Wo Schatten fielen durch das enge Tal

Foto Belinda Helmert, Baumstumpf auf dem Prebisch

Schreiten die großen Glieder nicht aus den Bergen auf mich zu?« – Mit diesen Worten wollte er sich um auszuruhen unter einen Baum niederwerfen, als er im Schatten desselben einen alten Mann sitzen sah, der mit der größten Aufmerksamkeit eine Blume betrachtete ...“ (Tieck, Der Runenberg)

Ludwig Tieck, der Runenberg

Der Berliner Ludwig Tieck (1773-1853) kam frühzeitig mit der Jenaer Frühromantik Schiller, Novalis, Fichte, die Gebrüder Schlegel, Schelling, Schleiermacher) in Kontakt und galt neben Goethe über seine gesamte Wirkungszeit als Hofrat und Literaturpapst, quasi sein Pendant für die Romantik. Er wikrte äußerst vielseitig, als Autor, Übersetzer und Herausgeber (u .a. Shakespeare, Cervantes) von Volksmärchen wie die Gebrüder Grimm und Intendant des Dresdner Theaters (ab 1819) . Tieck verfasste selbst Dramen (u. a. Ritter Blaubart) die heute allerdings nur noch selten gespielt werden, . Einer der ersten Gesellschafts- und Briefromane William Lovell stammt genauso aus seiner Feder wie die beiden einflussreichen historischen Novellen Dichterleben oder Der Aufruhr in den Cevennen. Tieck schrieb auch Volksmärchen wie Der gestiefelte Kater, vor allem aber Kunstmärchen, zu denen auch Der Runenberg (1804) gehört. Insbesondere Traum, Natursymbolik und magische Zauber/Zwischenwelten als Ausdruck des Unbewussten. Zur Frühromantik gehören Franz Sternbalds Wanderungen und Der Runenberg (https://www.projekt-gutenberg.org/tieck/runenbrg/runenbrg.html), zu dem Wanderungen durch die böhmische Schweiz die Inspiration lieferten.

Böhmische Schweiz

Der Schnneeberg mit seinen 722 m bildet die Spitze des waldreichen Mittlgebirges in Böhmen, das den nördlichen Teil des Elbsandsteingebirgs bildet. Als Durchbruchstal der Elbe sind die steilen Uferwände und Felsenstädte typisch. Der schwankende Wasserpegel an der Elbe ist legendär – im Sommer 2019 sank er besipeilsweise in der Nähe Dresdens auf 60 cm (151 cm sind es im Mittel), erreicht bei Hamburg bis zu 9 m Tiefe (im Mittel 5 m). Die Elbe enstpringt in der Tschechei / Riesengebirge und mündet nach 728 km bei Cuxhaven in die Nordsee. Ihre Nebenflüsse sind u.a. die Saale und die Moldau.

Foto Belinda Helmert, Wasserstandspegel Hochwasser Elbe: Höchstände März 1845 und August 2002

Da die Elbe nebst kleineren Gewässern im Riesengebirge sehr präsent ist, wundert der Beginn des Runenbergs kaum:

Er stieg langsam den Berg hinunter, und setzte sich an den Rand eines Baches nieder, der über vorragendes Gestein schäumend murmelte. Er hörte auf die wechselnde Melodie des Wassers, und es schien, als wenn ihm die Wogen in unverständlichen Worten tausend Dinge sagten, die ihm so wichtig waren, und er mußte sich innig betrüben, daß er ihre Reden nicht verstehen konnte.“

Foto Belinda Helmert, Prebischtor.Spannweite von 26,5, lichte Höhe von 16, maximalen Breite von 8m und einer Torbogenstärke von 3 Metern
https://de.wikipedia.org/wiki/Prebischtor

„Tag und Nacht sann ich und stellte mir hohe Berge, Klüfte und Tannenwälder vor; meine Einbildung erschuf sich ungeheure Felsen, ich hörte in Gedanken das Getöse der Jagd, die Hörner, und das Geschrei der Hunde und des Wildes; alle meine Träume waren damit angefüllt und darüber hatte ich nun weder Rast noch Ruhe mehr.“ (Tieck, Der Runenberg)

