Ganz bemoselt

Foto Bernd Oei: Trier, Patrizierhäuser in der Altstadt, Simeonstraße unweit des Dreikönigenhaus.

Denkt man an die Mosel, so automatisch an den Wein und von da aus ist es gedanklich bekanntlich zu Weib und Gesang nicht weit. Automatismen greifen tief ins Unbewusste. Welche Assoziationen greifen heute noch davon? Deutschland Musterland stand für Beckenbauer und Fußballweltmeister, die SPD für soziale Politik, die Grünen für Umwelt wie Tucholsky für gute Satire und Mosel für Riesling oder Bauern für geduldige Ernter. Der Wein der wilden Tochter des Rheins hat an Renommé verloren, die Bauern blockieren die Straßen und Satire findet heute so real statt, dass sie keiner Kunstform mehr bedarf. Das gesunde Misstrauen, der lichtenbergsche Zweifel als Lebensprinzip – Opposition in den Köpfen – Fehlanzeige.

Der hessische Sudelmeister Georg C. Lichtenberg war es, der sagte, der Rheinwein wäre der beste, in dem weder der Rhein noch die Mosel fließen. Er wusste, zwischen Pest und Cholera besteht keine gute Wahl. Das kann man auf die Option der Wahl von heute übertragen: die AFD, augenblicklich einzige mit einem Kurswandel assoziierbare Opposition, begleitet mehr als ein fades Geschmäckle, doch die funzelnde Ampel treibt manch einen Gourmet in den kulinarischen Ruin. Ob der Riesling bei seinem Besuch in Zell 1765 wirklich so schlecht war wie die Regierung heute? Den Winzern muss es derzeit so übel ergangen sein wie den Prostestlern heute: kein Geringerer als der an der Mosel geborene Karl Marx machte auf ihr Elend aufmerksam und ein gewisser Georg Büchner, gleichfalls Hesse, riet zum Sturm auf die Paläste. Dünn wie Apfelmost floss der himmlische Tropfen damals, ganz anders, als ihn Tucholsky verkosten durfte.

Foto Belinda Helmert: Calmont. Auf dem warmen Berg, der mit annähernd 65 Grad Steigung zu den steilsten Hängen der Welt gehört, verläuft ein Kletterstieg. (https://mosel-zweinull.de/calmont-klettersteig/). Sie bezwang die Höhen der so genannten „Todesangst“ mit Flip Flopps – Todesängste stand wohl nur ihre Begleitung aus.

„Zweimal zwei ist vier!“

Lichtenberg pflegte zu sagen: „Zweifle an allem wenigstens einmal und wäre es auch der Satz 2 x 2 = 4“ (entnommen aus seinem „Sudelbuch“). Er fordert Ungehöriges ein, nämlich Wachsamkeit der Bürger gegenüber dem Staat und den Priestern. Darunter verstand der außerordentliche Professor für Philosophie in Göttingen, aus Respekt schlechterdings nichts zu glauben (schon gar nicht, was die Medien uns vorsetzen) und gerade deshalb aus Respekt zu passender Zeit am geeigneten Ort kundzutun, was er glaubte und woran er nicht zu glauben vermochte.

Bekanntlich brachten die Römer den Wein nach Germania und fingen mit ihrem Kulturexport an der Mosel an. Sie sagten in vino vertitas es. Wenn im Wein Wahrheit liegt und jemand die ganze Wahrheit darin sucht, dann muss er wohl so viel davon trinken, dass er ganz betrunken ist. Am Ende lässt sie sich nur im trunkenen Zustand ertragen.

Erst wenn alle glauben, was die Regierungsdemagogen sagen, kehrt Frieden ein. Man bedenke die Logik: wenn alle der Regierung folgen, wird sich nicht mehr wiederholen, dass vor 80 Jahren fast alle der Meinung der Regierung gefolgt sind. Hallelujah, ihr Demokraten! Entwurzelnung ist die gefährlichste Krankheit der Gesellschaft. Und wir entwurzeln täglich mehr.

