Foto: Belinda Helmert, Street Art in Minden. Mädchen mit Ballon nimmt Bezug auf den Straßenkünstler Banksy. Dieser betrog das Auktionshaus Sotheby’s Oktober 2018: Unmittelbar nachdem eines seiner Werke am Freitag für 1,04 Millionen Pfund (1,18 Millionen Euro) versteigert worden war, zerstörte es sich vor den Augen der verblüfften Auktionsteilnehmer von selbst. Das auf Leinwand gesprühte Werk „Mädchen mit Ballon“ war für mehr als den dreifachen Schätzpreis unter den Hammer gekommen, die Summe stellte einen Rekordpreis für ein Werk des Künstlers dar.
Philosophie muss man tun
Man sagt in Abwandlung von Nietzsche, die Philosophie sei tot. Sie liegt im Leichenschauhaus. Vielleicht muss man sie mit Alltäglichem kitzeln und möglichst Konkretem füttern, damit sie wieder aufwacht. Einerseits ist ja schon alles gesagt, und zu dem, was heute geschieht, werden andere Experten zu Rate gezogen, Spezialisten müssen es sein. Über den Dingen zu stehen steht in Verdacht der Unseriosität. Die einst so geschätzte Vogelperspektive leidet an einem grauen oder grünen Star. Was ist, was kann Philosophieren noch bezwecken? „Wenn der, der zuhört, nicht weiß, was der, der spricht, meint, und wenn der, der spricht, nicht weiß, was sein Sprechen bedeutet – das ist Philosophie.“ Sarkastischer als Voltaire vermag ich nicht zu sein.
„Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit“. Schrieb Wittgenstein, nicht bekannt dafür, durch eine sonderlich aktive Lebensgestaltung aufgefallen zu sein, sieht man von seinem Attentat auf den Kollegen Popper mit einem Schürhaken ab (https://www.buecher.de/shop/buecher/wie-ludwig-wittgenstein-karl-popper-mit-dem-feuerhaken-drohte/edmonds-david-eidinow-john-a-/products_products/detail/prod_id/24316713/). Ausgerechnet hier täte Colombo, zynischerweise an Alzheimer erkrankt (https://www.fr.de/panorama/peter-falk-leidet-alzheimer-11560872.html), Not, um die berühmte Wahrheit ans Licht zu führen. Denn nach den Recherchen des auf den Spuren des amerikianischen investigativen Watergate-Duos Woodward und Bernstein wandelnden Journalisten Edmonds&Edinow unterscheiden sich die Aussagen der Augenzeugen – allesamt Philosophen – schlimmer als die von zänkischen Waschweibern in der Gerüchteküche. Das Gerede von Philosophen mutet akademischen Kleiderstangen an:: Körper ohne Volumen.
Foto: Belinda Helmert, Galerie in Minden gegenüber La Scala, Restaurant mit Innenhof
Philosophen sprechen Unaussprechliches
Das gebäudeeinsturzgefährdete metaphysische Dach rettet ausgerechnet ein kategorischer Imperativkünstler vor der Insolvenz. Kein Geringerer als Kant spricht im Zeitalter aufkommender präzoiser Naturwissenschaft der Philosophie als Geisteswissenschaft „Weisheitsforscher“-Charakter zu. Weise wie die Eulen sollen Philosophen also sein und demnach handeln. Ein Vorbild, ein Leuchtturm gar für nachtschwärmende Nichtschwimmer geben. Er wandelt hier auf den Spuren Dantes, der Philosophie liebevollen Umgang mit der Weisheit nannte – stiefmütterlich betrachtet überlässt er den Dummen das Zweifeln. Man müsste dafür Sorge tragen, dass die Denker von heute niocht unaussprechlich sprechen (Bandwurmsätze und Zungenbrecher), sondern dem Unaussprechlichen Gehörverschaffen, inde,m sie Unbequemes ansprechen
Das Athen von einst ist das Minden der Zukunft. Angeblich soll der Philosoph keine Antworten oder gar Lösungen finden, sondern Zweifel und Skepsis nähren, um den prometheischen Eigendünkel der Wissenschaft entgegenzuwirken. Ein , für das 21. Jahrhundert charakteristischer Anachronismus, wollte, dass Minden die alte Stadt und Porta Westfalica entgegen seiner lateinischen Silben die neue Stadt ist. Immerhin soll hier der erste Kabarettistenverein Deutschlands gegründet worden sein. Dies müsste Goethe erzürnen oder erbleichen lassen, schrieb er doch: „Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“. Vielleicht ist sie aber gerade das Gegenteil, ein Aussprechen des Unaussprechlichen und eine Verschleierin durch Offenbarung.