Foto Belinda Helmert, Ausblick vom Prebischtor nebst Hotel Falkenhof

Lichte Wolken zogen hinauf, und aus der Tiefe redeten ihm Gewässer und rauschende Wälder zu und sprachen ihm Mut ein. Seine Schritte waren wie beflügelt, sein Herz klopfte, er fühlte eine so große Freudigkeit in seinem Innern, daß sie zu einer Angst emporwuchs. – Er kam in Gegenden, in denen er nie gewesen war, die Felsen wurden steiler, das Grün verlor sich, die kahlen Wände riefen ihn wie mit zürnenden Stimmen an, und ein einsam klagender Wind jagte ihn vor sich her.

Foto Belinda Helmert, Felsen und Waldregion Prebisch beim Ausblick Prebischtor

Seine Angst nahm zu, indem er sich dem Gebirge näherte, die fernen Ruinen wurden schon sichtbar und traten nach und nach kenntlicher hervor, viele Bergspitzen hoben sich abgeründet aus dem blauen Nebel. Sein Schritt wurde zaghaft, er blieb oft stehen und verwunderte sich über seine Furcht, über die Schauer, die ihm mit jedem Schritte gedrängter nahe kamen. »Ich kenne dich Wahnsinn wohl«, rief er aus, »und dein gefährliches Locken, aber ich will dir männlich widerstehn! Elisabeth ist kein schnöder Traum, ich weiß, daß sie jetzt an mich denkt, daß sie auf mich wartet und liebevoll die Stunden meiner Abwesenheit zählt. Sehe ich nicht schon Wälder wie schwarze Haare vor mir?“

Foto Belinda Helmert, Falkennest am Prebischtor. Es liegt am Bergwanderweg von Eisenach nach Budapest.
Foto Belinda Helmert: Prebischtor. Wegen der Erosionsgefahr darf die Felsenbrücke seit 1982 nicht mehr betreten werden.

„So trieb ich mich um, bis ich an einem Morgen den Entschluß faßte, das Haus meiner Eltern auf immer zu verlassen. Ich hatte in einem Buche Nachrichten vom nächsten großen Gebirge gefunden, Abbildungen einiger Gegenden, und darnach richtete ich meinen Weg ein. Es war im ersten Frühlinge und ich fühlte mich durchaus froh und leicht. Ich eilte, um nur recht bald das Ebene zu verlassen, und an einem Abende sah ich in der Ferne die dunkeln Umrisse des Gebirges vor mir liegen. Ich konnte in der Herberge kaum schlafen, so ungeduldig war ich, die Gegend zu betreten, die ich für meine Heimat ansah; mit dem frühesten war ich munter und wieder auf der Reise.“

Foto Belinda Helmert: Sandsteingebirge, Wurzel am Wanderweg

„Gedankenlos zog er eine hervorragende Wurzel aus der Erde, und plötzlich hörte er erschreckend ein dumpfes Winseln im Boden, das sich unterirdisch in klagenden Tönen fortzog, und erst in der Ferne wehmütig verscholl. Der Ton durchdrang sein innerstes Herz, er ergriff ihn, als wenn er unvermutet die Wunde berührt habe, an der der sterbende Leichnam der Natur in Schmerzen verscheiden wolle. Er sprang auf und wollte entfliehen, denn er hatte wohl ehemals von der seltsamen Alrunenwurzel gehört, die beim Ausreißen so herzdurchschneidende Klagetöne von sich gebe, daß der Mensch von ihrem Gewinsel wahnsinnig werden müsse.“

Foto Belinda Helmert, Sandstein, Wurzeln

„Jetzt verstehe ich es wohl, daß es dies war, was mir jene Wurzel mit ihrem tiefgeholten Ächzen sagen wollte, sie vergaß sich in ihrem Schmerze und verriet mir alles. Darum sind alle grünen Gewächse so erzürnt auf mich, und stehn mir nach dem Leben; sie wollen jene geliebte Figur in meinem Herzen auslöschen, und in jedem Frühling mit ihrer verzerrten Leichenmiene meine Seele gewinnen.“

Empfohlene Beiträge

Noch kein Kommentar, Füge deine Stimme unten hinzu!


Kommentar hinzufügen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert