Die Erben des Sisyphos: Evolution, Wahrheit und Mythos

Was haben SarsCoV2 und Sisyphos, was die Nobelpreisträger Camus und Monod, was der russische Agrargenforscher Lyssenko und der bevorstehende Parlamentsbeschluss von Ausnahmegesetzen gemein? Wie verbinden sich die Gesetze der Evolution mit Zufall und Notwendigkeit und Virologie mit Politik?

Tizians Bild steht mir vor Augen. Am Anfang steht eigentlich nicht Sisyphos, sondern die Gier nach Leben. Jeder meint ihn zu kennen, den Mensch, der leidet, der unaufhaltsam Steine schleppt, der seinem Schicksal trotzt und dafür bestraft wird, der den Göttern Widerstand entgegenbringt und für seine Hybris büßt. Im Menschen scheinen Furcht und Strafe gut und in Wechselbeziehung verankert, anders kann man die grandiose Zustimmung von Mehrheiten zu offenkundigem Machtmissbrauch und die Akzeptanz von Diktatoren kaum deuten. Ertragen müssen wir sie doch, die Klugen die Dummen, die Reichen die aufsässigen Armen, das Volk ihre Herrscher, denen es laut Umfragen bereitwillig und nicht nur freiwillig folgt. Die Stigmatisierung erfährt der Aufbegehrende, Sisyphos eben.  Wir sind auch im Zeitalter der Aufklärung und der Mulitmedia zu passiven stummen Zeugen mutiert, handlungs- und denkohnmächtig, haben dem Mythos mehr Macht als der Wahrheit (präziser den Wahrheiten) gestattet. Sisyphos schleppt Steine, wir tragen Masken, beides symbolisch, allegorisch, mythisch. Genau genommen geht es um Mutation von Wahrheiten.

Vorgeschichte: Mythos

Kaum einer betrachtet den Mythos genauer. Er beginnt 1400 v. C. Übrigens eine Epoche der Pest, doch dies tut nichts zur Sache. Wir schauen auf ein Sternenbild, die Plejaden, das Siebengestirn. Sieben Schwestern sind es, eine davon heißt Merope. Sie ist die Tochter von Atlas, dem Titan, der trägt die Welt auf seinen Schultern, wo die Sonne untergeht, tief im Westen, wo auch das Reich des Thanatos ist, er wohnt also Tür an Tür mit dem Tod.  Es ist die Geschichte des Patriarchats und seines Untergangs. Genau genommen stammt auch Meropes Vater von den Titanen ab, diese von Uranos, der mit seiner Mutter Gaia schlief. Als Himmel und Erde sich in einem ersten inzestuösen Verhältnis vereinigten und das Meer zeugten, geschah Unrecht, denn Uranos sperrte alle Kinder, die er mit seiner Mutter zeugte fort, bis einer sich getraute, ihn zu entmannen (Kastrationsmythos) und in diesem ödipalen Konflikt die Zeit (Chronos) obsiegte. Kronos war der neue Herrscher, bis auch er einen Sohn zeugte, der ihn tötete oder zumindest entthronte, so will es der Lauf des Schicksals, den manche Evolution heißen.

In Sisyphos´ Zeit fällt der Kampf zwischen Göttern und Menschen, der recht ungleich und dessen Ausgang vorbestimmt ist. Sisyphos ist ein wenig schlauer als die anderen, schon sein Vater, der thessalische König Aiolos war es, nicht umsonst ist nach seinem Namen der Windgott benannt, der listig die Richtung zu ändern weiß, wenn es ihm nützt. Aiolos hat sieben Söhne, genau wie Uranos und Kronos vor ihm, sieben ist eine wichtige, ja mystische und mythische Zahl, auch im Christentum, wo sie nicht nur für die sieben Todsünden und die Genesis der Sieben Tage Schöpfung steht,  sondern auch in der Evolution, da ein Zellzyklus in sieben Jahren komplett abgeschlossen ist. Es bestehen folglich Analogien zwischen Mythos und Wissenschaft, die, wie Demokrit aufzeigt, durchaus noch nicht getrennte Wege gehen, auch die Religion ist zu dieser Zeit noch nicht emanzipiert, sondern ein integraler Teil des Ganzen.

Sisyphos ist schlau. Nicht nur, dass er das Prinzip der Promiskuität erfüllt, das nachweislich besser für die Verbreitung von Erbgut taugt als die wesentlich jüngere (kulturelle) als auch physische (biologische)  Evolution der Monogamie. Um seine vielen Frauengeschichten nicht zu verwirren, bleiben wir bei seiner Gemahlin Merope. Eine seiner Eskapaden führt ihn  zur Antikleia, die ihm Odysseus gebärt, den Adorno als den homo oeconomicus bezeichnet, der Triumph der als Vernunft getarnten List des Nutzens über den moralischen Makel. Sisyphos, so lehrt der Mythos, setzt folglich durch List und Lüge bereits Herrschaft und verändertes Erbgut in Umlauf.

Wie kommt es zum Betrug durch Beischlaf mit der künftigen Königstochter? Als der schlauste Dieb Autolykos, Sohn des Götterboten Hermes, seine Schafe stiehlt, markiert er seine Herde, so wie man heute Peilsender oder digitale trojanische Viren aussendet, um den Feind auszuspionieren. Mit dieser, zugegeben archaischen, List vermag Sisyphos den Dieb zu stellen und seine Tochter verführen, eben Antikleia. Weil schon in der Antike, also auch auf den Peloponnes, Kapital und Diebstahl gut miteinander harmonierten, gelingt es dem durch Diebstahl zu Reichtum gekommenen Dieb, seine schwangere Tochter meistbietend mit den lokalen König von Thessalien zu vermählen. Geld heiratet eben Geld, damals schon und fort war Antkleia mit Odysseus in ihrem Leib.

Sisyphos kehrt zurück zu Merope (dem eigentlichen Schaf, das blind sein will) und auf dem Weg sieht er, wie Schwerenöter und Göttervater Zeus die keusche Aigina entführt auf dem Korinthischen Isthmus (besser bekannt als Golf von Korinth). Er verrät es dem aufgebrachten Vater, der zwar nicht die Jungfräulichkeit seiner Tochter zu verhindern, diese aber von der nach ihr benannten Insel zurückzuholen weiß. Mit seiner errungenen Gunst will Sisyphos nun den eigenen Bruder Salmoneus töten, um König von Elis zu werden und nicht nur von Korinth zu bleiben. Zeus in Rage, verhindert dies, aber nicht aus Sympathie zu dem Rivalen, denn diesen tötet er selbst, weil Salmoneus allzu offensichtlich wie ein Gott gebärt und nach den Sternen greift. Wie Machiavelli treffend sagt: Willst du herrschen, musst du töten lernen. Wörtlich heißt es in „Il principe“: „Jemand, der es darauf anlegt, in allen Dingen moralisch gut zu handeln, muss unter einem Haufen, der sich daran nicht kehrt, zu Grunde gehen.“ Der Philosoph spricht vom Gesetz der Anpassung und nimmt damit den Manchester-Liberalismus vorweg, den vielen als Raubtierkapitalismus ein Begriff ist. Auch wenn es den weder in der Renaissance noch in der Antike gab, so wirkt das archaische Prinzip offenkundig, wie der Plan der Evolution (sofern es einer ist, sich selbst zu erhalten und zu vermehren) dokumentiert.

Zeus, über den Verrat und menschliches Verhalten zur Eigenmacht empört, führt den Renitenten Thanatos zu. Zweimal schafft es dieser Mensch, wie nach ihm Herakles, Odysseus und vor allem Orpheus, den Tod zu überlisten, aber nur er kann Thanatos im tiefesten Schlund des Todesreiches Hades von der Schippe springen. Einmal betäubt er seinen Wärter mit Wein, einmal durch Hypnose. Denn Thantaos ist der gnädige Tod, der beispielsweise Krieger auf dem Schlachtfeld heimführt (in Germanien Walhalla) er ist ganz und gar nicht gewalttätig wie seine Schwester Ker; er ist nicht der Schlaf (das Unbewusste) wie Hypnos und auch nicht der Traum Morpheus, seine beiden Brüdern. Er wohnt am Eingang des Tartaros, der Unterwelt und wird daher nicht selten mit dem Unbewussten und Unbekannten gleichgesetzt, vor dem sich Erkennen und Bewusstsein fürchten.

Die einen setzen ihn mit Chaos gleich, die anderen halten Thanatos für einen Sohn desselben mit Gaia, alt ist er in jedem Fall, älter als die herrschenden Götter wie Zeus. In Platons Dialog „Gorgias“ belehrt Sokrates seinen Widerredner, der das Gesetz der Stärkeren vertritt, über das Gesetz der Redlichen, also der Guten und der Wahrheit Dienenenden; es sei stärker und verhindere eine ungerechte Bestrafung, für die Thanatos zuständig sei. Sagen wir also, er ist der gute, gnädige, vielleicht sogar der Gerechtigkeit übende Tod. Vielleicht ahnten die Hellenen, dass der Tod nicht immer gerecht und die Götter nicht immer ethisch handeln, da sie ihrer eigenen Moral folgen, die der Mensch nicht kennt, aber in sich trägt wie einen Virus, der zur Mutation und dann zum Ausbruch gelangt, wenn die äußeren Bedingungen sich ändern. Man muss wie im Fall von Sars 2013 seine Vorgeschichte, die von Sars 2002 kennen. Familienaufstellung, bezogen auf Virologie. Der Vorgängervirus von Corona forderte „nur“ 774 Tote, vornehmlich in China, verlief epidemisch und nicht pandemisch.

Sisyphos überlistet den Tod, doch der Fluch des Blutes – heute würde man vielleicht der Gene dazu sagen – ist stärker. Immerhin stammt er in weiter Vorzeit von Ino ab, deren Schicksal es ist, Schwester der Semele zu sein, jener irdischen Schönheit, die Zeus verwirrt und ihm, nachdem er sie verführt hat, Dionysos, den Gott der Schmerzen und des Rausches, aber auch des Wahns, gebiert. Nachdem Semele durch die List der eifersüchtigen Gattin des Zeus Hera, vom Blitz getroffen worden ist und Zeus das Kind (seine Schenkelgeburt antizipiert Zangengeburt und Kaiserschnitt) zur Welt gebracht hat, sichert Ino als Amme für das Überleben des Kindes, dass es flüchten und den Zorn Heras entkommen kann. Inos Schicksal: sie wird mit Wahn gestraft, tötet ihr leibliches Kind und springt, als sie es erkennt, mit dem Toten ins Meer, natürlich am Golf von Isthmus. Geschichte wiederholt sich. Unbestimmte Zeit später erblickt ihr Nachfahre Sisyphos den Raub der Menschentochter durch Zeus, der sich partout nicht moralisieren lassen will. Jede Autorität versteht es, das Recht auf seine Seite zu ziehen, vor allem, wenn Gewaltenteilung noch ein Stolperstein ist.