Foto Belinda Helmert, Minden, Vorgarten im Fischerviertel, das zunehmend zum Handwerker-und Künstlerquartier mutiert
Ikarus im Steinbruch
Immerhin steht in die Natur- und Freilichtbühne Porta Westfalica ein nach Goethe benanntes Theaterensemble, das mit „Die Niebelungen“ von Hebbel eröffnete. Ohne Übertreibung erfährt die Metapher im Steinbruch der Geschichte hier ihre aktuelle und materielle Entsprechung: die Porta-Naturbühne liegt in eine rehemaligen Schottergrube. Die Wahrheit zu erfinden ist immer besser, als sie nachzubilden. Philosophie ist in eine Sackgasse gelandet und damit nicht auf dem Holzweg Heideggers, sondern in einem Steinbruch gestrandet. Aber stimmt es, was der Deutschlandfunk sendete: Geschichte ist ein Steinbruch der Ideologien. (https://www.deutschlandfunkkultur.de/geschichte-als-steinbruch-der-ideologien-100.html)
Goethes Weggenosse Schiller irrte wohl, als er die Zukunft mit einem zögerlichem Schritt verglich und die Vergangenheit als ewig pries. Heute scheint Vergangenes offen und verworren, ein Labyrinth, die sich vor uns auftürmt und Zukunft etwas, das uns überrollt und medial durchsichtig geworden ist, manchmal auch dünnhäutig. Einem Gerichtshof ähnlich: morgen wissen wir, was wir heute tun und verstehen, wofür wir gestern schwiegen, doch reden und handeln müssen wir im Jetzt, das sich nicht zu erkennen gibt. An die Stelle religiöser oder sakrosankter Werte treten Dogmatismen der Neuzeit, eine davon war die Impfpflicht, ein anderer der neue geheiligte Krieg im Osten. Ein wenig nach der Weisheit: Ein Eingang ist ein Gang, der einem Eingang folgt.
Foto: Belinda Helmert, Portal in Minden, St. Martini. (https://www.minden-erleben.de/tourismus/index.php/de/touristische-angebote-minden/minden-entdecken/kirchenstadt-minden)
Demokratie der Diktatoren
Demokraten geben sich als Weltverbesserer mit diktatorischen Methoden. Man kennt es: Als Solchenyzin über die Gulags schrieb schwieg die Linke solidarisch und als man die Berliner Mauer (13. August 1961) baute, sprach Sartre von einem notwendigen schmutzigen Geschäft in der Politik (http://docs.sartre.ch/Sartre-SSSR.pdf) und Kinderkrankheiten der Revolution auf dem Weg zur Freiheit.
Wer schweigt, pflichtet den Siegern bei – nachzulesen in „Die Mauer“, Sartres Erzählung 1939, die dem fatalen Verlauf des Spanischen Bürgerkrieges mit dem Triumph Francos durch faschistische Hilfestellung deutscher Flieger zum Inhalt hatte. Laut dem Pariser Existentialisten dürfe die Philosophie nicht die Augen vor dem Offensichtlichen verschließen. Er hielt es für falsch, Philosophen als Akademiker von handelnden und denkenden Existenzen zu unterscheiden: alle sind philosophisch tätig, alle müssen auf die Realität, das Sein, interagieren. Die Wissenschaft bezeichnete er als graue Eminbenz und Schatten. (https://www.die-inkognito-philosophin.de/sartre). Vielleicht gilt er, der homo intellectus, als Musterbeispiel für des auf einem Auge blinden Denkerss, obschon er nahezu ohne Brille gar nichts sah.
Sardonismus ist die grimmigere, unerbittliche und daher bisweilen inhumane Antwort auf den Sarkasmus. „Der lachende Philosoph“ von Caracci spiegelt es bildlich wider. Diognes soll, auf die Frage des Königs Alexanders, was er für ihm tun könne, sardonisch gelacht haben und sich gewünscht haben, er möge ihm nur aus der Sonne treten und ihm in seinem Fass nicht beim Denken stören. Wenn es nicht wahr ist, so doch gut erfunden: was haben Könige den Philosophen zu geben? Was die Welt einem Asketen, der Erleuchtung sucht und dabei der Materie notgedrungen entsagen muss.
