Sokratische Frage: Gericht, Gerücht, Gesetz – und wo bleibt das Gewissen?

Foto Belinda Helmert, Wahlplakt Willy Brandt

Infektionsschutzgesetz philosophisch hinterfragt

Die sokratische Frage ist die Mutter aller Erkenntnisstrebenden: Was kann ich wissen? In ihrer Erweiterung: Wann kann ich mir sicher sein, dass ich weiß und nicht nur meine, glaube, urteile? Die Regierungskonformen meinen, die aktuelle Krise schärfe Solidarität, Miteinander und Demokratie. Die Opportonisten, mutmaßlich in der Minderzahl, behaupten das Gegenteil. Auch ob die Philosophie sich in die Politik einmischen oder politisch werden soll (was nicht das selbe ist) sind  heikle Fragen, an der sich nicht nur die Geister scheiden. Platon und Arendt, um nur ein traditionelles und ein modernes Beispiel zu benennen, bejahten dies, aus unterschiedlichen Gründen. Sokrates und Kant verneinten es, ebenfalls mit diversen Argumenten.

Aristoteles liefert eine Staatstheorie, die verschiedene pro und contra Argumente für die Regierungsformen findet und differenziert scharf zwischen politischer Position (Meinung) und Handeln (Amt); für Arendt ist sein Modell der vita activa und der vita contemplativa entscheidend. Um das Fazit vorwegzunehmen und das beschwerliche Lesen oder gar Denken zu miniaturisieren (wie es Virenzeiten erfordern): Anstelle einer entweder- oder Lagerbildung besteht Grund zu einer sowohl- als auch Argumentations- und Abwägungsentscheidung.

Allerorten ist von Strategie die Rede. Demokratie ist instabil und daher mehr als andere Regierungsformen gefährdet als auch gefährdend. Vor allem, wenn man Aristoteles Glauben schenkt, dass nur dann etwas als gewiss gelten kann, wenn das was, woher, wohin und wozu beantwortet werden kann. Nur eine offene Frage genügt und der Kenntnisstand ist fraglich, der Mensch fragil, die Wahrheit kurzlebig. Vita brevis est – sagt Hippokrates und der Satz geht weiter.  Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang (ars longa est). Er hat gemeint, wenn man den Text verfolgt, die Folgen unserer Handlungen, die Kunst des vorausschauenden Handelns, ist lang. Für die antiken Griechen war ja bekanntlich alles „ars“  Kunst, das ch am Ende ersparten sie sich.

Foto Belinda Helmert, Spiegelung in der Kleinen Weser, Bremen Hastedt

Exekutive und Legislative Gewalt(enteilung)

Gegenstand der Untersuchung ist das geänderte Recht, also die Justierung eines Gesetzes durch das Parlament, das Handlungen der Exekutive legitimiert. In den offiziellen Medien heißt es: „Das zur Bewältigung der Coronakrise vorgelegte dritte Bevölkerungsschutzpaket wird von Gesundheits- und Sozialexperten grundsätzlich begrüßt.“ Das neue und vor fünf Tagen durch Parlamentsbeschluss in Kraft getretene „Bevölkerungsschutz-Gesetz“ kann eingesehen werden unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw46-pa-gesundheit-bevoelkerungsschutz-803156. Gesetze zu ändern bedürfen gewöhnlich außergewöhnliche Umstände wie eine Notlage. Begründet wurde dies aktuell mit dem Begriff der Pandemie, einem Schreckenswort, das an die Pest, Blattern oder Cholera und Spanische Grippe gemahnt, der Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Vor wenigen Wochen wurde der Auswertungsbericht KM 4 – 5100/29 vom Referat Schutz Kritischer Infrastrukturen von der Internet-Plattform genommen. Darin leugnet niemand  Covid, sondern das Expertenkomitee hinterfragt sowohl das Ausmaß der Bedrohung und die Reaktion darauf: er stuft die Mittel der Quarantäne als kontradiktorisch ein. Die Expertise geht den vier aristotelischen Fragen nach und kommt zu neun Antworten. Am Ende des Blogs befindet sich die vorangestellte Zusammenfassung im Original der 92 Seiten, auf die leider nicht mehr verlinkt werden kann. Der Autor fragt sich, weshalb diese Darstellung, die der Regierung fake news und Fehlalarm in klaren Worten vorwirft, gelöscht wurde, was den Eindruck von Vertuschung und Leugnung evoziert. Das lässt an Friedhofsruhe denken.

