeit) und zuletzt die Tradition des Wissens an sich, die sich in Formeln niederschlägt. Die Dinge gehen nie in den Ereignissen auf und noch weniger in ihren Eigenschaften, die man ihnen nachgewiesen hat.

Foto Bernd Oei: Porta Westfalica, Wittekindsburg, 2km westlich des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Kamm des Wiehengebirges an der Stadtgrenze nach Minden befindet sich das „Berghotel Wittekindsburg“, 1895/96 erbaut.
Das Glas ist weder halb voll noch halb leer
Alle Formen des Daseins müssen auf diese dreifache Befreiung von vermeintlichen Wissen durch die eidetische Reduktion überprüft werden. Wenn der Optimist sag, das Glas ist halb voll und der Pessimist bei gleichem Pegelstand konstatiert, es sei halb leeer, ist dies ein Beleg für die Einstellung bzw. Intention, die einem Sachverhalt stets eine Richtung verleiht. Das Urteil über die Sache selbst kommt selbst im bewusst reflektierten Zustand nie neutral objektiv zustande, weil es immer zugleich ein psychisches Erlebnis ist und als solches auf die Beobachtung einwirkt.
Im Beispiel des Glasinhalt-Messens liegt ein Hineindenken von Bedeutung vor, das Ergebnis vor der Erkenntnis, die Protention. Es gibt als intentionalen akt auch die Retention und die reine Intention. Jede Wahrnehmung ist bereits selektive Beobachtung, jede Erkenntnis selektive Wahrnehmung, weil alles tranzendentale Denken eingebettet bleibt in einen Kontext, den Husserl Rätsel nennt.
Erkennendes und Beobachtetes, subjekt und Objekt, treten notwendigerweise auseinander Nur die Intention und die Absicht sind nie objektivierbar, selbst wenn sie erkannt werden. Warum? Weil die Wahrnehmung bliße das Ergebnis einer subjektiven Erkenntnis ist. Husserl spricht von Denkakten, wobei Erinnerung und Erwartung die für ihn relevantesten darstellen, weil beide neutrale Objekterkenntnis verhindern. Er spricht von Bewusstseinsstrom, der Eingang in die Literaturtheorie, u.a. bei Virginia Woolf erhält, wenn sie das Bewusstsein in einzelne Akte unterscheidet und die Zwischenräume Leerstellen nennt und in „Ein Zimmer für sich allein“ die Mechanismen im Bewusstsein, kollektiv wie individuell, reflektiert.
Husserl spricht von Lebenswelt als Kontext-Hintergrund, in dem Wissen bzw. Erkenntnis stattfindet. Diese uss von Protention (Erwartung) und Retention (Erinnerung) gereinigt werden, um zur reinen Intention im Jetzt und Hier zu gelangen.

Foto Bernd Oei: Blick auf Wald und Weser vom Wiehengebirge aus. Das Ostende ist mit der Porta Westfalica östlich des Wittekindsbergs verbunden.
Biografischer Schock
Auch Husserl war nur Mensch. und fühlte sich während der Kriegsjahre wie gelähmt. Er schrieb in jener Zeit von einem ”Ausbruch des Welthasses” und der “Sintflut der Verleumdung und all die Orgien der kriegerischen Entmenschung”. Der Philosoph fühlte sich von der Tragweite der Geschehnisse niedergedrückt. Vorlesungen und Seminare hielt er zwar noch eine Weile, musste sich jedoch schlussendlich in ein Sanatorium begeben.
Sein Sohn Wolfgang stirbt mit 21 Jahren an der Front, ebenfalls viele von Husserls Studenten. Sein zweiter Sohn Gerhart wird schwer verwundet. Das alles ging sicher nicht spurlos an ihm vorüber. Husserl begann sich zunehmend auch für religiöse Fragestellungen zu interessieren.
Das Erstarken und die spätere Herrschaft der Nationalsozialen bringt Husserl auf seine Idee der transzendentalen Phänomenologie. Sie ist ein „Versuch, die Entfremdung von Mensch und Wissenschaft wieder zu reduzieren.“

Foto Bernd Oei: Porta, Wittenkindsburg. Die Gaststätte ist nicht zu verwechseln mit der unweit davon gelegenen archäologischen Fundstätte der vorchristlichen, auf dem Wiehengebirge ruhenden, alten Wallburg aus vorchristlicher Zeit, im dritten bis zweiten Jahrhundert.
Vorurteilsfrei vogelfrei
Vorurteilsfreies Denken ist in den Naturwissenschaften fast unmöglich, da man glaubt, auf sicheren Boden zu stehen und seinen Messungen vertraut. Nicht zu vergessen ist der wunsch nach Reputation und Verständigung, der einen Zugang zum Anderen voraussetzt. wie das Phänomen der Freiheit so beruht auch das Wissen und jede Form von Denken auf den Wunsch, verstanden und anerkannt zu werden. Sie beruht auf einen Anderen. Freisein und Wissen ist folglich nur mit Zustimmung des Anderen möglich.
Husserls Denken gleicht dem Zerfall des reinen Rationalismus. Die heutige Forschung muss mehr denn je auf ihre Vorgaben wie Geldgeber und Erwartungshaltung bzw. Forschungszweck überprüft werden. Nichts und niemand ist frei von Interessen. Wissenschaftler müssen sich einer kritischen selbstreflektierenden Methode, der eidetischen Reudktion, unterwerfen und ihre Reputation immer aufs Neue auf den Prüfstand stellen.
Neues Denken kann nur durch den gewagten Bruch mit der Tradition erfolgen. Vorurteilsfreies Denken beinhaltet immer vorläufiges Urteilen.

Foto Bernd Oei: Blick vom Wesergebirge aus auf das Kaiserdenkmal auf dem Wiehengebirge; dazwischen die Weser.
Krisis des Denkens
Bedenklich erscheint, dass eine Partei, die einzige, die wirklich die Corona-Ereignisse hinterfragt, aufarbeiten und die Verantwortlichen zur Verantwortung rufen möchte, in einem angeblich demokratischen Land als verfassungsfeindlich eingestuft wird, inzwischen auch als rechtsradikal pauschal abgestraft und diskriminiert wird. Noch bedenklicher, dass dies geschieht, als die Partei Mehrheiten bei dem angeblich demokratischen Wähler erzielt, also gegen den Trend rechts zu sein zur Mitte wird. Husserl hat selbst die Folgen der Machtübernahme der Nazis, mit denen man die AfD inzwischen in den öffentlichen Medien vergleicht, erlebt. Seine Warnung:

Foto Bernd Oei, Porta, Weser und Weserbergland jenseits des Flusses. auf der anderen Seite des Ufers ist das Gras ja bekanntlich immer grüner.
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