Der Philosoph als Komödiant
Wenn Philosophieren über Sein und Nichtsein dazu dient, der Wirklichkeit zu entfliehen, weil sie unerträglich und unlogisch erscheint, führt dies zum pastoralen Wolkenkuckucksheim. Eine Metapher aus der Feder Aristophanes´“Die Vögel“. Das Stück diente Hitchcock keineswegs zur Grundlage seines apokalyptisch anmutenden Filmklassikers. Es handelt sich um eine Komödie an und über die scheinheilige Demokratie Athens unter Perikles als verschleierten Diktator. Diverse Vogelarten treten dort als eine Form von Lobbyisten unter dem Deckmantel des Gemeinwohls auf. Hinweise auf heutige Politiker entfallen an dieser Stelle, da sie zu offensichtlich sind. In Athen zu Zeiten Aristophanes´bekränzte man aus den Schlachten heimkehrende Sieger mit Rosen.
Foto Belinda Helmert, Rosen im Fischereiviertel Minden an einer der zahlreichen schmalen Durchgangswege zwischen den Häusern
Die Ausgangsfrage: Wozu dient Philosophie? Was kann sie noch, was müsste sie können, um zu irgendetwas nützlich zu sein. Vielleicht ist es die Idee der Unabhängigkeit, doch die wurde mit Querdenken beerdigt. Oder das Streben nach Überparteilichkeit. Auch hier straften uns die Fakten Lügen und raubten die Hoffnung auf ein mediales Gegengewicht. Ein Blick auf das analytische Kabarett verrät mehr verruchte Wein- als eloquente Redseligkeit, andererseits die Schweiz kann, weil sie darf und nicht zu Europa zählt, wenigstens vorläufig nicht. (https://www.philosophie.uzh.ch/de/seminar/news/news_all/analytischescabaret.html). Der Text liest sich komisch in seiner Nichtssagigkeit (ein Neologismus, aber wenig kreativ), selektiv und manipulativ. So sollte Philosophie nicht Stellung beziehen – immerhin führ sie das Wort Liebe im Begriff – sondern wohltuend anders. Das mediterrane Denken Camus´vielleicht.
Foto: Belinda Helmert, Fischerstadt in Minden, mittelalterliche Vorstadt am westlichen Weserufer. Die Fischerstadt ist geprägt mit Fachwerk aus dem 17. Jh.
Der Philosoph als Aphorist
Überlassen wir die Welt nicht den Philosophen, selbst wenn es stimmen sollte, dass sie sich auf die Menschen und ihre alltäglichen Nöte einlassen wollen und nicht nur müssen. Überlassen wir es niemals anderen anstelle für uns zu denken. Werden wir selbst ein wenig philosophisch mit solider Reflexion über die Dinge (https://www.deutschlandfunkkultur.de/welttag-der-philosophie-die-solide-reflexion-der-dinge-100.html). Hören wir auf mit den müsigen Fragen des Warum, Wozu, Woher und Weswegen, dere dilettantischen Unterscheidung von Grund und Ursache. Gönnen wir uns ein Bonmot, einen Aphorismus vielleicht. Wenn die Welt zum Nachdenken nicht taugt, vielleicht ist ihr ein Vorausdenken dienlicher. Gehen wir schwanger mit unseren Köpfen: wenn alle nur an sich selber denken, dann ist doch auch zugleich an alle gedacht.
Luftschifffahrer des Geistes nannte Nietzche meine Zunft. (https://www.textlog.de/nietzsche/schriften/morgenroete/wir-luft-schifffahrer-des-geistes) F für Freiheit, die, wie sein Aphorismus endet, an (ihrer) Unendlichkeit scheitert. F wie Friede, der, auch das schreibt er, über die Meere will und dabei Schiffbruch erleiden muss. F wie fliegen, ein so zentrales Verb für einen Wortkünstler und philosophierenden Seiltänzer , doch die Gedanken wurden auch ihm am Ende zu schwer. Auf, Brüder und Schwestern, damit es uns nicht zu schwer werde mit unseren Taubenfüßen ….
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