Tucholsky reiste sprichwörtlich im Deutschlandkummer an die Mosel, um seinen Frust über die sich abzeichnende Entwicklung der Dreißiger Jahre (beginnend mit dem Weltwirtschaftkrise) in Riesling zu ertränken.

https://www.volksfreund.de/region/mosel-wittlich-hunsrueck/wein-weib-und-gedicht_aid-5573146

Video Belinda Helmert: Moselschleife Bremm, Calmont, untere Ebene. Zugegeben, der Aufstieg ist hier sicherer als die 3,5 k,m Trecking-Tour für Abenteuerer. Sehr anspruchsvolle Tour mit künstlichen Sicherungen, Tritt- und Halteeisen an Felsen, Drahtseilsicherungen, 6 Kletterleitern.

spezifisch deutsche Widerwärtigkeit

Ignaz Wrobel alias Tucholsky reiste 1930 mit dem Zug von Trier nach Bullay; wir fuhren mit dem Rad der Mosel von Bullay nach Trier entlang (Mai 2018). Nahe Cochem bzw. Bremm dann der Aufstieg zum steilsten Weinberg.

Enthüllungsjournalismus ist heute Bild-Boulevard, investigativer Journalistmus dagegen Fehlanzeige. Bei der Einseitigkeit unserer öffentlich-rechtlichen Berichterstattung könnte man wieder auf Schwarz-Weiß zurückstufen. Mediale Gleichschaltung herrscht allerorten und Narkotisierungs-Berieslung statt Riesling. Armer Tucholsky, der noch 1929 schreibt „Enthülls! Enthülls“ Die Sache wills!“

Er lebte in einer Zeit, gewiss gefährlich und beschwerlich, doch mit Respekt vor seinen „Gegnern“ und vor allem mit Anstand. So hielt er wenig von seinem Kollegen Erich M. Remarque, aber die öffentliche Denunziation, er habe in jungen Jahrendes schnöden Geldes wegen für eine Firma Werbung geschrieben (PR gemacht) war ihm zuwider. „Die spezifisch deutsche Widerwärtigkeit, die die Luft unserer Politik so verpestet, weht durch …. Es hat keinen Wert, dem Gegner nur die bösesten Motive unterzuschieben.“ (Tucholsky, Die Weltbühne, 31.12.1929).

https://www.textlog.de/tucholsky/kritiken-rezensionen/hat-mynona-wirklich-gelebt

Er schrieb auch: Soldaten sind Mörder. Was wissen unsere Politiker von Krieg? Geld fehlt hier an allen Ecken, in den Kindergärten und Schulen, auf den Straßen und Schienen, bei der notwendigen Subverntionierung in der Agrarwirtschaft. Wieso vertreten Pistolero und Bremsenbock, Habernichts und Schuldenschulze Deutschland, wenn ihnen die BRD so wenig bedeutet? Offensichtlich verwechseln sie kategorisches Appell und kategorischen Imperativ. Zeichen von Ohnmacht und Wut. Die bleibt gewiss.

Foto Belinda Helmert: Calmont, (zweite) Moselschleife (mittleres Plateau) mit Blick auf Cochem – Zell und Bremm, ca. 380 m vom höchsten Plateau aus (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b0/Verlaufskarte_Mosel.png) Am „heißen Berg“ selbst ist kein Wegebau möglich, die Einschienenbahn muss es richten. Der hier gedeihende Rieling gehört nicht nur den ältesten, sondern auch den zartesten Lagen mit weichen Noten und Birnen im Abgang.

Reich in den Wolken

Ein Jahruhundert vor Tucholsky herrscht die Hochromantik: der Rhein wird besungen, die Mosel eher weniger. Ein gewisser Clemens Brentano wird in Ehrenbreitstein, einer Festung nahe (heute in) Koblenz, geboren (1778) und verfasst Märchen, Gedichte, Novellen, darunter „Die Geschichte vom braven Kasperl und die schöne Annerl“, in dem das Motiv der Ehre eine zentrale Rolle einnimmt: ein Begriff, den wir getrost aus dem Duden entfernen dürfen, denn was soll sie sein und vor allem, wo ist sie geblieben? Schande, Pflichtgefühl. Verantwortungsbewusstsein. stellen vermutlich im Gendern verloren gegangene Terminologie dar. Sätze à la Brentano wie „Ohne Führer geht´s verloren“ muten vielleicht, dem Kontext entstellt, befremdlich an. Zukunft, so seine Philosophie, gibt es keine: was es gibt, ist „gegenwärtige Ewigkeit.“ Ein Reich in den Wolken, nicht von dieser Erde, wie er auch schreibt.