Foto Belinda Helmert, Osterholzer Friedhof, Bremen

Das aus der digitalen Realität entfernte Papier wurde am 12. 5. 2020 erstellt nach dem ersten logdown. Es ist folglich nicht brandaktuell. Die ergriffenen Maßnahmen im November 2020 (umgangssprachlich zweiter lockdown) weichen jedoch kein Jota von ihnen ab. Man darf daher am Sachverstand oder einer sachlichen Begründung des Wortes „Pandemie“ erhebliche Zweifel anmelden, ebenso an der Lauterkeit der erwogenen und durchgeführten Maßnahmen, sowie der Zahlenspiele  (empirische Hochrechnungen, Fallstudien). Sie galten im Mai bereits als kontradiktorisch und die empirischen Fallstudien als unwissenschaftlich durchgeführt, die Tests als fehlerhaft (Unschärfe bei der Ermittlung der RNA). Fand eine Diskussion darüber im Parlament statt? Nein. Legitimiert wird durch das (neue) Gesetz nur, was vorher illegal oder zumindest im rechtsfreien Raum praktiziert wurde.

Gesetzesänderung ist Ländersache auf der Basis einfacher Mehrheit, was bedeutet, dass die Regierungsparteien im Vorteil sind.  Auf der obigen verlinkten Seite ist nicht nur der inzwischen beschlossene „Gesetzesentwurf zum Schutz der Bevölkerung vor der Pandemie“  nachzulesen, sondern auch die Entwürfe und Einwände der verschiedenen Nichtregierungsparteien. Es gibt nicht wenige Personen, die  gar nicht wissen, was eigentlich genau vom Parlament nachträglich beschlossen wurde und wie tief die damit verbundenen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht sind. Demzufolge urteilen sie über etwas, was sie nicht kennen und bilden ihre Meinung nach Glauben und Vertrauen.

Ebenso findet sich dort der Antrag vom 4. 11. der Afd „Eigenverantwortung statt Verbot und Zwänge“, sowie der Antrag der Grünen / Bündnis 90, gleichfalls vom 4.11. „Rechtsstaat und Demokratie in der Corona-Pandemie“. Immerhin – die Transparenz und der Austausch von  Überzeugungen findet statt. Beide, sonst konträre Parteien sind sich darin einig, dass § 28 und § 32 des Infektionsschutzgesetzes massive Eingriffe in das bisherige Rechtssystem erlauben und die Kriterien der Eignung nicht erfüllen ohne die Maßnahmen zu konkretisieren, so dass eine staatliche Willkür zu befürchten steht. Die Partei argumentiert mit der „Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems“ und der „Stabilisierung des Determinierungsgrades“, womit gemeint ist, dass die Maßnahmen an den konkreten Erfordernissen überprüft und in allen Ländern einheitlich angepasst werden müssen. Darüber hinaus übt die Partei Kritik am derzeitigen Informationsstand und der Informationsverbreitung. Zu hören von diesen Bedenken war in den öffentlich-rechtlichen Medien nichts.

Foto Belinda Helmert, Nähe Ochtum, Osterholz, Bremen

Kollatoralschaden für das Gewissen

Der Vorschlag der Afd, um die erheblichen Eingriffe und Kontrollmaßnahmenfür die Bürger zu umgehen, empfiehlt das Hygienegesetz einheitlich zu regeln, Risikogruppen stärker einzubinden (selektiver als bisher vorzugehen) und mit Augenmaß bzw. Pragmatismus anstelle Panikmache und (in ihrer Effizienz höchst umstrittenen) Testausweitung fortzufahren. Zudem rückt der Antrag die „Corona-Kollatoralschäden“ (ein Wort, das nicht mehr unfallfrei über die Lippen dringt) in den Vordergrund, da, so das Argument, nur eine gesunde Wirtschaft zu einem intakten Gesundheitssystem beitragen könne.

Die LINKE schließlich spricht in ihrem Antrag vom 3.11., dem „Antrag zur demokratischen Kontrolle“ (die Wortkombination inkludiert subversiv ein Oxymoron bzw. Paradoxon) der Pandemie von fehlenden Experten-Konzepten über die Nachhaltigkeit der Maßnahmen. Auch ihren Entwurf kann jeder Bundesbürger mit Internetzugang auf obigen Link einsehen. Hier rückt das Problem der „Vertrauenskrise“ in den Fokus, die Partei fordert in ihrem Antrag auf „regelmäßige öffentliche Anhörung mit unabhängigen Expertinnen und Experten“ unterschiedlicher Fachrichtungen. Wer die öffentlich rechtlichen Medien verfolgt, kann  nur einen Missstand von ausgewogener und teilweiser einen Mangel an Fachkompetenzen konstatieren, eibne fehlende Streitkultur auf sachlichem Niveau. Wir hören stattdessen ein Medley, eine dumpfe Begleit- und Untergrundmusik, keine Stimmen, keine Zeugen des verstummten wie vermummten Gewissens.

Man darf an dieser Stelle erwähnen, dass unser derzeitiger Gesundheitsminister Spahn nicht nur eine Wirtschaftsausbildung durchlaufen hat, sondern von 2006 bis 2010 an einem mitgegründeten Lobby-Unternehmen für den Medizin- und Pharmasektor beteiligt war. Die Schlussfolgerung darf jeder selbst daraus ziehen.

Wie nicht anders zu erwarten war, wird auch die Coronakrise politisiert, d. h.  wer die Debatten verfolgt, kann sowohl eine Parteilinie als auch die übliche Diskreditierung der anderen Meinungsbildner erkennen. Der Verlauf der Demonstration rückt  die Diskussion ohnehin weg von der fragwürdigen Entscheidung für das Gesetz hin zur zweifelhaften Störung oder Gefährdung des Bundestags. Da ist (Steinemeier) von Eskalation und Angriff auf das Herz unserer Demokratie die Rede. Es gibt Stimmen von Demonstranten (Augenzeugen), die von hinten durch massiven Eingriff der Polizei nach vorne gedrückt worden sein wollen, was den Eindruck von Aggressivität vermittelte. Wie fast immer gibt es mindestens zwei Meinungen und Wahrnehmungen zu dem Ereignis und nicht die eine Wahrheit. Dies gilt leider auch für die Zeitungen, die einseitig oder unkritisch, in jedem Fall aber mit erkennbaren Sympathien berichten.

Foto Belinda Helmert, Wurzel entlang der Ochutm, Bremen

Demontage der Demokratie

Im Grunde fasste bereits Heinrich Heine diesen Zustand einer Pseudo-Demokratie zusammen in seinem Gedicht „Die Wahl-Esel“, das in einer durchaus vergleichbaren Situation entstand, der Gründung der Frankfurter Paulskirche 1848, wenn man so will, der deutsche Vorläufer des heutigen Parla-Parlaments. Anstelle der üblichen Polemik beginnt Heine mit dem Evergreen (https://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/HeineNachlese/wahlesel.htm)

„Die Freiheit hat man satt am End,

Und die Republik der Tiere

Begehrte, daß ein einzger Regent

Sie absolut regiere.“

Foto Belinda Helmert, Contrescapre, Wallanlagen, Bremen,

Rechtswissenschaftler und Prof. für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht Volker Boehme-Neßler erklärte den bevorstehenden Beschluss des neuen Gesetzes schlicht für rechtswidrig aus zwei Gründen: erstens justiert das Parlament, das zur Kontrolle der Regierung eingesetzt ist lediglich, was bereits usus ist (Kontrollversagen) – es reagiert, wo es agieren muss, zweitens sind die Maßnahmen  „pauschal“ und damit unzulässig, da sie weder auf einen Notfall noch „verhältnismäßig“ und  nicht einmal sachlich begründet („sinnvoll“) sind. Seine Argumentation im Interview vom 22.10. 2020, der Staat sei zum Schutz der Gesundheit ebenso verpflichtet wie zum Schutz der Demokratie und der Wahrung von Persönlichkeitsrechten ist nachzuhören auf  https://www.youtube.com/watch?v=zrdx3quGv2Q. Der gesetzliche Rahmen bewegt sich immer zwischen Schutz der Bevölkerung vor Krankheit, und Schutz der Freiheit. Es wäre die Stunde des  Abwägens in Parlament und der gewählten Volksvertreter gewesen, doch zugespitzt formuliert: wo sind die Parlamentarier?  . Die Verfassung hat die Demokratie zu schützen, nicht Regierung und Verwaltungen reinzuwaschen. Das Gericht ist weder ziel- und sachbezogen vorgegangen, noch rechtskonform mit seinen  Panik-Beschlüssen. Die wiederholte Frage nach Sinnhaftigkeit und Angemessenheit lässt keinen pauschalen lockdown zu.

Am 6.11. 2020 wiederholte Boehme-Neßler seine Kritik, dass die Regierung Maßnahmen nur nachträglich ins Gesetz schreiben lässt und sie nicht auf ihre Effizienz überprüft. Im Interview (https://www.youtube.com/watch?v=M0PcNykzPzg) beklagt er, dass unser Parlament aus zwei Gründen weder Gesetz-Vordenker und noch verfassungskonform agiert. Erstens, gilt: um in Grundrechte einzugreifen, muss eine konkrete Erlaubnis und nachvollziehbare Begründung vorliegen anstelle einer Aufzählung von Maßnahmen, die zudem „schwammig“ gehalten bleiben. Der Ermessungsspielraum der Regierung wirkt daher unklar und überdimensioniert: weder Voraussetzungen noch Eingriffe werden darin konkret geregelt. Inzidenzwerte (Neuerkrankungen in einer Woche bezogen auf 100 000)  sind nicht hinreichend geregelt (statistisch manipulier- und interpretierbar), was die inquisitorische Macht des Staates nahezu unbegrenzt lässt. Der zweite Punkt betrifft den Kern der Demokratie, die auf Debatten und Mehrheitsbildung beruht, dieser Handlungsrahmen öffentlicher und kontrovers geführter Diskurse war zu keiner Zeit gegeben. Der Jurist gebraucht die Metapher „Blankoscheck“ für den kompletten Rückzug des Parlaments auf die Zuschauertribüne, womit er eine Bankrotterklärung der Demokratie ausspricht. Das Gericht ist zum Gerücht mutiert (sagt der Verfasser des Artikels, nicht der Verfassungsschutz).

Heines „Wahl-Esel“: „Das Kommittee des Parlaments ward von Alt Eselsohren regieret„. 

Das Alter der Durchschnittsparlamentarier stagniert seit Dekaden, pardon, das Durchschnittsalter der Abgeordneten liegt bei 49,4.

Foto Belinda Helmert, Kleine Weser, Hastedt, Bremen

Direkte Demokratie muss her!

Zur Bewertung des philosophischen Standpunktes: Aristoteles in „Politika“ beschreibt den Mensch als Zoon politicon, als ein politisches Wesen, zu dem selbstverständlich auch Philosophen gehören. Sie sollen und müssen daher zum Gemeinwesen und Staatswillen beitragen. Der Wille zum Staat basiert auf dem Willen zum Leben und Organisieren, d. h. einer Balance, um Konflikten und Interessen angemessen zu begegnen. Dieser Wille beruht auf Erkenntnis und Neugier, er verlangt Offenheit und Toleranz, damit Kooperation und Autarkie sich wechselseitig stärken, nicht aufheben. Politisches Handeln basiert auf direkte (face to face) Kommunikation, Versprechen und Vertrauen, so Arendt in „Vita activa“; naturgemäß sei eine direkte Kommunikation in kleinen Gemeinschaften leichter und transparenter als in einer nur über die Medien aufrecht erhaltenen indirekten Demokratie. Wo sie fehlt, schlägt Macht in Herrschaft um. Da die Mediatisierung durch die Digitalisierung zugenommen hat, kann ein politisches Handeln auf Augenhöhe naturgemäß nicht mehr Bestand haben, die temporär und lokal begrenzte Macht verkommt zum globalen Herrschaftsinstrument.

Laut Aristoteles sind die sechs möglichen Formen politischer Organisation: Tyrannis, Oligarchie und Demokratie (instabile Seite), Aristokratie, Plutokratie, Monarchie (stabile Seite). Darunter zu verstehen ist ibn dieser Reihenfolge Die Macht eines illegalen Alleinherrschers, der Wissenselite, des Volkes, des Adels, des Geldes, des gesetzlich legitimierten Alleinherrschers. Eine siebte, die von unsichtbaren Mächten gelenkte Demokratie und damit mediale Manipulation ist seitdem hinzugetreten. Laut Aristoteles beinhaltet keine der sechs Regierungsformen das non plus ultra, eine jede hat ihre Vor- und Nachteile, insbesondere auch in Krisenzeiten. Aristoteles erklärt die Demokratie als nur dem Eigeninteresse zugewandt.

Darüber stolpert der deutsche Michel zunächst oder staunt. Demos kratos. Die Macht des Volkes ist die am wenigsten dem Allgemeininteresse verpflichtete Verfassungsform? Aristoteles argumentiert, die Volksvertreter würden hier beeinflussenden Reden und damit geschulter Rhetorik mehr Glauben schenken als den Tatsachen. Sie bilde eine Extremposition, die nur in gewissen Situationen Sinn mache, bei der Ausarbeitung einer Verfassung, die möglichst alle Aspekte zu berücksichtigen hat.  Folglich sollte die Gesetztesgebung demokratisch erfolgen. Für die Umsetzung von konkreten Maßnahmen erachtet er die Mehrheit für zu anfällig hinsichtlich der eigenen Interessen. Hat er den Lobbyismus vorausgesehen bzw. hat der sich seit der Antike nicht verändert?

Foto Belinda Helmert, Kleine Weser

Arendt fordert in „Vita activa“ auf der Basis von Aristoteles eine Rückkehr (wie in der Schweiz) zu Volksbegehren und Streitkultur. Wenn die meisten Bürger nur zuschauen und mit einem Kreuz ihre Pflicht erfüllt zu haben glauben, kann keine echte Demokratie gedeihen. Der Aufbau totalitärer Systeme ist zum einen auf das Versagen und den Unwillen zu einer gelebten Demokratie zurückzuführen, zum anderen auf die Besetzung der strategisch wichtigen Medien, die für Ausgewogenheit und Pluralismus sorgen sollen, es häufig jedoch nicht können. Das unkonventionelle Denken Arendt wurde entweder missverstanden oder bewusst missbraucht für ideologische Plattformen. Arendt fordert von Philosophen (Denkern von Gewerbe) scharfes Beobachten, investigatives Hinterfragen der Entscheidungsträger und tägliches Einmischen in die geforderte „repräsentative Demokratie“. Was sie von allen Bürgern, besonders aber von Philosophen fordert, ist nicht nur unerwünscht, es ist geradezu suspekt geworden in heutiger „Pandemie“-Zeit, die an Kierkegaards „Krankheit zum Tode“ erinnert. Kollektivversagen einer Lämmer-Kultur. Ein Hyperaktionismus wie er jüngst zu beobachten ist, bleibt fatal. Angst ist kein Ratgeber, wobei genau genommen es sich um Furcht handelt, die Vernunft und nachhaltiges Handeln blockiert.

Plädoyer des Hinterfragens und Mit-Denkens

In Deutschland wird derzeit zuviel buchstäblich nachgedacht im Sinn von nachgebetet. Sokrates unterscheidet in seiner Apologie, die auch den berühmten und so häufig missinterpretierten Satz „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ enthält ( er artikuliert neben Skeptizismus eine Fragekultur und macht aus dem Zweifel die Pflicht der Verifizierung), die politische Streitkultur. Der Philosoph muss sich einmischen, also politisch entäußern, doch vor dem politischen Handeln und Gewissheiten, die als Wahrheiten verkündet werden, hüten. Er soll  Ämtern negieren soll, weil er nicht Teil des (korrumpierten) System werden darf. Seine arbiträre Position ist einem Schiedsrichter bei einem Mannschaftssport zweier Teams zu vergleichen: auf Fouls ist zu achten und unparteiisch zu entscheiden.

Sokrates´Tod wird durch seinem Schüler und letzten Zeugen Platon mystifiziert. Wir vergssen gerne, dass es Chronisten sind oder Übersetzer, die den antiken Weisen und Propheten Worte in den Mund legen. Ob Sokrates, von dem wir wissen, dass ihn eine demokratische Regierung ostrakisierte (verbannte), weil er unbequem war und in Widersprüche verwickelte, aus politischen Motiv heraus Suizid beging oder wie (angeblich auch in Stammheim im Fall der RAF) nachgeholfen wurde, lässt sich nach über 2500 Jahren nicht mehr eindeutig klären, jedenfalls nicht mit forensischen Mitteln. Platons Ideal zumindest blieb der von geistigen Elite (Oligarchie) regierte Philosophenstaat, weil er meinte, die Klügsten wären auch von moralischer Integrität. Er irrte wie später Marx über die conditio humana. Der Mensch bleibt primär Egoist. Seit Sokrates gehen Philosophen und Politiker zumeist getrennte Wege.

Foto Belinda Helmert, Kleine Weser

Kant pointiert die sokratische Haltung, die Haltung eines um die aufrechte Überprüfung von Meinung bis zum Stand des (niemals absoluten) Wissens in „Der ewige Frieden“: Moral ist mit Politik nicht vereinbar, auch wenn dies wünschbar erscheint. Politik muss Ergebnisse liefern (Erfolgsethik) und zwar für eine kleine Gruppe (bestenfalls eine Nation). Für globale Strategien une Gesinnungsehtik taugt sie nicht – bestenfalls handelt eine Regierung für die gegenwärtige Gesellschaft (Partikularinteressen der Majorität) zulässig, für die zukünftigen Lebensbedingungen kommender Gesellschaften jedoch nicht hinreichend angemessen. Mit demokratischer Mehrheitsbestimmung wählt man keine Gerechtigkeit, nicht einmal Rechtmäßigkeit (verwiesen sei auf den Prozess des Sokrates oder Eichmanns), ganz zu schweigen von Wahrheit. Kant drückt es vorsichtig aus, dass Philosophen, sofern sie zu politischen Akteuren werden, nicht mehr dem an sich Guten der Wahrheit „aus Pflichtgefühl“ dienen, sondern das Angemessene „pflichtgemäß“ verrichten und verwalten müssen. Die Angemessenheit aber bleibt unvereinbar mit einer Ethik, die auf Gewinn oder Schadensbegrenzung einer bestimmten Teilmenge der Menschheit ausgelegt ist. Moral (Gewissen) und Ethik (Sittenlehre) sind durchaus nicht identisch. Kant war wie Aristoteles kein Freund der Demokratie, beide hielten das Volk für nicht aufgeklärt, man darf auch sagen, klug und stabil genug, zu wichtigen Fragen kompetent Stellung zu beziehen.

Ebbe in Gehirnen

Allerdings konstatiert er bereits eine Leere in den Köpfen, die in der Metapher von Ebbe und Flut aufgegriffen wird, u. a. von Erich Kästner, der im Angesicht des kollektiven Versagens der Weimarer Republik (eine wacklige Demokratie) gegenüber den Faschismus das ironische Gedicht „Große Zeiten“ verfasstemit der markanten Zeile: „Und Ebbe wird es im Gehirn der Klugen.“

(https://www.deutschelyrik.de/große-zeiten-14429.html)

Kant und Aristoteles vertraten unterschiedliche Positionen hinsichtlich der Frage, ob auch der Philosoph politisch werden soll oder muss, was nur Aristoteles bejaht. Kant indes verneint Philosophie als prinzipiell (a priori) unvereinbar mit dem „politischen Geschäft“: er handelt nicht mit Meinungen und relativiert nicht die Freiheit, indem er die eine gegen die andere ausspielt. Generell spricht Kant viel von Würde, die heute auch Denkern von Gewerbe verloren gegangen ist. Vielleicht ist ihnen auch flau im Kopf.