Nach seinem ersten Entkommen aus dem Reich des Todes gibt Sisyphos  der Gemahlin Merope den Auftrag, ihn nicht zu begraben, was dazu führt, dass Thanatos den Unbestatteten wieder auf die Erde entlassen muss, die Bestrafung muss erneut vertagt werden, weil der Tod bereits nicht mehr allmächtig ist. Sisyphos, der Ahn des Odysseus, dessen List gleichfalls mit Schafen die Herrschaft der Titanen bricht, beginnt das Leben in vollen Zügen zu genießen, ja er spottet der Götter. Das muss sich rächen und so stirbt er am Ende nie, sondern muss leiden, lebenslang wie die postmoderne Gesellschaft, deren Gier nach Leben sich überlebt hat. Die Geschichte vom Sündenfall ist alt, sie kommt auch im Christentum vor und handelt vom Essen der verbotenen Früchte. Tantalos, gleichfalls ein Sohn des Zeus, wenn man so will, Gottes Adam, wurde gleichfalls übermütig und musste ewig Hunger oder Durst erleiden, weil ihm, immer wenn er der Erlösung (der Stillung seiner Begierden) nahekam, die Frucht des Lebens entrissen wurde. Geschichten über Strafe beginnen immer mit einer imaginären Schuld und diese mit dem Herausfall aus dem Stadium der Unwissenheit. Die gesamte Genesis, nicht nur die biblische, basiert auf Erkenntnis und Missbrauch der selbigen. Immer gab es Gesetze, die Unrecht legitimierten.

Heute: Wahrheit

Erkennen. Annehmen. Revolte. So hat es Camus formuliert, Schnellfeuergewehr eines überzeugten Pazifisten. Wir folgen der absurden Logik anstelle der Logik des Absurden. So die Abbreviatur seiner Philosophie. Bezogen auf Sisyphos: Wir müssen uns ihn als einen glücklichen Menschen vorstellen. Das erlaubt drei Sichtweisen. Erstens: der Mensch, der dienen darf, eine Aufgabe hat und leiden kann, ist glücklich. Könnte so sein, wenn man den Gehorsam und die Bereitwilligkeit mancher Menschen im Kreislauf des homo oeconomicus in Augenschein nimmt. Zweitens: Wir sollten daran glauben, dass er glücklich ist und ein happy end sich nur unserer Vorstellung(skraft) entzieht. Könnte so sein, wenn man den Optimismus eines „Yes we can“ und dem Gerede „Wir schaffen das“ Folge leistet. Schon Blochs Prinzip Hoffnung sah sich verkürzt auf die Maxime: „Unsere Enkel fechten´s besser aus.“  Drittens: das Glück könnte in der kurzweiligen Befreiung (oder Vorstellung) von einem als Ist-Zustand empfundenen Soll Werden Prinzip bestehen. Anders ausgedrückt: es ist ein Glück der Revolte, des Aufbegehrens, nicht des Habens. Es ist ein Glück des Kampfes, nicht des Krieges und ein Glück  der Solidarität mit dem Leben anstelle des reinen Ich überlebe egal wie  – Instinkts.

Keine Macht der Furcht vor dem Tod oder Todesszenarien, gebraucht eine List wie Sisyphos, der zweimal dem Tod von der Schippe sprang, weil er Eros dem Thanatos vorzog. Sagt Ja zum Leben und Nein zum Verzicht darauf. Leicht missbrauchbar, wenn es interpretiert wird als verantwortungslos. Das Gegenteil ist gemeint. Schaut auf die Entwicklung, das Gesetz des Lebens, des Schicksals der Evolution und dem des Wandels.

Jaques Lucien Monod, Mikrobiologe, Nobelpreisträger, Hugenotte, lernt Camus als Mitglied der Résistance kennen. Überzeugt von der Konvergenz der Biologie mit der Philosophie, der Natur- mit der Geisteswissenschaft, schreibt er in „Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der Biologie“ (deutsch 1971), dass die Welt des dialektischen Materialismus auf Demokrit (der nicht der Begründer der Demokratie ist, sondern der atomisierten Welt), basiert. Auch Karl Marx promovierte über Demokrit, der postuliert: „Alles, was existiert, hängt von Zufall oder Notwendigkeit ab. Zwischen diesen beiden Prinzipien ist nichts.“  Früher glaubte man, Atome bildeten die kleinsten unzerteilbaren Bestandteile des Lebens. Bis heute erfährt die Elementarkultur eine grandiose Zerstückelung in Minaturisierungs-Parzellen; selbst die Zelle und die Proteine sind Makrosturktur. Vergleichbar ist der Handel, parzelliert in Teilmärkte bis hin zum Bitcom. Vergleichbar sind die Gesetze: kam Moses noch mit zehn vom Berg, zudem auf Tafel geschrieben, sind es heute unzählige Bücher, Paragraphen und nicht einmal gedruckt, ein Palimpsest, die durch Schaben, Waschen oder Reiben wieder leserlich gemacht werden könnte. Spezialisierte Spezialisten kümmern sich darum, die Minuskel lesbar zu gestalten, Übersetzer gestalten sie dann legal, das von letal nur durch einen Buchstaben getrennt wird. Wir sterben uns zu Tode.

Monods Verdienst liegt darin, diese in der Philosophie (z.B. Hegels, den Marx invertiert) angewandten Prinzipien auf die Biologie zu transformieren: Zufall ist nun in evolutionärer Sprache Mutation, Notwendigkeit Selektion. Dabei unterscheidet er die physische Ordnung, in der durchaus Zufall (Chaos) herrscht, die selbst Darwins Gesetz nicht grundsätzlich in Abrede stellt, und die kulturelle Ordnung  (logos), die auf Eingriff und damit auf Selektion beruht. Nun könnte man glauben, der Zufall, die Natur als Mechanismus einem blinden Uhrmacher zu vergleichen (wie es Evolutionsbiologe Richard Dawkins 1987 unternimmt) generiere mehr Schaden (interpretiert als Katastrophen) als ein gewollter, steuerbarer Prozess. Die Utliatristen scheinen zu triumphieren. Dies gilt jedoch nur, wenn Intelligenz (eine Form der Mutation) sich als Vorteil für  das gesamte System und nicht nur eine Nische (homo oeconomicus) erweist.

Wissenschaft heißt Wahrheiten hinterfragen

Man könnte glauben, das Milieu entscheide, welche Mutationen erfolgreich sind und welche nicht, doch wenn Anpassung (Assimilation) das biologische Milieu verdrängt (als Sekundärsubstanz), dann kann die Entropie, die Vermischung, Transformation und Energieerhaltung nicht mehr wirken. Das System entgleitet, schlägt zurück, wendet sich gegen den Wirt (Mensch): unter unnatürlichen Lebensbedingungen können auch die natürlichen Mechanismen nicht mehr greifen. Dann kommt es zur Panik oder zu gesetzlich angeordneten Notstandsverordnungen; legitim, legal und letal sind Synonyme geworden. Sisyphos kann nachträglich der Prozess gemacht werden.

Monod erhielt für seine mikro-biologischen Erkenntnisse den Nobelpreis. Er tritt für die Wahrheit, daher für die Skepsis, ein – und bezieht sich auf den griechischen Helden des Widerstands. Bezogen auf die Virologie heißt das, es gibt zwei Arten von Viren, die bekanntermaßen älter als Bakterien und damit auch älter als Leben sind; Bakterien sind eine von drei Lebensformen, die selbständig generieren, was der Virus (noch) nicht kann . Es gibt die genetisch hochvariable Mutation, die wie im Fall von Sars sich laufend verändert (insofern kann es keinen dauerhaften Impfstoff geben, weil sich Sars CoV 2 rasch zu 3 und 4 transformieren wird) und es gibt Viren, die durch den externen Einfluss verändert werden. Natürlich sprach Monod nicht von Corona, er sprach von Viren generell. Natürlich sprach er nicht von Panik und Epidemie, sondern von wiederkehrenden Mutationen, die mitunter für eine Generation gefährlich und schädlich sind, aber langfristig für ein natürliches biologisches Gleichgewicht sorgen. Er sprach und schrieb ähnlich wie Camus von Naturgesetzen, die nicht der Wirtschaft oder dem politischen Selbsterhaltungstrieb folgen. Er sprach von Sisyphos als Verkörperung der Renitenz analog eines Virus, der sich notfalls listreich verwandelt, verstellt, so dass er nicht erkannt wird und überlebt, sofern ein Virus, der ja nicht lebendig ist, diese Sprache überhaupt erlaubt.

Wer würde bezweifeln, dass unsere Welt durch z.B. Feinstaub, Pestizid und Klimaveränderung heute ein anderes Mikroklima besitzt als vor der industriellen Zeit, ja vor des Menschen Eingriff überhaupt? Die Invasion an Chemie und unwillentlich frei gesetzen, teilweise auch bewusst erzeugten toxischen Stoffen hat eine vielleicht nie genau feststellbare und schon gar nicht monokausal (monotheistisch) rückführbare Fehlerkette (pardon Eiweißkette) nach sich gezogen, doch die Mutation von Nukleinsäuren und Proteinen, die Veränderung von DNA und vordem RNA (diese geht der DNA immer voraus) kann niemand in Frage stellen, der über gesunden Menschenverstand verfügt. Menschen, die Gottes Schöpfungsplan aus der Bibel ablesen ausgenommen, die mögen von gewollter und planvoller Selektion sprechen und in der Natur ein unabänderlich vorprogrammiertes Uhrwerk sehen, das vielleicht auch nicht die fünf vor Zwölf – Zeigerstellung kennt.

Ohne in die Feinheiten des Feinstaubs einzusteigen, über die sich streng genommen nicht einmal die Virologen bzw. Mikrobiologen einig sind, gilt die Feststellung: Zellwachstum ist abhängig vom Milieu (Umwelteinflüsse), weshalb es Mutationen geben wird und muss; das hat Demokrit bereits erkannt, ohne die Welt unter das Mikroskop legen zu können. Marx hat aus ihm geschlossen, dass die kleinsten Einheiten die größten Veränderungen vornehmen und gehofft, dass Bürger den Staat bzw. die Staatsform bestimmen. Monod hat für die Enzymforschung abgeleitet, dass nicht nur Proteine Leben erzeugen, sondern bereits die Viren universelle Bausteine des Lebens sind, ohne selbst Zellen zu besitzen, folglich die Funktion von Aminosäureketten bereits beherrschen. Bakterien sind zellkernlos, doch selbsterzeugter Teil des menschlichen Organismus mit seinem Zellkern, für den die Evolution eine gefühlte Ewigkeit gebraucht hat, Viren sind archaischer Schleim, der infektiös von außen, also dem Milieu, zugeführt wird (mal tröpfchenweise eingeatmet bzw. ausgespuckt, mal in anderer Form verabreicht): sie haben keinen Stoffwechsel und deshalb auch kein eigenständiges Leben, keine Energieerzeugung, keine Proteine, dafür bedürfen sie einen Wirt, notfalls den Menschen.