Das Haupt im Himmel. die Brust in den Wolken, das Herz und damit die Liebe im Schoß, den Fuß auf der Erde. Trefflicher Brentano. Die Welt von heute ist verkehrt, so verkehrt. Den Fleißigen wird genommen, nicht wenigen reicht nach vielen Jahrzehnten harter Arbeit die Rente nicht. Anderen wird Geldm säckeweise hintergehrgetragen. Vergessen hat man, das es vorher erwirtschaftet werden muss, bevor man es abgibt.

Bretano hält seine Eindrücke von der praktizierten Französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) 1796 so fest: „Es ist unbeschreiblich, wenn ich dir sage, daß hier die Demokraten mit den Mainzer Clubbisten gar nicht in Parallel stehen, und daß ich noch nicht einen einzigen Menschen fand […], der nur vernünftig von der Sache gesprochen hätte, lauter echte Sansculottes, Schreier und Tober.“ (https://fxneumann.de/thalion/brentano/)

In Untergangsstimmung und im Angesicht der Mosel-Jahrhundert-Flut 1829 entsteht es: Das Mosel-Eisgang-Lied von einer wunderbar erhaltenen Familie und einem traurig untergegangenen Mägdlein in dem Dorfe Lay bei Koblenz (Fertigstellung am 10.2.1830). Nahehzu hundert Jahre auf den Tag genau vor Tucholsky.

Brentanos „Das Mosel Eisgangslied“ umfasst 43 Strophen zu jeweils 12 Zeilen. Es entstand im Dorf Lay am Fuße des Hunsrücks, seit 1970 eingemeindeter Stadtteil im Osten von Koblenz, nach einer großen Überschwemmung, die der Dichter miterlebte. Das Mosellied beginnt wie folgt:

Es lief im engen Tal /Am armen Dorfe Lay / Viel hunderttausendmal /Die Mosel fromm vorbei

https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Brentano/bre_1830.html

Foto Belinda Helmert: Koblenz, Deutschlandeck. Die Mosel mündet hier in den Rhein. 1825-28 zog es den Dichter Clemens Bretano nach Koblenz. Die Stadt liegt 73 m Höhe und hat heute ca. 150 000 Ew. Das 44 m hohe Reitermonument entstand erst im Wilhelminischen Kaiserreich Ende 1895/97 bzw. ein Jahrhundert späzter wieder hergestellt.

Apollinaire widmete dem steinernen Epos folgende, ungewohnt realistische Zeilen:

„Die Mosel und der Rhein vereinigen sich still
unter den unschuldigen Augen der Töchter von Koblenz.
Makaber und gigantisch, ein schreckliches Denkmal
zeigt zu Ross und behandschuht den deutschen Kaiser.“

Auch Tucholsky verfasste, etwa 30 Jahre später, als sich der Erfolg des Nationalsozialismus abzuzeichnen begann, kritische Worte über den martialisch anmutenden Monumentalismus. Sie fanden in der Weltbühne ihren Abdruck. U.a. heißt es: „Da stand – Tschingbumm! – ein riesiges Denkmal Kaiser Wilhelms des Ersten: ein Faustschlag aus Stein. Zunächst blieb einem der Atem weg.“

https://www.textlog.de/tucholsky/glossen-essays/denkmal-am-deutschen-eck

Foto Belinda Helmert: Koblenz, Rheinbseilbahn, Zusammenfluss Mosel/Rhein. Nach 544 km (davon beinahe zwei Drittel in Frankreich) Flusslauf aus den Vogesen vereiniugt sich Mutter Mosel mit Vater Rhein am „deutschen Eck“. Blick von der Festung Ehrenbreitenstein auf die Flussniederung. Die 2011 erbaute Seilbahn legt 112 m Höhenunterschied in etwa 6 Minuten Fahrzeit zurück. Die Stadt wurde von den Römern um 0 angelegt, die Festung von den Preußen im 16. Jahrhundert. Nach den Römern und Franken waren sie die neuen Herrscher bis zur Eroberung der Franzosen im Zuge der Revolution.