Unterschiedlich ist auch die Gewichtung von Mittel und Zweck: bei Kant muss jeder Zweck durch sich selbst gerechtfertigt sein, kein Mittel dürfe gebraucht werden, das nicht langfristig und allgemein unbedenklich eingesetzt werden darf. Aristoteles ist da pragmatischer, zumal an der Evolution orientiert, wo so manches Mittel den Zweck heiligt.

Foto Belinda Helmert, Ochtum, Osterholz

Die Zeit spricht für eine mediale Form der Demagogie: Querdenker sind heute Verschwörer und Egoisten, keine Systemsprenger. Meinungen oder Überzeugungen werden wie bei Wahlversprechen zur Blase. Politiker schüren die selektive Wahrnehmungen. Tempo fugit, die Zeit rast. Es ist, als hätte Heine sein Gedicht „Die Esels-Partei“ (1848) gestern verfasst:

„So sprach der Patriot. Im Saal

Die Esel Beifall rufen.

Sie waren alle national,

Und stampften mit den Hufen.“

Verfehltes Krisen-Management

Anhang, Dossier KM – 5100/29 (von Söder in Auftrag gegeben, inzwischen aus den digitalen Medien verbannt)

Das Krisenmanagement hat in der Vergangenheit (leider wider besseren institutionellen Wissens)keine adäquaten Instrumente zur Gefahrenanalyse und –bewertung aufgebaut. Die Lageberichte, in denen alle entscheidungsrelevanten Informationen zusammengefasst werden müssten, behandeln in der laufenden Krise bis heute nur einen kleinen Ausschnitt des drohenden Gefahrenspektrums. Auf der Basis unvollständiger und ungeeigneter Informationen in den Lagebildern ist eine Gefahreneinschätzung grundsätzlich nicht möglich. Ohne korrekt erhobene Gefahreneinschätzung kann es keine angemessene und wirksame Maßnahmenplanung geben. Das methodische Defizit wirkt sich bei jeder Transformation auf eine höhere Ebene aus; die Politik hatte bisher eine stark reduzierte Chance, die sachlich richtigen Entscheidungen zutreffen.

Die beobachtbaren Wirkungen und Auswirkungen von COVID-19 lassen keine ausreichende Evidenz dafür erkennen, dass es sich – bezogen auf die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft – um mehr als um einen Fehlalarm handelt. Durch den neuen Virus bestandvermutlich zu keinem Zeitpunkt eine über das Normalmaß hinausgehende Gefahr für die Bevölkerung (Vergleichsgröße ist das übliche Sterbegeschehen in DEU). Es sterben an Corona im Wesentlichen die Menschen, die statistisch dieses Jahr sterben, weil sie am Ende ihres Lebensangekommen sind und ihr geschwächter Körper sich beliebiger zufälliger Alltagsbelastungen nichtmehr erwehren kann (darunter der etwa 150 derzeit im Umlauf befindlichen Viren). Die Gefährlichkeit von Covid-19 wurde überschätzt. (innerhalb eines Vierteljahres weltweit nicht mehr als 250.000 Todesfälle mit Covid-19, gegenüber 1,5 Mio. Toten während der Influenzawelle 2017/18). Die Gefahr ist offenkundig nicht größer als die vieler anderer Viren. Wir haben es aller Voraussicht nach mit einem über längere Zeit unerkannt gebliebenen globalen Fehlalarm zu tun. Dieses Analyseergebnis ist von KM 4 auf wissenschaftliche Plausibilität überprüft worden, im Wesentlichen entspricht es nicht den vom RKI vorgelegten Daten und Risikobewertungen.

Dass der mutmaßliche Fehlalarm über Wochen unentdeckt blieb, hat einen wesentlichen Grunddarin, dass die geltenden Rahmenvorgaben zum Handeln des Krisenstabs und des Krisenmanagement in einer Pandemie keine geeigneten Detektionsinstrumente enthalten, die automatisch einen Alarm auslösen und den sofortigen Abbruch von Maßnahmen einleiten würden, sobald sich entweder eine Pandemiewarnung als Fehlalarm herausstellte oderabzusehen ist, dass die Kollateralschäden – und darunter insbesondere die Menschenleben vernichtenden Anteile – größer zu werden drohen, als das gesundheitliche und insbesondere das tödliche Potential der betrachteten Erkrankung ausmacht.