Das Wissen über Viren ist wie im Grunde jede Wahrheit weder abgeschlossen noch absolut, es ist offen (wie eine offene Gesellschaft) und nicht persistierend, sondern hat eine rasend kurze Haltbarkeit. Was aber kolportiert wird ist: es gibt ein Virus X und ein Mittel Y und eine Wirkung Z; eine Gleichung mit im Grunde drei Unbekannten, so Monod. Für diese Erkenntnis erhielt er einen Nobelpreis, etwa zu der Zeit, als ich geboren wurde. Heute scheint sich das unerfreuliche Zweckbündnis aus Politik, Wissenschaft und Schweige- oder Zustimmungsspirale gegen ihn auszusprechen. Es verfährt, als lasse sich einem Virus durch Verordnungen beikommen, als wüssten wir bereits, wie er wirkt, als wäre unser Milchstraßensystem in Stein gegossen, nichts in Bewegung, nichts zufällig, alles notwendig und in der Not liegt auch der Fall (begraben). Dabei ist selbst der Blick in den Sternenhimmel trügerisch, weil zeitversetzt. Vielleicht besaßen die Plejaden mehr Geschwister und vielleicht schleppt Sisyphos gar keine Steine, sondern Kohlköpfe. Intelligenz, so Monod, könnte sich evolutionär als Nachteil erweisen.

Sisyphos bleibt immer unterwegs, dieser Nomade des Wissens, der keine Wahrheiten duldet, keine Ewigkeiten kennt und damit den Göttern trotzt oder sie leugnet. Die Revolte endet nie. Auf den Terror der Deutschen folgte der der Russen und auf den anderer, wie ein Virus. Monot brach mit der Partei, als sich herausstellte, dass die Wissenschaft mit den Mächtigen paktierte und nicht Wissen, sondern Mythen vorantrieb. Ein gewisser stalintreuer Lyssenko (er starb wie Monod 1976) postulierte, Gene sind die Folgen der Umwelt und damit Intelligenz eine Frage der politischen Kultur. Seine falschen Thesen wurden getragen, weil die Wissenschaftler nicht wagten, den Günstling Stalins zu widersprechen, wider besseren Wissens wiederlegten sie ihn nicht. Lyssenkos Methoden führten unter staatlicher Duldung zum Niedergang der russischen Agrarkultur; seine Pseudo-Wissenschaft, die nicht überprüfen und Hypothesen nicht verifizieren wollte, führte zu Missernten, Hunger und sogar Seuchen. Sie wurden Verschwörern und Saboteuren zugeschrieben, der Bock zum Gärtner gemacht. Lyssenko ist kein russisches Phänomen, warnte Monod.  In seinem Buch „Le hasard etla nécessité“,  das zwischen Philosophie und Biologie oszilliert, schreibt er über Sisyphos: „Es ist an ihm, zwischen dem Licht und der Finsternis, zwischen der Wahrheit und dem Mythoszu wählen.“

Monod ist ein Vertreter der Dysgenetik, die gerne mit Eugenetik und diese mit dem Dritten Reich und Rassenhygiene verwechselt oder in einem Atemzug genannt wird. Nachdem uns der Fortschrittsmythos jahrhundertelang suggerierte (auch, weil der Mensch es sich hat einreden lassen wollen), dass nur das gute oder zumindest systemisch angepasste Erbgut überlebt, war er einer der ersten, die, ausgehend von der Dialektik des historischen Materialismus auch einen schädigenden Einfluss auf die Evolution voraussahen oder besser zur Kenntnis nahmen. Philosophisch konvergiert dies mit Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, in der Platon und Hegel als Vordenker des Totalitarismus und auch Marx´ als Wegbereiter einer fehlgeleiteten Ideologie angegriffen werden, vor allem weil sie ewige Wahrheiten beanspruchen. Auch sie vertraten das Recht, Gesetze notfalls über Nacht zu ändern. Alle wähnten sie das Recht auf ihrer Seite, wie Machiavelli es ihnen bot: Systemkonformität.

Ein Fakt ist unwiderlegbar: Es überleben im Gegensatz zur Natur, der sich der Mensch nicht nur entfremdet, sondern auch weitgehend entzogen hat, auch die Schwachen, besonders im Krieg, es überleben die Kranken und vielleicht sogar Degenerierten bei der Unterlassung von eugenetischen Maßnahmen. Diese sollen nicht gerechtfertigt werden, eine Diskussion erscheint angesichts der Vorbelastung und des erfolgten politisch ideologischen Missbrauchs deplatziert, doch biologisch ist offenkundig, dass sich die Natur um Moral oder Ethik nicht kümmert. Wie es Max Frisch so treffend formuliert: „Die Natur kennt keine Katastrophen, einzig der Mensch (der sie erzeugt), sofern er sie überlebt, kennt die Katastrophe“.  Konrad Lorenz sprach von der schädigenden Wirkung auf unser Erbgut durch permanente Domestizierung und Zivilisierung, er nannte den Prozess in „Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung“ die „Verhaustierung“ Gemeint ist: der Mensch schwächt sein Immunsystem, einerseits, indem er sich nicht abhärtet und andererseits durch Veränderung seines natürlichen Milieus.

Der Virus lenkt die Aufmerksamkeit ab vom Großen und Ganzen, von essentiellen Problemen und möglichen Ursachen. Feinstaubbelastung der Umwelt greift in die Natur ein in die natürliche Balance, z. B. durch elektromagnetische Strahlung, verändern Erbgut, also Proteinketten. Dass Krankheiten wie Krebs auch durch Umweltbelastung wie Glyphosphat, das auch nach Bekanntgabe alarmierender Werte massenweise in der Agrarindustrie Einsatz findet oder Smogbildung in den Großstädten durch ein Übermaß an Verkehr begünstigt wird, kann der gesunde Menschenverstand nicht in Frage stellen. Zunächst starben aber nur die Bienen, also schwiegen wir. Wissenschaft hat hier durch Gutachten und Fallstudien auch Glaubwürdigkeit, ethisch wie methodisch, verspielt. Alles ist beweis- und dokumentierbar, sofern eine dementsprechende Frage- und Versuchsanord-nung es so will. Skalierte Daten sind durchaus nicht so neutral und empirisch wie sie scheinen. Kein Mythos ist hartnäckiger als der von der Objektivität. Sisyphos aber steht für den permanenten Kampf der Wissenschaft, ein Ringen, nicht ein Töten  mit dem und nicht gegen das Wissen und für die Wahrheit, notfalls auch durch eine List. Er höhnt den Göttern, die verabsolutieren und Gesetze erlassen, die ihr Handeln rechtfertigt und das der anderen stigmatisiert. Der Renitent duldet den Missbrauch nicht, der sich unweigerlich und immer von neuem stellt. Er rollt den Stein des Weisen.

Zurück zu Sisyphos am Ende des Steins. Gib niemals auf, lautet seine Botschaft. In Erich Frieds Gedicht heißt es:  „Was bleibt? Nichts als die Qual seine Qual überlebt zu haben.“

Erich Fried, Vorahnung des Endsiegs                                                           

Sisyphos

staubig

und satt

vom Mehl

seines Steines

hat Angst:

Der Stein

nützt sich ab

Die Sinnlosigkeit

der ewige

verfluchte

Sinn seiner Arbeit

selber

vom Fluch geschlagen

Kleiner

dem schwindenden Stein gleich

das Mitleid der Schatten

das ihm Kraft

zur Ohnmacht gegeben hat

Bald rollt nur

ein Kiesel

am geschundenen Steilhang

Was bleibt?

Nichts als die Qual

seine Qual

überlebt zu haben

Erich Fried

Was haben SarsCoV2 und Sisyphos, was die Nobelpreisträger Camus und Monod, was der russische Agrargenforscher Lyssenko und der bevorstehende Parlamentsbeschluss von Ausnahmegesetzen gemein? Wie verbinden sich die Gesetze der Evolution mit Zufall und Notwendigkeit und Virologie mit Politik?

Tizians Bild steht mir vor Augen. Am Anfang steht eigentlich nicht Sisyphos, sondern die Gier nach Leben. Jeder meint ihn zu kennen, den Mensch, der leidet, der unaufhaltsam Steine schleppt, der seinem Schicksal trotzt und dafür bestraft wird, der den Göttern Widerstand entgegenbringt und für seine Hybris büßt. Im Menschen scheinen Furcht und Strafe gut und in Wechselbeziehung verankert, anders kann man die grandiose Zustimmung von Mehrheiten zu offenkundigem Machtmissbrauch und die Akzeptanz von Diktatoren kaum deuten. Ertragen müssen wir sie doch, die Klugen die Dummen, die Reichen die aufsässigen Armen, das Volk ihre Herrscher, denen es laut Umfragen bereitwillig und nicht nur freiwillig folgt. Die Stigmatisierung erfährt der Aufbegehrende, Sisyphos eben.  Wir sind auch im Zeitalter der Aufklärung und der Mulitmedia zu passiven stummen Zeugen mutiert, handlungs- und denkohnmächtig, haben dem Mythos mehr Macht als der Wahrheit (präziser den Wahrheiten) gestattet. Sisyphos schleppt Steine, wir tragen Masken, beides symbolisch, allegorisch, mythisch. Genau genommen geht es um Mutation von Wahrheiten.

Kaum einer betrachtet den Mythos genauer. Er beginnt 1400 v. C. Übrigens eine Epoche der Pest, doch dies tut nichts zur Sache. Wir schauen auf ein Sternenbild, die Plejaden, das Siebengestirn. Sieben Schwestern sind es, eine davon heißt Merope. Sie ist die Tochter von Atlas, dem Titan, der trägt die Welt auf seinen Schultern, wo die Sonne untergeht, tief im Westen, wo auch das Reich des Thanatos ist, er wohnt also Tür an Tür mit dem Tod.  Es ist die Geschichte des Patriarchats und seines Untergangs. Genau genommen stammt auch Meropes Vater von den Titanen ab, diese von Uranos, der mit seiner Mutter Gaia schlief. Als Himmel und Erde sich in einem ersten inzestuösen Verhältnis vereinigten und das Meer zeugten, geschah Unrecht, denn Uranos sperrte alle Kinder, die er mit seiner Mutter zeugte fort, bis einer sich getraute, ihn zu entmannen (Kastrationsmythos) und in diesem ödipalen Konflikt die Zeit (Chronos) obsiegte. Kronos war der neue Herrscher, bis auch er einen Sohn zeugte, der ihn tötete oder zumindest entthronte, so will es der Lauf des Schicksals, den manche Evolution heißen.

In Sisyphos´ Zeit fällt der Kampf zwischen Göttern und Menschen, der recht ungleich und dessen Ausgang vorbestimmt ist. Sisyphos ist ein wenig schlauer als die anderen, schon sein Vater, der thessalische König Aiolos war es, nicht umsonst ist nach seinem Namen der Windgott benannt, der listig die Richtung zu ändern weiß, wenn es ihm nützt. Aiolos hat sieben Söhne, genau wie Uranos und Kronos vor ihm, sieben ist eine wichtige, ja mystische und mythische Zahl, auch im Christentum, wo sie nicht nur für die sieben Todsünden und die Genesis der Sieben Tage Schöpfung steht,  sondern auch in der Evolution, da ein Zellzyklus in sieben Jahren komplett abgeschlossen ist. Es bestehen folglich Analogien zwischen Mythos und Wissenschaft, die, wie Demokrit aufzeigt, durchaus noch nicht getrennte Wege gehen, auch die Religion ist zu dieser Zeit noch nicht emanzipiert, sondern ein integraler Teil des Ganzen.

Sisyphos ist schlau. Nicht nur, dass er das Prinzip der Promiskuität erfüllt, das nachweislich besser für die Verbreitung von Erbgut taugt als die wesentlich jüngere (kulturelle) als auch physische (biologische)  Evolution der Monogamie. Um seine vielen Frauengeschichten nicht zu verwirren, bleiben wir bei seiner Gemahlin Merope. Eine seiner Eskapaden führt ihn  zur Antikleia, die ihm Odysseus gebärt, den Adorno als den homo oeconomicus bezeichnet, der Triumph der als Vernunft getarnten List des Nutzens über den moralischen Makel. Sisyphos, so lehrt der Mythos, setzt folglich durch List und Lüge bereits Herrschaft und verändertes Erbgut in Umlauf.

Wie kommt es zum Betrug durch Beischlaf mit der künftigen Königstochter? Als der schlauste Dieb Autolykos, Sohn des Götterboten Hermes, seine Schafe stiehlt, markiert er seine Herde, so wie man heute Peilsender oder digitale trojanische Viren aussendet, um den Feind auszuspionieren. Mit dieser, zugegeben archaischen, List vermag Sisyphos den Dieb zu stellen und seine Tochter verführen, eben Antikleia. Weil schon in der Antike, also auch auf den Peloponnes, Kapital und Diebstahl gut miteinander harmonierten, gelingt es dem durch Diebstahl zu Reichtum gekommenen Dieb, seine schwangere Tochter meistbietend mit den lokalen König von Thessalien zu vermählen. Geld heiratet eben Geld, damals schon und fort war Antkleia mit Odysseus in ihrem Leib.

Sisyphos kehrt zurück zu Merope (dem eigentlichen Schaf, das blind sein will) und auf dem Weg sieht er, wie Schwerenöter und Göttervater Zeus die keusche Aigina entführt auf dem Korinthischen Isthmus (besser bekannt als Golf von Korinth). Er verrät es dem aufgebrachten Vater, der zwar nicht die Jungfräulichkeit seiner Tochter zu verhindern, diese aber von der nach ihr benannten Insel zurückzuholen weiß. Mit seiner errungenen Gunst will Sisyphos nun den eigenen Bruder Salmoneus töten, um König von Elis zu werden und nicht nur von Korinth zu bleiben. Zeus in Rage, verhindert dies, aber nicht aus Sympathie zu dem Rivalen, denn diesen tötet er selbst, weil Salmoneus allzu offensichtlich wie ein Gott gebärt und nach den Sternen greift. Wie Machiavelli treffend sagt: Willst du herrschen, musst du töten lernen. Wörtlich heißt es in „Il principe“: „Jemand, der es darauf anlegt, in allen Dingen moralisch gut zu handeln, muss unter einem Haufen, der sich daran nicht kehrt, zu Grunde gehen.“ Der Philosoph spricht vom Gesetz der Anpassung und nimmt damit den Manchester-Liberalismus vorweg, den vielen als Raubtierkapitalismus ein Begriff ist. Auch wenn es den weder in der Renaissance noch in der Antike gab, so wirkt das archaische Prinzip offenkundig, wie der Plan der Evolution (sofern es einer ist, sich selbst zu erhalten und zu vermehren) dokumentiert.

Zeus, über den Verrat und menschliches Verhalten zur Eigenmacht empört, führt den Renitenten Thanatos zu. Zweimal schafft es dieser Mensch, wie nach ihm Herakles, Odysseus und vor allem Orpheus, den Tod zu überlisten, aber nur er kann Thanatos im tiefesten Schlund des Todesreiches Hades von der Schippe springen. Einmal betäubt er seinen Wärter mit Wein, einmal durch Hypnose. Denn Thantaos ist der gnädige Tod, der beispielsweise Krieger auf dem Schlachtfeld heimführt (in Germanien Walhalla) er ist ganz und gar nicht gewalttätig wie seine Schwester Ker; er ist nicht der Schlaf (das Unbewusste) wie Hypnos und auch nicht der Traum Morpheus, seine beiden Brüdern. Er wohnt am Eingang des Tartaros, der Unterwelt und wird daher nicht selten mit dem Unbewussten und Unbekannten gleichgesetzt, vor dem sich Erkennen und Bewusstsein fürchten.

Die einen setzen ihn mit Chaos gleich, die anderen halten Thanatos für einen Sohn desselben mit Gaia, alt ist er in jedem Fall, älter als die herrschenden Götter wie Zeus. In Platons Dialog „Gorgias“ belehrt Sokrates seinen Widerredner, der das Gesetz der Stärkeren vertritt, über das Gesetz der Redlichen, also der Guten und der Wahrheit Dienenenden; es sei stärker und verhindere eine ungerechte Bestrafung, für die Thanatos zuständig sei. Sagen wir also, er ist der gute, gnädige, vielleicht sogar der Gerechtigkeit übende Tod. Vielleicht ahnten die Hellenen, dass der Tod nicht immer gerecht und die Götter nicht immer ethisch handeln, da sie ihrer eigenen Moral folgen, die der Mensch nicht kennt, aber in sich trägt wie einen Virus, der zur Mutation und dann zum Ausbruch gelangt, wenn die äußeren Bedingungen sich ändern. Man muss wie im Fall von Sars 2013 seine Vorgeschichte, die von Sars 2002 kennen. Familienaufstellung, bezogen auf Virologie. Der Vorgängervirus von Corona forderte „nur“ 774 Tote, vornehmlich in China, verlief epidemisch und nicht pandemisch.

Sisyphos überlistet den Tod, doch der Fluch des Blutes – heute würde man vielleicht der Gene dazu sagen – ist stärker. Immerhin stammt er in weiter Vorzeit von Ino ab, deren Schicksal es ist, Schwester der Semele zu sein, jener irdischen Schönheit, die Zeus verwirrt und ihm, nachdem er sie verführt hat, Dionysos, den Gott der Schmerzen und des Rausches, aber auch des Wahns, gebiert. Nachdem Semele durch die List der eifersüchtigen Gattin des Zeus Hera, vom Blitz getroffen worden ist und Zeus das Kind (seine Schenkelgeburt antizipiert Zangengeburt und Kaiserschnitt) zur Welt gebracht hat, sichert Ino als Amme für das Überleben des Kindes, dass es flüchten und den Zorn Heras entkommen kann. Inos Schicksal: sie wird mit Wahn gestraft, tötet ihr leibliches Kind und springt, als sie es erkennt, mit dem Toten ins Meer, natürlich am Golf von Isthmus. Geschichte wiederholt sich. Unbestimmte Zeit später erblickt ihr Nachfahre Sisyphos den Raub der Menschentochter durch Zeus, der sich partout nicht moralisieren lassen will. Jede Autorität versteht es, das Recht auf seine Seite zu ziehen, vor allem, wenn Gewaltenteilung noch ein Stolperstein ist.

Nach seinem ersten Entkommen aus dem Reich des Todes gibt Sisyphos  der Gemahlin Merope den Auftrag, ihn nicht zu begraben, was dazu führt, dass Thanatos den Unbestatteten wieder auf die Erde entlassen muss, die Bestrafung muss erneut vertagt werden, weil der Tod bereits nicht mehr allmächtig ist. Sisyphos, der Ahn des Odysseus, dessen List gleichfalls mit Schafen die Herrschaft der Titanen bricht, beginnt das Leben in vollen Zügen zu genießen, ja er spottet der Götter. Das muss sich rächen und so stirbt er am Ende nie, sondern muss leiden, lebenslang wie die postmoderne Gesellschaft, deren Gier nach Leben sich überlebt hat. Die Geschichte vom Sündenfall ist alt, sie kommt auch im Christentum vor und handelt vom Essen der verbotenen Früchte. Tantalos, gleichfalls ein Sohn des Zeus, wenn man so will, Gottes Adam, wurde gleichfalls übermütig und musste ewig Hunger oder Durst erleiden, weil ihm, immer wenn er der Erlösung (der Stillung seiner Begierden) nahekam, die Frucht des Lebens entrissen wurde. Geschichten über Strafe beginnen immer mit einer imaginären Schuld und diese mit dem Herausfall aus dem Stadium der Unwissenheit. Die gesamte Genesis, nicht nur die biblische, basiert auf Erkenntnis und Missbrauch der selbigen. Immer gab es Gesetze, die Unrecht legitimierten.

Erkennen. Annehmen. Revolte. So hat es Camus formuliert, Schnellfeuergewehr eines überzeugten Pazifisten. Wir folgen der absurden Logik anstelle der Logik des Absurden. So die Abbreviatur seiner Philosophie. Bezogen auf Sisyphos: Wir müssen uns ihn als einen glücklichen Menschen vorstellen. Das erlaubt drei Sichtweisen. Erstens: der Mensch, der dienen darf, eine Aufgabe hat und leiden kann, ist glücklich. Könnte so sein, wenn man den Gehorsam und die Bereitwilligkeit mancher Menschen im Kreislauf des homo oeconomicus in Augenschein nimmt. Zweitens: Wir sollten daran glauben, dass er glücklich ist und ein happy end sich nur unserer Vorstellung(skraft) entzieht. Könnte so sein, wenn man den Optimismus eines „Yes we can“ und dem Gerede „Wir schaffen das“ Folge leistet. Schon Blochs Prinzip Hoffnung sah sich verkürzt auf die Maxime: „Unsere Enkel fechten´s besser aus.“  Drittens: das Glück könnte in der kurzweiligen Befreiung (oder Vorstellung) von einem als Ist-Zustand empfundenen Soll Werden Prinzip bestehen. Anders ausgedrückt: es ist ein Glück der Revolte, des Aufbegehrens, nicht des Habens. Es ist ein Glück des Kampfes, nicht des Krieges und ein Glück  der Solidarität mit dem Leben anstelle des reinen Ich überlebe egal wie  – Instinkts.

Keine Macht der Furcht vor dem Tod oder Todesszenarien, gebraucht eine List wie Sisyphos, der zweimal dem Tod von der Schippe sprang, weil er Eros dem Thanatos vorzog. Sagt Ja zum Leben und Nein zum Verzicht darauf. Leicht missbrauchbar, wenn es interpretiert wird als verantwortungslos. Das Gegenteil ist gemeint. Schaut auf die Entwicklung, das Gesetz des Lebens, des Schicksals der Evolution und dem des Wandels.