weil man die Luft nicht kaufen kann

Vaterlandsliebe ist heute verpönt. Muss und darf es eigentlich der Vater heißen? Wo es doch das Land ist. Deutschland hat Schulden und moralisch, darf man den offiziellen Tönen trauen, ist es das höchst verschuldete dieser Erde. Maurfall war gestern Unversöhnbar stehen sich in der gespaltenen Nation die Lager gegenüber. „Noch nie ist in Europa der Gegensatz zwischen oben und unten so hart und scharf gewesen wie heute. Man geht sich aus dem Wege. Man ist sich nicht grün. Man verachtet sich. Ja, es soll vorkommen: daß man sich haßt.“ (http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1923/Die+Nachgemachten)

Sätze, die auch heute noch Gültigkeit besitzen. Sie stammen jedoch auch Tucholskys Feder. Er macht sich bei einem Glas Mosel zu achtzig Pfennig Gedanken darüber, weshalb man die Gegenwart aus der Vergangenheit inhalliert und fragt sich, ob es es nicht viel nutzbringender sei, sich einzugestehen, dass es heute vorbei sein müsse mit dem ewig Gestrigen. Da fällt die rhetorische Frage von gestern: „Wollen wir uns mal nicht über etwas anderes unterhalten? “ „Ja früher“ gab´s schon damals. Vielleicht, wie Tucholsky alias Julius Freund schreibt, weil man die Luft nicht kaufen kann. (http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1923/%C2%BBJa,+fr%C3%BCher+.+.+.+!%C2%AB)

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Foto Belinda Helmert, Winninger Röttgen, südlich von Koblenz. Riesling gedeiht am Schieferfelsen und am südlichen Steilhang (Lay) besonders gut und (https://www.riesling.de/de/lage/winninger-rottgen/53_49.html)

Der Begriff „Lay“ kommt aus dem Keltischen und bedeutet Schiefer oder Schieferfelsen. (ein kleines Video von Lay unter: https://www.youtube.com/watch?v=Ur_A-5_JXlI) Ein weiterer, seines Sektes bekannter und benachbarter Stadtteil ist (Fürst) Metternich, bekanntlich Kanzler und Macher der Wiener Restauration. In der Hochromantik zu Zeiten Brentanos siedelten etwa 12000 Menschen in Koblenz, bei Tucholskys Besuch 1930 bereits um die 65 000. Die französische Partnerschaftsstadt ist Nevers an der Loire.

Wein, Weib und Gedicht

An der Mosel im Herbst 1929 nannte Tucholsky, schon reichlich dem Moselwein ergeben, das Genießen „Museln“. Er hatte politischen und Liebeskummer.Humor war seine Brücke zum Leben. Fast wie heute. Die Stimme der Weltbühne schrieb tiefsinnig: „Wir soffen uns langsam den Fluss hinab.“

https://www.volksfreund.de/region/mosel-wittlich-hunsrueck/wein-weib-und-gedicht_aid-5573146

Bedenkt man das berühmte panta rhei Heraklits bietet Stoff für Promotionen. Immerhin drei Gedanken hierzu: Alles ist im Fluss, nichts fest und damit die Veränderung die einzige Gewissheit. Zweitens: alles ist vergänglich, ewig allein ist der Übergang und Bewusstsein von Wandel. Drittens: An den Ufern ist alles fest. Nur für das Dazwischen gibt es kein zweites (erstes) Mal. Poesie und Eros und flüssiger Geist, auch Dialektik genannt, bilden eine Einheit. Im Wein müssen drei Komponenten, Erde, Wasser, Licht (Himmel) zusammenfließen. Tucholsky pointiert: „Das Wesen des Meeres ist aus dem Tropfen nicht ersichtlich.“ (http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1927/Ein+Pyren%C3%A4enbuch/Lourdes)

Lange blieben die Stadt und ihr berühmtester Sohn sich fremd

Foto Bernd Oei, Trier, Porta Nigra, Nordansicht. Trier mit seinen rund 113 000 Ew. liegt 136 m hoch und etw am Moselkilometer 190. Der Flussname mosèlle leitet sich vom Parallelfluss Maas mosa ab. Trier, von den Römern gegründet, ist wohl die älteste Stadt auf deutschem Boden.

Das schwarze Tor stammt aus 170 n.C., aus der Zeit des Philosophenkaisers Marc Aurels. Aufgrund seiner erhaltenen Bausubstanz bildet der nördliche Stadteingang heute ein Unesco-Weltkulturerbe.

Vom stoischen Kaiser kann man viel lernen. Etwa, wie man regiert und Macht auf viele Schultern verteilt. Paradoxerweise suchte der Stoiker Frieden und lebte inmitten vieler Kriege, die ihn von Rom fernhielten. Mit ihm besaß das Reich seine größte Ausdehnung, danach begann der schleichende Untergang – auch, weil es an Getreide fehlte und eine besipielslose Inflation begann.

Alles, so der weise und vielleicht auch aufgrund seiner Weisheit ermordete Mann, ist im Fluss und steht in einem Zusammenhang. Alles ist im ständigen Wandel, selbst der Untergang ist dauernd. Und alles, was zugrunde geht, ist es auch wert, zugrunde zu gehen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dem der Industrialisierung und des Kapitalismus, die gewiss einen Teil zum Untergang der natürlich gewachsenen Welt beisteuern, erblickte nahe dem schwarzen Tor ein lange verschmähter Sohn der Stadt Trier das Licht der Welt: sein Name lautete Karl Marx.

Foto Bernd Oei, Tier, Porta Nigra, Südseite mit Blick auf den Markt. (https://www.trier-info.de/sehenswuerdigkeiten/porta-nigra)

IN VINO MARX EST

Die Bewertung eines ökonomischen Systems muss auf der sorgfältigen Analyse seiner Wirkungen im Hinblick auf das Wohlbefinden der Menschen getroffen werden, nicht durch Appell an ein willkürliches Konzept der Gerechtigkeit, welches unterlässt, diese Wirkungen in vollem Umfang zu würdigen.

Marx´Vater besaß ein Weingut, wenngleich nur ein kleines, es heißt Grünhaus Herrenberg und liegt bei Mertesdorf unweit vor Trier. Südwestlage, obschon der Sohn des Rechtsanwalts und Studiumabbrecher der Jurisprudenz im Nordosten Karriere machen sollte. März 2018 titelte die SZ Warum Wein für Marx eine große Rolle spielte. Marx selbst notierte 1859 im Vorwort seines Werks „Zur Kritik der politischen Ökonomie“: „Die Zustände der Moselwinzer „… gaben die ersten Anlässe zu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen“.

https://www.sueddeutsche.de/wissen/geschichte-warum-wein-fuer-karl-marx-eine-grosse-rolle-spielte-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180320-99-555875

Ob Karl Kommunist geworden wäre ohne die Weinbergbaukrise der 30 er Jahre? Man weiß es nicht. Auch Hegels Anteil ist nicht zu verachten, die Prägung in Berlin im Klima des Vormärz, die ihn zur Einsicht drängte: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert,es kommt aber darauf an sie zu verändern„. (Feuerbach-These 11). In Variation dazu: man müsse Hegel vom Kopf auf die Füße stellen. Erst Materie (Flasche), dann der Geist. Prosit.

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Marx,+Karl/Thesen+%C3%BCber+Feuerbach/%5BThesen+%C3%BCber+Feuerbach%5D

Foto Bernd Oei, Karl Marx – Wohhaus, ein ehem. Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert in der Brückenstr. 10 (Altstadt) und heute Museum des berühmtesten Einwohners ( (5.5.1818) der Stadt. Marx sagte, die Philosophen hätten die Welt nur erklärt, aber nie zu ändern versucht. Der Sohn eines konvertierten Rechtsanwaltes (Juden war die Ausübung des Anwaltsberufes untersagt) verlässt Trier 1835, um in Bonn zu studieren.

Trier war wie Köln eine Bischosstadt und Bstandteil des Preußischen Staates (Rheinprovinz). Marx fand in den prägenden 40-er Jahren Anstellung beim Oppositionsblatt Rheinische Zeitung, wurde sogar Chefredakteur. Er schrieb nicht selten über die Situation der Moselbauer bzw. Rheinwinzer. Damals wie heute vertrat die Bourgeoisie die Interessen des Geldes, blieb angepasst und bieder, giftig nur, wenn es um die Belange der Minderbemittelten ging. So lange sie warm und trocken saßen, war alles gut, auch wenn die Welt um sie herum in Fugen ging. In Trier empfand man den endgültigen Abzug des Störenfrieds und Nestbeschmutzers von der Mosel an den Rhein als Erleichterung. In Köln lernte Marx Engels kennen, die Situation der Arbeiter in England. Der Rest ist Geschichte.

Foto Bernd Oei: Geburtshaus von Karl Marx, Rückseite. Als Marx seine Heimatstadt verlies zählte sie ca. 13 500 Einwohner.

