
Foto Belinda Helmert: Gefrorene Zweige -Winterfrost bei Glissen entlang des Liebenauer Wegs.
„Lass mich trinken dort und nässen
Meine Augen – ach, ich lechze
Nach dem lichten Wunderwasser,
Welches sehend macht und wissend“
(Heine, Atta Troll, Caput III) https://www.projekt-gutenberg.org/heine/attatrol/chap004.html
Kein Karrengaul
Atta Troll. Ein Sommernachtstraum stammt aus der Feder von Heinrich Heine aus seinem Pariser Exil. Das Versepos ist ein typisches Vormärz-Gedicht des entlaufenen Romantikers, das 1843 zwei Jahre nach seiner Fertigstellung erschien. Der Bär Atta Troll persifliert die teutonische Tölpelhaftigkeit. In seiner ästhtetischen Form wendet sich Heine gegen die rein politische Kunst à la Freiligrath, Uhland, Gutzkow, Herwegh und Börne, die Poesie der Polemik opferten. Eine Analyse des Textes findet sich unter https://www.xlibris.de/Autoren/Heine/Werke/Atta%20Troll.%20Ein%20Sommernachtstraum
Im Heine Jahrbuch 1997 ist ein Beitrag über Ironie und Mimesis (Ironie in Form einer Geste), auch unter dem Fokus zweier narrativer Ebenen, der übergeordneten und einer teilnehmenden Perspektive, einsehbar https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/65746/file/Bergengruen_1997_Herodias.pdf
Die blaue Blume -Symbol der Romantik – ist verschollen, und der geliebte Pegasus, das geflügelte Ross (ein Zeugnis Neptuns und Medusas), dessen Hufschlag jenen Brunnen schuf, aus dem alle Dichter trinken
„Ist kein nützlich tugendhafter
Karrengaul des Bürgerthums,
Noch ein Schlachtpferd der Parteiwuth,
Das pathetisch stampft und wiehert!“ (Kaput 3)
Wer es amüsant (volksnah) unkonventionell mit Playboymobilfiguren schätzt, mag die Geschichte des Tendenz-Tanzbären sehen und hören unter https://www.youtube.com/watch?v=rx4SdDlJtsM
Der seinen Ketten entflohene Tanzbär Atta Troll streift nun durch die deutschen Wälder. Folgen wir seiner Spur. Übrigens waren Heines Bücher zensiert oder verboten – als Oppositioneller galt er als Volksverräter und Nestbeschmutzer, nicht nur unter dem Adel (der politischen Elite), auch unter den Bürgern.

Foto Belinda Helmert: Holzschlag im Glissener Wald, der tiefe Spuren hinterlässt.