Monod, Mikrobiologe, Nobelpreisträger, Hugenotte, lernt Camus als Mitglied der Résistance kennen. Überzeugt von der Konvergenz der Biologie mit der Philosophie, der Natur- mit der Geisteswissenschaft, schreibt er in „Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der Biologie“ (deutsch 1971), dass die Welt des dialektischen Materialismus auf Demokrit (der nicht der Begründer der Demokratie ist, sondern der atomisierten Welt), basiert. Auch Karl Marx promovierte über Demokrit, der postuliert: „Alles, was existiert, hängt von Zufall oder Notwendigkeit ab. Zwischen diesen beiden Prinzipien ist nichts.“  Früher glaubte man, Atome bildeten die kleinsten unzerteilbaren Bestandteile des Lebens. Bis heute erfährt die Elementarkultur eine grandiose Zerstückelung in Minaturisierungs-Parzellen; selbst die Zelle und die Proteine sind Makrosturktur. Vergleichbar ist der Handel, parzelliert in Teilmärkte bis hin zum Bitcom. Vergleichbar sind die Gesetze: kam Moses noch mit zehn vom Berg, zudem auf Tafel geschrieben, sind es heute unzählige Bücher, Paragraphen und nicht einmal gedruckt, ein Palimpsest, die durch Schaben, Waschen oder Reiben wieder leserlich gemacht werden könnte. Spezialisierte Spezialisten kümmern sich darum, die Minuskel lesbar zu gestalten, Übersetzer gestalten sie dann legal, das von letal nur durch einen Buchstaben getrennt wird. Wir sterben uns zu Tode.

Monods Verdienst liegt darin, diese in der Philosophie (z.B. Hegels, den Marx invertiert) angewandten Prinzipien auf die Biologie zu transformieren: Zufall ist nun in evolutionärer Sprache Mutation, Notwendigkeit Selektion. Dabei unterscheidet er die physische Ordnung, in der durchaus Zufall (Chaos) herrscht, die selbst Darwins Gesetz nicht grundsätzlich in Abrede stellt, und die kulturelle Ordnung  (logos), die auf Eingriff und damit auf Selektion beruht. Nun könnte man glauben, der Zufall, die Natur als Mechanismus einem blinden Uhrmacher zu vergleichen (wie es Evolutionsbiologe Richard Dawkins 1987 unternimmt) generiere mehr Schaden (interpretiert als Katastrophen) als ein gewollter, steuerbarer Prozess. Die Utliatristen scheinen zu triumphieren. Dies gilt jedoch nur, wenn Intelligenz (eine Form der Mutation) sich als Vorteil für  das gesamte System und nicht nur eine Nische (homo oeconomicus) erweist.

Man könnte glauben, das Milieu entscheide, welche Mutationen erfolgreich sind und welche nicht, doch wenn Anpassung (Assimilation) das biologische Milieu verdrängt (als Sekundärsubstanz), dann kann die Entropie, die Vermischung, Transformation und Energieerhaltung nicht mehr wirken. Das System entgleitet, schlägt zurück, wendet sich gegen den Wirt (Mensch): unter unnatürlichen Lebensbedingungen können auch die natürlichen Mechanismen nicht mehr greifen. Dann kommt es zur Panik oder zu gesetzlich angeordneten Notstandsverordnungen; legitim, legal und letal sind Synonyme geworden. Sisyphos kann nachträglich der Prozess gemacht werden.

Monod erhielt für seine mikro-biologischen Erkenntnisse den Nobelpreis. Er tritt für die Wahrheit, daher für die Skepsis, ein – und bezieht sich auf den griechischen Helden des Widerstands. Bezogen auf die Virologie heißt das, es gibt zwei Arten von Viren, die bekanntermaßen älter als Bakterien und damit auch älter als Leben sind; Bakterien sind eine von drei Lebensformen, die selbständig generieren, was der Virus (noch) nicht kann . Es gibt die genetisch hochvariable Mutation, die wie im Fall von Sars sich laufend verändert (insofern kann es keinen dauerhaften Impfstoff geben, weil sich Sars CoV 2 rasch zu 3 und 4 transformieren wird) und es gibt Viren, die durch den externen Einfluss verändert werden. Natürlich sprach Monod nicht von Corona, er sprach von Viren generell. Natürlich sprach er nicht von Panik und Epidemie, sondern von wiederkehrenden Mutationen, die mitunter für eine Generation gefährlich und schädlich sind, aber langfristig für ein natürliches biologisches Gleichgewicht sorgen. Er sprach und schrieb ähnlich wie Camus von Naturgesetzen, die nicht der Wirtschaft oder dem politischen Selbsterhaltungstrieb folgen. Er sprach von Sisyphos als Verkörperung der Renitenz analog eines Virus, der sich notfalls listreich verwandelt, verstellt, so dass er nicht erkannt wird und überlebt, sofern ein Virus, der ja nicht lebendig ist, diese Sprache überhaupt erlaubt.

Wer würde bezweifeln, dass unsere Welt durch z.B. Feinstaub, Pestizid und Klimaveränderung heute ein anderes Mikroklima besitzt als vor der industriellen Zeit, ja vor des Menschen Eingriff überhaupt? Die Invasion an Chemie und unwillentlich frei gesetzen, teilweise auch bewusst erzeugten toxischen Stoffen hat eine vielleicht nie genau feststellbare und schon gar nicht monokausal (monotheistisch) rückführbare Fehlerkette (pardon Eiweißkette) nach sich gezogen, doch die Mutation von Nukleinsäuren und Proteinen, die Veränderung von DNA und vordem RNA (diese geht der DNA immer voraus) kann niemand in Frage stellen, der über gesunden Menschenverstand verfügt. Menschen, die Gottes Schöpfungsplan aus der Bibel ablesen ausgenommen, die mögen von gewollter und planvoller Selektion sprechen und in der Natur ein unabänderlich vorprogrammiertes Uhrwerk sehen, das vielleicht auch nicht die fünf vor Zwölf – Zeigerstellung kennt.

Ohne in die Feinheiten des Feinstaubs einzusteigen, über die sich streng genommen nicht einmal die Virologen bzw. Mikrobiologen einig sind, gilt die Feststellung: Zellwachstum ist abhängig vom Milieu (Umwelteinflüsse), weshalb es Mutationen geben wird und muss; das hat Demokrit bereits erkannt, ohne die Welt unter das Mikroskop legen zu können. Marx hat aus ihm geschlossen, dass die kleinsten Einheiten die größten Veränderungen vornehmen und gehofft, dass Bürger den Staat bzw. die Staatsform bestimmen. Monod hat für die Enzymforschung abgeleitet, dass nicht nur Proteine Leben erzeugen, sondern bereits die Viren universelle Bausteine des Lebens sind, ohne selbst Zellen zu besitzen, folglich die Funktion von Aminosäureketten bereits beherrschen. Bakterien sind zellkernlos, doch selbsterzeugter Teil des menschlichen Organismus mit seinem Zellkern, für den die Evolution eine gefühlte Ewigkeit gebraucht hat, Viren sind archaischer Schleim, der infektiös von außen, also dem Milieu, zugeführt wird (mal tröpfchenweise eingeatmet bzw. ausgespuckt, mal in anderer Form verabreicht): sie haben keinen Stoffwechsel und deshalb auch kein eigenständiges Leben, keine Energieerzeugung, keine Proteine, dafür bedürfen sie einen Wirt. 

Das Wissen über Viren ist wie im Grunde jede Wahrheit weder abgeschlossen noch absolut, es ist offen (wie eine offene Gesellschaft) und nicht persistierend, sondern hat eine rasend kurze Haltbarkeit. Was aber kolportiert wird ist: es gibt ein Virus X und ein Mittel Y und eine Wirkung Z; eine Gleichung mit im Grunde drei Unbekannten, so Monod. Für diese Erkenntnis erhielt er einen Nobelpreis, etwa zu der Zeit, als ich geboren wurde. Heute scheint sich das unerfreuliche Zweckbündnis aus Politik, Wissenschaft und Schweige- oder Zustimmungsspirale gegen ihn auszusprechen. Es verfährt, als lasse sich einem Virus durch Verordnungen beikommen, als wüssten wir bereits, wie er wirkt, als wäre unser Milchstraßensystem in Stein gegossen, nichts in Bewegung, nichts zufällig, alles notwendig und in der Not liegt auch der Fall (begraben). Dabei ist selbst der Blick in den Sternenhimmel trügerisch, weil zeitversetzt. Vielleicht besaßen die Plejaden mehr Geschwister und vielleicht schleppt Sisyphos gar keine Steine, sondern Kohlköpfe. Intelligenz, so Monod, könnte sich evolutionär als Nachteil erweisen.

Sisyphos bleibt immer unterwegs, dieser Nomade des Wissens, der keine Wahrheiten duldet, keine Ewigkeiten kennt und damit den Göttern trotzt oder sie leugnet. Jaques Lucien Monod lernte Camus während des gemeinsamen Kampfes in der Résistance kennen. Die Revolte endet nie. Auf den Terror der Deutschen folgte der der Russen und auf den anderer, wie ein Virus. Monot brach mit der Partei, als sich herausstellte, dass die Wissenschaft mit den Mächtigen paktierte und nicht Wissen, sondern Mythen vorantrieb. Ein gewisser stalintreuer Lyssenko (er starb wie Monod 1976) postulierte, Gene sind die Folgen der Umwelt und damit Intelligenz eine Frage der politischen Kultur. Seine falschen Thesen wurden getragen, weil die Wissenschaftler nicht wagten, den Günstling Stalins zu widersprechen, wider besseren Wissens wiederlegten sie ihn nicht. Lyssenkos Methoden führten unter staatlicher Duldung zum Niedergang der russischen Agrarkultur; seine Pseudo-Wissenschaft, die nicht überprüfen und Hypothesen nicht verifizieren wollte, führte zu Missernten, Hunger und sogar Seuchen. Sie wurden Verschwörern und Saboteuren zugeschrieben, der Bock zum Gärtner gemacht. Lyssenko ist kein russisches Phänomen, warnte Monod.  In seinem Buch „Le hasard etla nécessité“,  das zwischen Philosophie und Biologie oszilliert, schreibt er über Sisyphos: „Es ist an ihm, zwischen dem Licht und der Finsternis, zwischen der Wahrheit und dem Mythoszu wählen.“

Monod ist ein Vertreter der Dysgenetik, die gerne mit Eugenetik und diese mit dem Dritten Reich und Rassenhygiene verwechselt oder in einem Atemzug genannt wird. Nachdem uns der Fortschrittsmythos jahrhundertelang suggerierte (auch, weil der Mensch es sich hat einreden lassen wollen), dass nur das gute oder zumindest systemisch angepasste Erbgut überlebt, war er einer der ersten, die, ausgehend von der Dialektik des historischen Materialismus auch einen schädigenden Einfluss auf die Evolution voraussahen oder besser zur Kenntnis nahmen. Philosophisch konvergiert dies mit Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, in der Platon und Hegel als Vordenker des Totalitarismus und auch Marx´ als Wegbereiter einer fehlgeleiteten Ideologie angegriffen werden, vor allem weil sie ewige Wahrheiten beanspruchen. Auch sie vertraten das Recht, Gesetze notfalls über Nacht zu ändern. Alle wähnten sie das Recht auf ihrer Seite, wie Machiavelli es ihnen bot: Systemkonformität.