Foto Belinda Helmert, Skuptur-Atelierhof im Schnoor

Der Kollateralschaden ist inzwischen höher ist als der erkennbare Nutzen. Dieser Fest- liegt keine Gegenüberstellung von materiellen Schäden mit Personenschäden (Menschenleben) zu Grunde! Alleine ein Vergleich von bisherigen Todesfällen durch den Virus mit Todesfällen durch die staatlich verfügten Schutzmaßnahmen (beides ohne sichere Datenbasis) belegen den Befund. Eine von Wissenschaftlern auf Plausibilität überprüfte überblicksartige Zusammenstellung gesundheitlichen Kollateralschäden (incl. Todesfälle) ist unten angefügt.

Aufgabe und Ziel von Krisenstäben und jeglichem Krisenmanagement ist es, besondere Gefahren zu erkennen und sie so lange zu bekämpfen, bis der Normalzustand wieder erreicht ist. Ein Normalzustand kann also keine Krise sein. Der (völlig zweckfreie) Kollateralschaden der Coronakrise ist zwischenzeitlich gigantisch. Ein großer Teil dieses Schadens wird sich sogar erst in der näheren und ferneren Zukunft manifestieren. Dies kann nicht mehr verhindert, sondern nur noch begrenzt werden.

Kritische Infrastruktur

Kritische Infrastrukturen sind die überlebensnotwendigen Lebensadern moderner Gesellschaften. Bei den Kritischen Infrastrukturen ist in Folge der Schutzmaßnahmen die aktuelle Versorgungssicherheit nicht mehr wie gewohnt gegeben (bisher graduelle Reduktion der prinzipiellen Versorgungssicherheit, die sich z.B. in kommenden Belastungssituationen niederschlagen kann). Die Resilienz des hochkomplexen und stark interdependenten Gesamtsystems Kritischer Infrastrukturen ist gesunken. Unsere Gesellschaft lebt ab sofort mit einer gestiegenen Verletzlichkeit und höheren Ausfallrisiken von lebenswichtigen Infrastrukturen.

Das kann fatale Folgen haben, falls auf dem inzwischen reduzierten Resilienzniveau von KRITIS eine wirklich gefährliche Pandemie oder eine andere Bedrohung eintreten würde. UN-Generalsekretär António Guterres sprach vor vier Wochen ein grundlegendes Risiko an. Guterres sagte (laut einem Tagesschaubericht vom 10.4.2020): „Die Schwächen und mangelhafte Vorbereitung, die durch diese Pandemie offengelegt wurden, geben Einblicke darin, wie ein bioterroristischer Angriff aussehen könnte – und [diese Schwächen] erhöhen möglicherweise das Risiko dafür.“ Nach unseren Analysen ist ein gravierender Mangel in DEU das Fehlen eines adäquaten Gefahrenanalyse und bewertungssystem in Krisensituationen (s.o.).

Foto Belinda Helmert, Weserwehr bei Nacht, Bremen

Die staatlich angeordneten Schutzmaßnahmen, sowie die vielfältigen gesellschaftlichen Aktivitäten und Initiativen, die als ursprüngliche Schutzmaßnahmen den Kollateralschadenbewirken, aber inzwischen jeden Sinn verloren haben, sind größtenteils immer noch in Kraft. Es wird dringend empfohlen, sie kurzfristig vollständig aufzuheben, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden – insbesondere unnötige zusätzliche Todesfälle – , und um die möglicherweise prekär werdende Lage bei den Kritischen Infrastrukturen zu stabilisieren.

Die Defizite und Fehlleistungen im Krisenmanagement haben in der Konsequenz zu einer Vermittlung von nicht stichhaltigen Informationen geführt und damit eine Desinformation der Bevölkerung ausgelöst. Ein Vorwurf könnte lauten: Der Staat hat sich in der Coronakrise als einer der größten fake-news-Produzenten erwiesen.“

Foto Belinda Helmert, Weserwhr bei Tag

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