Foto Belinda Helmert: Reifenspuren von schweren Fahrzeugen im Glissener Wald.
Revolution im Rückschritt
Heine erkannte, dass die Revolution (sagen wir lieber die Bewegung) stagnierte und mit dem „deutschen Michel“ kein Staat zu machen ist. Immerhin gab es einige Künstler,die sich gegen Bevormundung undverordnete Denkverweigerung wehrten, die auch Zensur und Kriegspropaganda mit allen ihnen zu Gebote stehnden Mitteln bekämpften. Derzeit fallen 130 Millionen,12 % des Budgets zu Gunsten der Waffenschmiede kulturellen Subverntionen zum Opfer. Vor demBrandenburger Tor rührte sich Mitte November ein Hauch von Aufbegehren. https://www.zeit.de/news/2024-11/19/protest-gegen-sparprogramm-kulturbranche-macht-mobil
Am 29. Januar soll alles besser werden mit dem Sturm auf Berlin, der sich allerdings erneut als Sturm im Wasserglas entpuppen könnte. Selbst diese Redewendung geht auf einen Franzosen, Baron Charles de Montesquieu zurück. Dieser beschrieb die politischen Unruhen im Kleinstaat San Marino und prägte die bildliche Beschreibung. In Honoré de Balzacs Erzählung „Der Pfarrer von Tours“ im 18. Jahrhundert ist die Redewendung „une tempête dans un verre d’eau“, ebenfalls eingegangen.“ Wirtschaftswarntag vor den Wahlen. Der deutschen Wirtschaft geht es nach wie vor schlecht.
Es soll noch heißer zugehen als am 20. Januar des verganenens Jahres, als die Landwirte mobil machten und rund um die Siegessäule dafür sorgten,dass in Berlin nichts mehr ging. Nach Polizeiangaben waren 540 Lkw und 60 Traktoren bei der Demonstration der Agrarwirtschaft unter dem Motto „Wir haben es satt“ auf die maroden Verhältnisse in ihrer Branche aufmerksam machten. https://radiocorax.de/wir-haben-es-satt-demo-20-1-2024-in-berlin-fordert-eine-oekologische-agrarwende/
Dass die deutsche Wirtschaft schrumpft und Investoren abschreckt, ist Fakt. Wir stehen an einem ökonomischen Kippunkt. Entschlossenes Handeln: bisher Fehlanzeige. Daher soll es dezentral am 29. Januar bundesweite Aktionen geben, gegen immer weiter steigende Steuerbelastung, Sozialabgaben, Energiekosgten. Das Brandenburger Tor und der Berliner Bär sind aufgrund ihrer Strahlkraft detr hotspot. Man wird sehen, wer kommt., wenn Unternehmerverbände rufen. https://www.youtube.com/watch?v=oKuPgnTkzdI
Es wäre spannend und aufschlussreich zu sehen,wie sich Heine heute positionieren würde:für oder gegen das politische Engagement, das oft in Pseudo-Aktionismus ausartet. Was würde der Meister der Ironie vom heutigen Kabarett halten? Die meisten hatten sich in Schweigen gehüllt oder gar gegen die falschen Seiten ausgeteilt, andere sich mit Comedy ohne tiefere Ansprüche begnügt. Andere hielten ihr Fähnlein in den Wind. Es gab Trittbrettfahrer und AnpasungszwangWahrer Oppositionsgeist bildete die Ausnahme. Die anders,gegen den Strich dachten, liefen Gefahr, als rechtsextrem zu gelten wie Uwe Steimle. https://www.deutschlandfunkkultur.de/kabarett-humor-mit-rechtsdrall-100.html

Foto Belinda Helmert: Wagen ohne Türen mit fraglichem Nutzen im Glissener Wald nebst Traktorspuren.

Foto Belinda Helmert: Holzstamm, Detail.
Menschenvolk, zweibein’ge Schlangen
Die politische Fabel von Atta Troll, handelt von einem deutschen Bären, der sich gegen die Freiheit und für Sicherheit und Behaglickeit entscheidet. Er ist ein Plädoyer gegen Politiker und Pfaffen, Bamte und Philister, die selbsterklärten Gutmenschen von heute. Heine attakiert das Ignorieren gesellschaftlicher Spannungen, indem die Tatsache, dass „man Nudeln kocht in Stukkert“, höher gesetzt wird als das Streben nach Freiheit. Die wahren Probleme werden unter den Teppich gekehrt, Scheinprobleme kultiviert und zu Neurosen gezüchtet.
Heine greift damit den damals herrschenden liberalen Zeitgeist an. Die Berufung auf die Ideale der Freiheit, Einheit und Gleichheit, die sich die Burschenschaften 1819 noch inbrünstig aufs Panier geschrieben hatten, wird durch solches Reden ohne Bezug auf die tatsächliche Situation zur Phrase. Der Bär hält vor Kindern seine Rede, wobei die Kinder die Biedermeier von damals und die Neoliberalen von heute sind. Er enttarnt die Herrschenden als Verbrecher und was im Vormärz galt, gilt heute mehr denn je:
„Und sie glauben sich berechtigt,
Solche Unthat auszuüben
Ganz besonders gegen Bären,
Und sie nennen’s Menschenrechte!“ (Kaput V)
„Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht, ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick.“ Heine schrieb das über die gebrochene Identität Gedanken und Einfälle, Die Römer hielten sich die Germanen durch divide et impera vom Leibe. Zur Arminus (Hermanns) Zeiten wussten die Stämme nichts von einem Volk und sprachen, durch Berge und Täler getrennt, so verschiedene Laute, dass sie einander fremd bleiben mussten. Heute spalten sie sich aus politischen, religiösen oder noch trivaleren Gründen wie Neid, Habgier, Eifersucht. Sie kuschen vor den vermeintlich Großen und pinkeln den Nächsten ans Bein.
Um es Heinisch zu sagen: Die Knechtschaft des Deutschen ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muß die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts. so sah sich einer unserer besten und originellsten Dichter zeitweise aus deutschen Schulbüchern verbannt. Heute bannt ihn Facebook aus Gründen der Volksverhetzung und löscht des vermeintlichen Extremisten als Hasstiraden. https://fab.industries/de/blog/2021/ausgefuchst-85/
Wie viele aufrecht stehende und eigenständig Denkende gelten heute als „rechts“ gesinnt ,weil alles, was nicht auf „links“ geeicht ist, nur faschistoid sein kann? Lagerbildung, spalten, denunzieren: wer will schon als Nazi gelten? Wer regierungskritische Töne äußert, ist nun Volksfeind. So wäre der Jude Heine heute paradoxerweise bei der AfD verortet und stigmatisiert. Wer Frieden predigt, muss hasserfüllt und Freund der Diktatoren sein.Welch krude Logik!