Davon mag man halten, was man will, ein Fakt ist unwiderlegbar: Es überleben im Gegensatz zur Natur, der sich der Mensch nicht nur entfremdet, sondern auch weitgehend entzogen hat, auch die Schwachen, besonders im Krieg, es überleben die Kranken und vielleicht sogar Degenerierten bei der Unterlassung von eugenetischen Maßnahmen. Diese sollen nicht gerechtfertigt werden, eine Diskussion erscheint angesichts der Vorbelastung und des erfolgten politisch ideologischen Missbrauchs deplatziert, doch biologisch ist offenkundig, dass sich die Natur um Moral oder Ethik nicht kümmert. Wie es Max Frisch so treffend formuliert: „Die Natur kennt keine Katastrophen, einzig der Mensch (der sie erzeugt), sofern er sie überlebt, kennt die Katastrophe“.  Konrad Lorenz sprach von der schädigenden Wirkung auf unser Erbgut durch permanente Domestizierung und Zivilisierung, er nannte den Prozess in „Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung“ Verhaustierung. Gemeint ist: der Mensch schwächt sein Immunsystem, einerseits, indem er sich nicht abhärtet und andererseits durch Veränderung seines natürlichen Milieus.

Der Virus lenkt die Aufmerksamkeit ab vom Großen und Ganzen, von essentiellen Problemen und möglichen Ursachen. Feinstaubbelastung der Umwelt greift in die Natur ein in die natürliche Balance, z. B. durch elektromagnetische Strahlung, verändern Erbgut, also Proteinketten. Dass Krankheiten wie Krebs auch durch Umweltbelastung wie Glyphosphat, das auch nach Bekanntgabe alarmierender Werte massenweise in der Agrarindustrie Einsatz findet oder Smogbildung in den Großstädten durch ein Übermaß an Verkehr begünstigt wird, kann der gesunde Menschenverstand nicht in Frage stellen. Zunächst starben aber nur die Bienen, also schwiegen wir. Wissenschaft hat hier durch Gutachten und Fallstudien auch Glaubwürdigkeit, ethisch wie methodisch, verspielt. Alles ist beweis- und dokumentierbar, sofern eine dementsprechende Frage- und Versuchsanord-nung es so will. Skalierte Daten sind durchaus nicht so neutral und empirisch wie sie scheinen. Kein Mythos ist hartnäckiger als der von der Objektivität. Sisyphos aber steht für den permanenten Kampf der Wissenschaft, ein Ringen, nicht ein Töten  mit dem und nicht gegen das Wissen und für die Wahrheit, notfalls auch durch eine List. Er höhnt den Göttern, die verabsolutieren und Gesetze erlassen, die ihr Handeln rechtfertigt und das der anderen stigmatisiert. Der Renitent duldet den Missbrauch nicht, der sich unweigerlich und immer von neuem stellt. Er rollt den Stein des Weisen.

Zurück zu Sisyphos am Ende des Steins. Gib niemals auf, lautet seine Botschaft. In Erich Frieds Gedicht heißt es:  „Was bleibt? // Nichts als die Qual / seine Qual / überlebt zu haben.“

Erich Fried, Vorahnung des Endsiegs                                                             

Sisyphos

staubig

und satt

vom Mehl

seines Steines

hat Angst:

Der Stein

nützt sich ab

Die Sinnlosigkeit

der ewige

verfluchte

Sinn seiner Arbeit

selber

vom Fluch geschlagen

Kleiner

dem schwindenden Stein gleich

das Mitleid der Schatten

das ihm Kraft

zur Ohnmacht gegeben hat

Bald rollt nur

ein Kiesel

am geschundenen Steilhang

Was bleibt?

Nichts als die Qual

seine Qual

überlebt zu haben

Erich Fried


Was haben SarsCoV2 und Sisyphos, was die Nobelpreisträger Camus und Monod, was der russische Agrargenforscher Lyssenko und der bevorstehende Parlamentsbeschluss von Ausnahmegesetzen gemein? Wie verbinden sich die Gesetze der Evolution mit Zufall und Notwendigkeit und Virologie mit Politik?

Tizians Bild steht mir vor Augen. Am Anfang steht eigentlich nicht Sisyphos, sondern die Gier nach Leben. Jeder meint ihn zu kennen, den Mensch, der leidet, der unaufhaltsam Steine schleppt, der seinem Schicksal trotzt und dafür bestraft wird, der den Göttern Widerstand entgegenbringt und für seine Hybris büßt. Im Menschen scheinen Furcht und Strafe gut und in Wechselbeziehung verankert, anders kann man die grandiose Zustimmung von Mehrheiten zu offenkundigem Machtmissbrauch und die Akzeptanz von Diktatoren kaum deuten. Ertragen müssen wir sie doch, die Klugen die Dummen, die Reichen die aufsässigen Armen, das Volk ihre Herrscher, denen es laut Umfragen bereitwillig und nicht nur freiwillig folgt. Die Stigmatisierung erfährt der Aufbegehrende, Sisyphos eben.  Wir sind auch im Zeitalter der Aufklärung und der Mulitmedia zu passiven stummen Zeugen mutiert, handlungs- und denkohnmächtig, haben dem Mythos mehr Macht als der Wahrheit (präziser den Wahrheiten) gestattet. Sisyphos schleppt Steine, wir tragen Masken, beides symbolisch, allegorisch, mythisch. Genau genommen geht es um Mutation von Wahrheiten.

Kaum einer betrachtet den Mythos genauer. Er beginnt 1400 v. C. Übrigens eine Epoche der Pest, doch dies tut nichts zur Sache. Wir schauen auf ein Sternenbild, die Plejaden, das Siebengestirn. Sieben Schwestern sind es, eine davon heißt Merope. Sie ist die Tochter von Atlas, dem Titan, der trägt die Welt auf seinen Schultern, wo die Sonne untergeht, tief im Westen, wo auch das Reich des Thanatos ist, er wohnt also Tür an Tür mit dem Tod.  Es ist die Geschichte des Patriarchats und seines Untergangs. Genau genommen stammt auch Meropes Vater von den Titanen ab, diese von Uranos, der mit seiner Mutter Gaia schlief. Als Himmel und Erde sich in einem ersten inzestuösen Verhältnis vereinigten und das Meer zeugten, geschah Unrecht, denn Uranos sperrte alle Kinder, die er mit seiner Mutter zeugte fort, bis einer sich getraute, ihn zu entmannen (Kastrationsmythos) und in diesem ödipalen Konflikt die Zeit (Chronos) obsiegte. Kronos war der neue Herrscher, bis auch er einen Sohn zeugte, der ihn tötete oder zumindest entthronte, so will es der Lauf des Schicksals, den manche Evolution heißen.

In Sisyphos´ Zeit fällt der Kampf zwischen Göttern und Menschen, der recht ungleich und dessen Ausgang vorbestimmt ist. Sisyphos ist ein wenig schlauer als die anderen, schon sein Vater, der thessalische König Aiolos war es, nicht umsonst ist nach seinem Namen der Windgott benannt, der listig die Richtung zu ändern weiß, wenn es ihm nützt. Aiolos hat sieben Söhne, genau wie Uranos und Kronos vor ihm, sieben ist eine wichtige, ja mystische und mythische Zahl, auch im Christentum, wo sie nicht nur für die sieben Todsünden und die Genesis der Sieben Tage Schöpfung steht,  sondern auch in der Evolution, da ein Zellzyklus in sieben Jahren komplett abgeschlossen ist. Es bestehen folglich Analogien zwischen Mythos und Wissenschaft, die, wie Demokrit aufzeigt, durchaus noch nicht getrennte Wege gehen, auch die Religion ist zu dieser Zeit noch nicht emanzipiert, sondern ein integraler Teil des Ganzen.

Sisyphos ist schlau. Nicht nur, dass er das Prinzip der Promiskuität erfüllt, das nachweislich besser für die Verbreitung von Erbgut taugt als die wesentlich jüngere (kulturelle) als auch physische (biologische)  Evolution der Monogamie. Um seine vielen Frauengeschichten nicht zu verwirren, bleiben wir bei seiner Gemahlin Merope. Eine seiner Eskapaden führt ihn  zur Antikleia, die ihm Odysseus gebärt, den Adorno als den homo oeconomicus bezeichnet, der Triumph der als Vernunft getarnten List des Nutzens über den moralischen Makel. Sisyphos, so lehrt der Mythos, setzt folglich durch List und Lüge bereits Herrschaft und verändertes Erbgut in Umlauf.

Wie kommt es zum Betrug durch Beischlaf mit der künftigen Königstochter? Als der schlauste Dieb Autolykos, Sohn des Götterboten Hermes, seine Schafe stiehlt, markiert er seine Herde, so wie man heute Peilsender oder digitale trojanische Viren aussendet, um den Feind auszuspionieren. Mit dieser, zugegeben archaischen, List vermag Sisyphos den Dieb zu stellen und seine Tochter verführen, eben Antikleia. Weil schon in der Antike, also auch auf den Peloponnes, Kapital und Diebstahl gut miteinander harmonierten, gelingt es dem durch Diebstahl zu Reichtum gekommenen Dieb, seine schwangere Tochter meistbietend mit den lokalen König von Thessalien zu vermählen. Geld heiratet eben Geld, damals schon und fort war Antkleia mit Odysseus in ihrem Leib.

Sisyphos kehrt zurück zu Merope (dem eigentlichen Schaf, das blind sein will) und auf dem Weg sieht er, wie Schwerenöter und Göttervater Zeus die keusche Aigina entführt auf dem Korinthischen Isthmus (besser bekannt als Golf von Korinth). Er verrät es dem aufgebrachten Vater, der zwar nicht die Jungfräulichkeit seiner Tochter zu verhindern, diese aber von der nach ihr benannten Insel zurückzuholen weiß. Mit seiner errungenen Gunst will Sisyphos nun den eigenen Bruder Salmoneus töten, um König von Elis zu werden und nicht nur von Korinth zu bleiben. Zeus in Rage, verhindert dies, aber nicht aus Sympathie zu dem Rivalen, denn diesen tötet er selbst, weil Salmoneus allzu offensichtlich wie ein Gott gebärt und nach den Sternen greift. Wie Machiavelli treffend sagt: Willst du herrschen, musst du töten lernen. Wörtlich heißt es in „Il principe“: „Jemand, der es darauf anlegt, in allen Dingen moralisch gut zu handeln, muss unter einem Haufen, der sich daran nicht kehrt, zu Grunde gehen.“ Der Philosoph spricht vom Gesetz der Anpassung und nimmt damit den Manchester-Liberalismus vorweg, den vielen als Raubtierkapitalismus ein Begriff ist. Auch wenn es den weder in der Renaissance noch in der Antike gab, so wirkt das archaische Prinzip offenkundig, wie der Plan der Evolution (sofern es einer ist, sich selbst zu erhalten und zu vermehren) dokumentiert.

Zeus, über den Verrat und menschliches Verhalten zur Eigenmacht empört, führt den Renitenten Thanatos zu. Zweimal schafft es dieser Mensch, wie nach ihm Herakles, Odysseus und vor allem Orpheus, den Tod zu überlisten, aber nur er kann Thanatos im tiefesten Schlund des Todesreiches Hades von der Schippe springen. Einmal betäubt er seinen Wärter mit Wein, einmal durch Hypnose. Denn Thantaos ist der gnädige Tod, der beispielsweise Krieger auf dem Schlachtfeld heimführt (in Germanien Walhalla) er ist ganz und gar nicht gewalttätig wie seine Schwester Ker; er ist nicht der Schlaf (das Unbewusste) wie Hypnos und auch nicht der Traum Morpheus, seine beiden Brüdern. Er wohnt am Eingang des Tartaros, der Unterwelt und wird daher nicht selten mit dem Unbewussten und Unbekannten gleichgesetzt, vor dem sich Erkennen und Bewusstsein fürchten.

Die einen setzen ihn mit Chaos gleich, die anderen halten Thanatos für einen Sohn desselben mit Gaia, alt ist er in jedem Fall, älter als die herrschenden Götter wie Zeus. In Platons Dialog „Gorgias“ belehrt Sokrates seinen Widerredner, der das Gesetz der Stärkeren vertritt, über das Gesetz der Redlichen, also der Guten und der Wahrheit Dienenenden; es sei stärker und verhindere eine ungerechte Bestrafung, für die Thanatos zuständig sei. Sagen wir also, er ist der gute, gnädige, vielleicht sogar der Gerechtigkeit übende Tod. Vielleicht ahnten die Hellenen, dass der Tod nicht immer gerecht und die Götter nicht immer ethisch handeln, da sie ihrer eigenen Moral folgen, die der Mensch nicht kennt, aber in sich trägt wie einen Virus, der zur Mutation und dann zum Ausbruch gelangt, wenn die äußeren Bedingungen sich ändern. Man muss wie im Fall von Sars 2013 seine Vorgeschichte, die von Sars 2002 kennen. Familienaufstellung, bezogen auf Virologie. Der Vorgängervirus von Corona forderte „nur“ 774 Tote, vornehmlich in China, verlief epidemisch und nicht pandemisch.

Sisyphos überlistet den Tod, doch der Fluch des Blutes – heute würde man vielleicht der Gene dazu sagen – ist stärker. Immerhin stammt er in weiter Vorzeit von Ino ab, deren Schicksal es ist, Schwester der Semele zu sein, jener irdischen Schönheit, die Zeus verwirrt und ihm, nachdem er sie verführt hat, Dionysos, den Gott der Schmerzen und des Rausches, aber auch des Wahns, gebiert. Nachdem Semele durch die List der eifersüchtigen Gattin des Zeus Hera, vom Blitz getroffen worden ist und Zeus das Kind (seine Schenkelgeburt antizipiert Zangengeburt und Kaiserschnitt) zur Welt gebracht hat, sichert Ino als Amme für das Überleben des Kindes, dass es flüchten und den Zorn Heras entkommen kann. Inos Schicksal: sie wird mit Wahn gestraft, tötet ihr leibliches Kind und springt, als sie es erkennt, mit dem Toten ins Meer, natürlich am Golf von Isthmus. Geschichte wiederholt sich. Unbestimmte Zeit später erblickt ihr Nachfahre Sisyphos den Raub der Menschentochter durch Zeus, der sich partout nicht moralisieren lassen will. Jede Autorität versteht es, das Recht auf seine Seite zu ziehen, vor allem, wenn Gewaltenteilung noch ein Stolperstein ist.

Nach seinem ersten Entkommen aus dem Reich des Todes gibt Sisyphos  der Gemahlin Merope den Auftrag, ihn nicht zu begraben, was dazu führt, dass Thanatos den Unbestatteten wieder auf die Erde entlassen muss, die Bestrafung muss erneut vertagt werden, weil der Tod bereits nicht mehr allmächtig ist. Sisyphos, der Ahn des Odysseus, dessen List gleichfalls mit Schafen die Herrschaft der Titanen bricht, beginnt das Leben in vollen Zügen zu genießen, ja er spottet der Götter. Das muss sich rächen und so stirbt er am Ende nie, sondern muss leiden, lebenslang wie die postmoderne Gesellschaft, deren Gier nach Leben sich überlebt hat. Die Geschichte vom Sündenfall ist alt, sie kommt auch im Christentum vor und handelt vom Essen der verbotenen Früchte. Tantalos, gleichfalls ein Sohn des Zeus, wenn man so will, Gottes Adam, wurde gleichfalls übermütig und musste ewig Hunger oder Durst erleiden, weil ihm, immer wenn er der Erlösung (der Stillung seiner Begierden) nahekam, die Frucht des Lebens entrissen wurde. Geschichten über Strafe beginnen immer mit einer imaginären Schuld und diese mit dem Herausfall aus dem Stadium der Unwissenheit. Die gesamte Genesis, nicht nur die biblische, basiert auf Erkenntnis und Missbrauch der selbigen. Immer gab es Gesetze, die Unrecht legitimierten.

Erkennen. Annehmen. Revolte. So hat es Camus formuliert, Schnellfeuergewehr eines überzeugten Pazifisten. Wir folgen der absurden Logik anstelle der Logik des Absurden. So die Abbreviatur seiner Philosophie. Bezogen auf Sisyphos: Wir müssen uns ihn als einen glücklichen Menschen vorstellen. Das erlaubt drei Sichtweisen. Erstens: der Mensch, der dienen darf, eine Aufgabe hat und leiden kann, ist glücklich. Könnte so sein, wenn man den Gehorsam und die Bereitwilligkeit mancher Menschen im Kreislauf des homo oeconomicus in Augenschein nimmt. Zweitens: Wir sollten daran glauben, dass er glücklich ist und ein happy end sich nur unserer Vorstellung(skraft) entzieht. Könnte so sein, wenn man den Optimismus eines „Yes we can“ und dem Gerede „Wir schaffen das“ Folge leistet. Schon Blochs Prinzip Hoffnung sah sich verkürzt auf die Maxime: „Unsere Enkel fechten´s besser aus.“  Drittens: das Glück könnte in der kurzweiligen Befreiung (oder Vorstellung) von einem als Ist-Zustand empfundenen Soll Werden Prinzip bestehen. Anders ausgedrückt: es ist ein Glück der Revolte, des Aufbegehrens, nicht des Habens. Es ist ein Glück des Kampfes, nicht des Krieges und ein Glück  der Solidarität mit dem Leben anstelle des reinen Ich überlebe egal wie  – Instinkts.

Keine Macht der Furcht vor dem Tod oder Todesszenarien, gebraucht eine List wie Sisyphos, der zweimal dem Tod von der Schippe sprang, weil er Eros dem Thanatos vorzog. Sagt Ja zum Leben und Nein zum Verzicht darauf. Leicht missbrauchbar, wenn es interpretiert wird als verantwortungslos. Das Gegenteil ist gemeint. Schaut auf die Entwicklung, das Gesetz des Lebens, des Schicksals der Evolution und dem des Wandels.

Monod, Mikrobiologe, Nobelpreisträger, Hugenotte, lernt Camus als Mitglied der Résistance kennen. Überzeugt von der Konvergenz der Biologie mit der Philosophie, der Natur- mit der Geisteswissenschaft, schreibt er in „Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der Biologie“ (deutsch 1971), dass die Welt des dialektischen Materialismus auf Demokrit (der nicht der Begründer der Demokratie ist, sondern der atomisierten Welt), basiert. Auch Karl Marx promovierte über Demokrit, der postuliert: „Alles, was existiert, hängt von Zufall oder Notwendigkeit ab. Zwischen diesen beiden Prinzipien ist nichts.“  Früher glaubte man, Atome bildeten die kleinsten unzerteilbaren Bestandteile des Lebens. Bis heute erfährt die Elementarkultur eine grandiose Zerstückelung in Minaturisierungs-Parzellen; selbst die Zelle und die Proteine sind Makrosturktur. Vergleichbar ist der Handel, parzelliert in Teilmärkte bis hin zum Bitcom. Vergleichbar sind die Gesetze: kam Moses noch mit zehn vom Berg, zudem auf Tafel geschrieben, sind es heute unzählige Bücher, Paragraphen und nicht einmal gedruckt, ein Palimpsest, die durch Schaben, Waschen oder Reiben wieder leserlich gemacht werden könnte. Spezialisierte Spezialisten kümmern sich darum, die Minuskel lesbar zu gestalten, Übersetzer gestalten sie dann legal, das von letal nur durch einen Buchstaben getrennt wird. Wir sterben uns zu Tode.

Monods Verdienst liegt darin, diese in der Philosophie (z.B. Hegels, den Marx invertiert) angewandten Prinzipien auf die Biologie zu transformieren: Zufall ist nun in evolutionärer Sprache Mutation, Notwendigkeit Selektion. Dabei unterscheidet er die physische Ordnung, in der durchaus Zufall (Chaos) herrscht, die selbst Darwins Gesetz nicht grundsätzlich in Abrede stellt, und die kulturelle Ordnung  (logos), die auf Eingriff und damit auf Selektion beruht. Nun könnte man glauben, der Zufall, die Natur als Mechanismus einem blinden Uhrmacher zu vergleichen (wie es Evolutionsbiologe Richard Dawkins 1987 unternimmt) generiere mehr Schaden (interpretiert als Katastrophen) als ein gewollter, steuerbarer Prozess. Die Utliatristen scheinen zu triumphieren. Dies gilt jedoch nur, wenn Intelligenz (eine Form der Mutation) sich als Vorteil für  das gesamte System und nicht nur eine Nische (homo oeconomicus) erweist.

Man könnte glauben, das Milieu entscheide, welche Mutationen erfolgreich sind und welche nicht, doch wenn Anpassung (Assimilation) das biologische Milieu verdrängt (als Sekundärsubstanz), dann kann die Entropie, die Vermischung, Transformation und Energieerhaltung nicht mehr wirken. Das System entgleitet, schlägt zurück, wendet sich gegen den Wirt (Mensch): unter unnatürlichen Lebensbedingungen können auch die natürlichen Mechanismen nicht mehr greifen. Dann kommt es zur Panik oder zu gesetzlich angeordneten Notstandsverordnungen; legitim, legal und letal sind Synonyme geworden. Sisyphos kann nachträglich der Prozess gemacht werden.