Foto Belinda Helmert: Fros,t, Baumsamen und gefroene Blätter im Glissener Wald.

Foto Belinda Helmert: Glisser Wald, Abzweigung Steinlage.
Deutschland,mir graut vor dir
Heine verteilte Bärentatzen gegen die gereimte Zeitungslyrik, damals von linken, sich der Demokratie zugehörig fühlenden Dichter, meist Journalisten. Als Gegner des Idealismus war er zugleich Feind jeder Ideologie,die beim Obrigkeitsdenken beginnt, auch wenn sieden Führerkult immer den anderen zuspricht. Pathos der Sentimentalität oder aufgeklärter Rationalismus – beide Extreme, so Heine, fruchten nicht, sondern verdummen auf ihre spezifische Weise.
„Und im Kampf mit andern Bestien
Werd‘ ich immer treulich kämpfen
Für die Menschheit, für die heil’gen
Angebornen Menschenrechte.“ (Kaput 5)
Die Menschenrechte stehen nicht mehr auf dem Prüfstand,sie wurden längst der Schlachtbank zugeführt. Auf ukrainischen Feldern. Im Bundestag. So wurde Solidarität mit Russen oder mit den Rechten von Palästinenser präventiv verbotenbzw.medial geächtet. Der 10. Dezember ist der Internationale Tags der Menschenrechte. Kaum einer nimmt hierzulande davon Notiz. Waffenlieferungen sind Beihilfe zum Töten. Sie einseitig an Israel oder die Ukraine zu betreiben Zynismus. Artikel 26des deutschen Grundgesetzes „Von deutschem boden darf nie wiederkrieg ausgehen“ bedeutet im Klartext: esdarf keine Waffen an Israel und andere Konfliktländer liefern, wenn die Gefahr besteht, dass damit Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
Pistorius jedoch verkündet stolz, Köderdrohnen und wechselseitigenProfit des deutsch-ukrainischen Militärbündnisses.Derspiegel,meinst ein „linkes“Blatt, guttiert dies wohlwohllend, handelt es sich doch bei Putin um einen Diktator und einen reinen Angriffskrieg. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/russland-ukraine-krieg-boris-pistorius-verspricht-kyjiv-mehr-ruestungshilfen-a-178e07e0-1038-42e5-b0ef-14fd030df5e1
Deutschland verschuldet sich weiter: Wirtschaft,Kultur, Bildung wird Geld entzogen, die Staatsverschuldung forciert. Jede Kritik an der vor dem Aus stehenden Regierung scheint verboten, sakrosankt. Die neue Hoffnung ruht ausgerechnet auf jenen Schultern, die das Verderben, sei es Massenimigration, Corona-Pandemiemaßnahmen und Ukraine Konflikt auslösten und sogar verschärften („Wir schaffen das“): die CDU. Einem wahrschleinlichen Kanzler Merz,der Taurus fördert https://www.tagesschau.de/ausland/europa/merz-ukraine-108.html und ungestraft sagen kann „Wer Frieden will, muss zum Krieg bereit sein. https://table.media/berlin/interview/interview-mit-friedrich-merz-wer-frieden-will-muss-zum-krieg-bereit-sein/
Heine formuliert in „Deutschland ein Wintermärchen“ : „Denk ich an Deutschland in der Nacht / Bin ich um den Schlaf gebracht„.Des Bären Utopien – imhezutigen Deutsch Querdenker-Umsturzpläne – enden mit den Zeilen
„Andre Zeiten, andre Vögel!
Andre Vögel, andre Lieder!
Sie gefielen mir vielleicht,
Wenn ich andre Ohren hätte!“ (Kaput 27)
Atta Troll stirbt, ihm ist die Bärenhaut abgezogen worden. Wer wird seinen romantrisches Bärengebrüll der Freiheit heute anstimmen?