Monod erhielt für seine mikro-biologischen Erkenntnisse den Nobelpreis. Er tritt für die Wahrheit, daher für die Skepsis, ein – und bezieht sich auf den griechischen Helden des Widerstands. Bezogen auf die Virologie heißt das, es gibt zwei Arten von Viren, die bekanntermaßen älter als Bakterien und damit auch älter als Leben sind; Bakterien sind eine von drei Lebensformen, die selbständig generieren, was der Virus (noch) nicht kann . Es gibt die genetisch hochvariable Mutation, die wie im Fall von Sars sich laufend verändert (insofern kann es keinen dauerhaften Impfstoff geben, weil sich Sars CoV 2 rasch zu 3 und 4 transformieren wird) und es gibt Viren, die durch den externen Einfluss verändert werden. Natürlich sprach Monod nicht von Corona, er sprach von Viren generell. Natürlich sprach er nicht von Panik und Epidemie, sondern von wiederkehrenden Mutationen, die mitunter für eine Generation gefährlich und schädlich sind, aber langfristig für ein natürliches biologisches Gleichgewicht sorgen. Er sprach und schrieb ähnlich wie Camus von Naturgesetzen, die nicht der Wirtschaft oder dem politischen Selbsterhaltungstrieb folgen. Er sprach von Sisyphos als Verkörperung der Renitenz analog eines Virus, der sich notfalls listreich verwandelt, verstellt, so dass er nicht erkannt wird und überlebt, sofern ein Virus, der ja nicht lebendig ist, diese Sprache überhaupt erlaubt.

Wer würde bezweifeln, dass unsere Welt durch z.B. Feinstaub, Pestizid und Klimaveränderung heute ein anderes Mikroklima besitzt als vor der industriellen Zeit, ja vor des Menschen Eingriff überhaupt? Die Invasion an Chemie und unwillentlich frei gesetzen, teilweise auch bewusst erzeugten toxischen Stoffen hat eine vielleicht nie genau feststellbare und schon gar nicht monokausal (monotheistisch) rückführbare Fehlerkette (pardon Eiweißkette) nach sich gezogen, doch die Mutation von Nukleinsäuren und Proteinen, die Veränderung von DNA und vordem RNA (diese geht der DNA immer voraus) kann niemand in Frage stellen, der über gesunden Menschenverstand verfügt. Menschen, die Gottes Schöpfungsplan aus der Bibel ablesen ausgenommen, die mögen von gewollter und planvoller Selektion sprechen und in der Natur ein unabänderlich vorprogrammiertes Uhrwerk sehen, das vielleicht auch nicht die fünf vor Zwölf – Zeigerstellung kennt.

Ohne in die Feinheiten des Feinstaubs einzusteigen, über die sich streng genommen nicht einmal die Virologen bzw. Mikrobiologen einig sind, gilt die Feststellung: Zellwachstum ist abhängig vom Milieu (Umwelteinflüsse), weshalb es Mutationen geben wird und muss; das hat Demokrit bereits erkannt, ohne die Welt unter das Mikroskop legen zu können. Marx hat aus ihm geschlossen, dass die kleinsten Einheiten die größten Veränderungen vornehmen und gehofft, dass Bürger den Staat bzw. die Staatsform bestimmen. Monod hat für die Enzymforschung abgeleitet, dass nicht nur Proteine Leben erzeugen, sondern bereits die Viren universelle Bausteine des Lebens sind, ohne selbst Zellen zu besitzen, folglich die Funktion von Aminosäureketten bereits beherrschen. Bakterien sind zellkernlos, doch selbsterzeugter Teil des menschlichen Organismus mit seinem Zellkern, für den die Evolution eine gefühlte Ewigkeit gebraucht hat, Viren sind archaischer Schleim, der infektiös von außen, also dem Milieu, zugeführt wird (mal tröpfchenweise eingeatmet bzw. ausgespuckt, mal in anderer Form verabreicht): sie haben keinen Stoffwechsel und deshalb auch kein eigenständiges Leben, keine Energieerzeugung, keine Proteine, dafür bedürfen sie einen Wirt. 

Das Wissen über Viren ist wie im Grunde jede Wahrheit weder abgeschlossen noch absolut, es ist offen (wie eine offene Gesellschaft) und nicht persistierend, sondern hat eine rasend kurze Haltbarkeit. Was aber kolportiert wird ist: es gibt ein Virus X und ein Mittel Y und eine Wirkung Z; eine Gleichung mit im Grunde drei Unbekannten, so Monod. Für diese Erkenntnis erhielt er einen Nobelpreis, etwa zu der Zeit, als ich geboren wurde. Heute scheint sich das unerfreuliche Zweckbündnis aus Politik, Wissenschaft und Schweige- oder Zustimmungsspirale gegen ihn auszusprechen. Es verfährt, als lasse sich einem Virus durch Verordnungen beikommen, als wüssten wir bereits, wie er wirkt, als wäre unser Milchstraßensystem in Stein gegossen, nichts in Bewegung, nichts zufällig, alles notwendig und in der Not liegt auch der Fall (begraben). Dabei ist selbst der Blick in den Sternenhimmel trügerisch, weil zeitversetzt. Vielleicht besaßen die Plejaden mehr Geschwister und vielleicht schleppt Sisyphos gar keine Steine, sondern Kohlköpfe. Intelligenz, so Monod, könnte sich evolutionär als Nachteil erweisen.

Sisyphos bleibt immer unterwegs, dieser Nomade des Wissens, der keine Wahrheiten duldet, keine Ewigkeiten kennt und damit den Göttern trotzt oder sie leugnet. Jaques Lucien Monod lernte Camus während des gemeinsamen Kampfes in der Résistance kennen. Die Revolte endet nie. Auf den Terror der Deutschen folgte der der Russen und auf den anderer, wie ein Virus. Monot brach mit der Partei, als sich herausstellte, dass die Wissenschaft mit den Mächtigen paktierte und nicht Wissen, sondern Mythen vorantrieb. Ein gewisser stalintreuer Lyssenko (er starb wie Monod 1976) postulierte, Gene sind die Folgen der Umwelt und damit Intelligenz eine Frage der politischen Kultur. Seine falschen Thesen wurden getragen, weil die Wissenschaftler nicht wagten, den Günstling Stalins zu widersprechen, wider besseren Wissens wiederlegten sie ihn nicht. Lyssenkos Methoden führten unter staatlicher Duldung zum Niedergang der russischen Agrarkultur; seine Pseudo-Wissenschaft, die nicht überprüfen und Hypothesen nicht verifizieren wollte, führte zu Missernten, Hunger und sogar Seuchen. Sie wurden Verschwörern und Saboteuren zugeschrieben, der Bock zum Gärtner gemacht. Lyssenko ist kein russisches Phänomen, warnte Monod.  In seinem Buch „Le hasard etla nécessité“,  das zwischen Philosophie und Biologie oszilliert, schreibt er über Sisyphos: „Es ist an ihm, zwischen dem Licht und der Finsternis, zwischen der Wahrheit und dem Mythoszu wählen.“

Monod ist ein Vertreter der Dysgenetik, die gerne mit Eugenetik und diese mit dem Dritten Reich und Rassenhygiene verwechselt oder in einem Atemzug genannt wird. Nachdem uns der Fortschrittsmythos jahrhundertelang suggerierte (auch, weil der Mensch es sich hat einreden lassen wollen), dass nur das gute oder zumindest systemisch angepasste Erbgut überlebt, war er einer der ersten, die, ausgehend von der Dialektik des historischen Materialismus auch einen schädigenden Einfluss auf die Evolution voraussahen oder besser zur Kenntnis nahmen. Philosophisch konvergiert dies mit Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, in der Platon und Hegel als Vordenker des Totalitarismus und auch Marx´ als Wegbereiter einer fehlgeleiteten Ideologie angegriffen werden, vor allem weil sie ewige Wahrheiten beanspruchen. Auch sie vertraten das Recht, Gesetze notfalls über Nacht zu ändern. Alle wähnten sie das Recht auf ihrer Seite, wie Machiavelli es ihnen bot: Systemkonformität.

Davon mag man halten, was man will, ein Fakt ist unwiderlegbar: Es überleben im Gegensatz zur Natur, der sich der Mensch nicht nur entfremdet, sondern auch weitgehend entzogen hat, auch die Schwachen, besonders im Krieg, es überleben die Kranken und vielleicht sogar Degenerierten bei der Unterlassung von eugenetischen Maßnahmen. Diese sollen nicht gerechtfertigt werden, eine Diskussion erscheint angesichts der Vorbelastung und des erfolgten politisch ideologischen Missbrauchs deplatziert, doch biologisch ist offenkundig, dass sich die Natur um Moral oder Ethik nicht kümmert. Wie es Max Frisch so treffend formuliert: „Die Natur kennt keine Katastrophen, einzig der Mensch (der sie erzeugt), sofern er sie überlebt, kennt die Katastrophe“.  Konrad Lorenz sprach von der schädigenden Wirkung auf unser Erbgut durch permanente Domestizierung und Zivilisierung, er nannte den Prozess in „Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung“ Verhaustierung. Gemeint ist: der Mensch schwächt sein Immunsystem, einerseits, indem er sich nicht abhärtet und andererseits durch Veränderung seines natürlichen Milieus.

Der Virus lenkt die Aufmerksamkeit ab vom Großen und Ganzen, von essentiellen Problemen und möglichen Ursachen. Feinstaubbelastung der Umwelt greift in die Natur ein in die natürliche Balance, z. B. durch elektromagnetische Strahlung, verändern Erbgut, also Proteinketten. Dass Krankheiten wie Krebs auch durch Umweltbelastung wie Glyphosphat, das auch nach Bekanntgabe alarmierender Werte massenweise in der Agrarindustrie Einsatz findet oder Smogbildung in den Großstädten durch ein Übermaß an Verkehr begünstigt wird, kann der gesunde Menschenverstand nicht in Frage stellen. Zunächst starben aber nur die Bienen, also schwiegen wir. Wissenschaft hat hier durch Gutachten und Fallstudien auch Glaubwürdigkeit, ethisch wie methodisch, verspielt. Alles ist beweis- und dokumentierbar, sofern eine dementsprechende Frage- und Versuchsanord-nung es so will. Skalierte Daten sind durchaus nicht so neutral und empirisch wie sie scheinen. Kein Mythos ist hartnäckiger als der von der Objektivität. Sisyphos aber steht für den permanenten Kampf der Wissenschaft, ein Ringen, nicht ein Töten  mit dem und nicht gegen das Wissen und für die Wahrheit, notfalls auch durch eine List. Er höhnt den Göttern, die verabsolutieren und Gesetze erlassen, die ihr Handeln rechtfertigt und das der anderen stigmatisiert. Der Renitent duldet den Missbrauch nicht, der sich unweigerlich und immer von neuem stellt. Er rollt den Stein des Weisen.

Zurück zu Sisyphos am Ende des Steins. Gib niemals auf, lautet seine Botschaft. In Erich Frieds Gedicht heißt es:  „Was bleibt? // Nichts als die Qual / seine Qual / überlebt zu haben.“

Erich Fried, Vorahnung des Endsiegs                                                             

Sisyphos

staubig

und satt

vom Mehl

seines Steines

hat Angst:

Der Stein

nützt sich ab

Die Sinnlosigkeit

der ewige

verfluchte

Sinn seiner Arbeit

selber

vom Fluch geschlagen

Kleiner

dem schwindenden Stein gleich

das Mitleid der Schatten

das ihm Kraft

zur Ohnmacht gegeben hat

Bald rollt nur

ein Kiesel

am geschundenen Steilhang

Was bleibt?

Nichts als die Qual

seine Qual

überlebt zu haben

Erich Fried


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