Foto Belinda Helmert: Glisser Wald, Abzweigung Steinlage.

Foto Belinda Helmert: Frost im Glissener Baunmbestand
in Deutschland fand ich mich sehr isoliert
Eingebettet sind die obrigen Titel-Zeilen in dasvorletzte Kapitel (caput 26), in welcher derMohrenfürst rückblickend auf seine Zeit in Deutschland sagt
„Als bei euch auf deutschen Messen,
Wo ich täglich trommeln musste“
Seit fast 200 Jahren gibt es in Deutschland keine Bären mehr. Oder nur sehr selten. Man liebt Knut, solange er klein und drollig ist, dann vergisst man das Eisbärenbaby und beginnt seine Tatzen zu fürchten. Die Entfremdung vom Bären beruht auf der Angst vor dem Unbekannten und das heißt vor dem Unberechenbaren. Abenteuer und Risiko werden in Zivilisationen längst outgesourced und von kontrollierten Spielen (Escaperooms) oder medialem Voyeurismus bedient. Gladiatorenkämpfe der Römer sehen sich neu installiert durchmartialarts Kämpfe in Käfigen.
Offenbar macht es Nervenkitzel, beimSterben zuzusehen. Offenkundig ist die Gefahr in Palästina oder Kiew noch in komfortabler Ferne. Bären schaut man sich durchs Gitter an. Aus der Zirkusmanege sind sie zumeist verbannt. Der europäische Braunbär war deutschlandweit ausgerottet. Der Teddybär indes erfreut sich nie gekannter Beliebtheit. Deutsche Wälder sind auch fast verschwunden. Dass es Frost noch gibt, ein mediales Wunder.
Das Sternbild Großer Bär (lateinisch ursa major) gilt als der Große Wagen. Sieben Sterne leuchten heller als die Norm und zeichnen die Konturen eines Bären nach. Atta ist der Name einer der beeindruckensten Tropfsteinhöhlen mit Lage im Sauerland, die Heine gekannt haben dürfte. Troll ist eine mythologische Figur Skandinaviens. Vielleicht dachte Heine europäisch wie wir und dementsprechend raumgreifend international. Der Bär ist eine Vision von Freiheit.
Atta Troll fällt schließlich einem gemeinen Hinterhalt zum Opfer, denn der Jäger Laskaro imitiert die Laute seiner geliebten Bärengefährtin Mumma. Die Französin tröstet sich in einem Zoo alsbald mit einem sibirischen Genossen. Ein Schelm, der Bezüge zur Aktualität darin erblicken möchte.
Aggressive Bären sind wie beißende Hunde menschengemachtes Domestizierungs- und Konditionierungsproblem. Wohl wahr ist die invertierte Moral. Was im Lied soll ewig leben, muss im Leben untergehn. Wir leben in frostigen Zeiten. Trotz Klimawandel. Aller heißen Kriege zum Trotz.

Fotos Belinda Helmert: Frostige Kiefer entlang Liebenauer Weg hinter Glissener Wald.

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