Über (10)7 Brücken musst du gehn

Foto Bernd Oei: Trier, Alte Römerbrücke. Bei ihrem Bau soll Trier um 80 000 Einwohner gezählt haben und damit die größte Stadt auf deutschem Boden gewesen sein. Die erste Konstruktion bestandr noch aus Holz, diese Steinbrücke entstand als dritte ca. 150. Ihr Aussehen hat sich seitdem mehrfach verändert, dennoch ist auch sie ein Unesco Weltkulturerbe. Sie wird als älteste Brücke Deutschlands geführt und kommt heute auf fast 400 m Länge.

https://www.volksfreund.de/region/trier-trierer-land/roemerbruecke-trier-aelteste-bruecke-deutschlands_aid-69058339

Stromaufwärts zählt die Mosel von der Koblenzer Pfahlbrücke bis zur Point Saint Vincent 107 Brücken. Marx waren sieben Kinder vergönnt, fünf starben frühzeitg an Unterernährung bzw. es kam zu Fehlgeburten. Sein Leben war härter, als die meisten es sich von uns vorzustellen vermögen. Mehrfach, aus Paris und Brüssel, sah er sich ausgewiesen: die letzten neun Jahre konnte er im Londoner Exil dank zahlreicher Artikel überleben, nebenbei schrieb er „Das Kapital“. Sein Ziel (und damit des Kommunismus) besteht in der klassenlosen Gesellschaft. Eine, in der alle gleich sind in Rechten und Pflichten.

Das nennt man auch Befreiung des Proletariats. Sieben Phasen oder Stufen sind dazu nötig, um vom Stadium antiker Sklaverei zur Klassenlogikeit zu gelangen. Man könnte meinen, der Proletarier habe es bereits leichter oder besser als der Sklave. Weit gefehlt. Laut Marx und Engels ist der Sklave ist ein für allemal verkauft; der Lohnsklave hingegen muss sich täglich stündlich selbst verkaufen. Der Sklave ist Eigentum eines Herrn und besitzt sogar Aussicht auf Freilassung, hat eine gesicherte Existenz, so elend sie auch sein mag; der einzelne Proletarier bleibt das Eigentum der ganzen Bourgeoisklasse, dem seine Arbeit nur dann abgekauft wird, wenn jemand ihrer bedarf. Folglich verfügt er über keine gesicherte Existenz.

Foto Belinda Helmert, Traben-Trarbach, Stahlbrücke (239 m) am rechten (nördlichen) Moselufer mit Blick auf das Brückentor. Da die Brücke eines Berliner Architekten erst seit 1899 mit Traben und Trarbach zwei ehemals eigene Dörfer verbindet, die in Winzer-Konkurrenz standen. Kaum zu glauben, aber hier lag zwischenzeitlich im 19. Jahrhundert nach Bordeaux der größte Weinumschlagplatz der Welt. Ein Blick in die Unterwelt lohnt also (https://www.traben-trarbach.de/de/unterwelt.html)

Wein zum weinen

2016 weilte Wagenknecht, damals noch aktiv für „Die Linke“ in Trier, damals regiert von Grün-Rot unter Ägide von Malu Dreyer, heute von einer rot-gelb-grünen Landesregierung Rheinland Pfalz, imme noch von der gelernten Juristin. Wenig überraschend zieht diese eine positive Bilanz ihrer Amtszeit. Die Bevölkerung sieht es anders, denn die Symphiebekundung für Dreyer befinden sich in einem historischen Tief. Laut dem Bericht der SZ November 2023 und damit vor den ad hoc Streichungen sämtlicher Subventionen für die Agrarindustrie wäre die Ampel nicht mehr mehrheits- bzw. regierungsfähig. (https://www.zeit.de/news/2023-11/02/halbzeitbilanz-der-ampel-weichen-fuer-klimaneutralitaet)

Die BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht) tritt auch Rheinland Pfalz an. Am 15.01. weilte Sarah Wagenknecht in der Landeshauptstadt Mainz: u. a. fordert sie eine Aufarbeitung der Corona-Zeit, an der sich viele bereichert und noch mehr unmenschlich (asozia) verhalten haben. Ist Wagenknecht eine Kommunistin? Sie will die Bauern bei ihren Protesten gegen die Regierung unterstützen. Und den Krieg mit Putin beenden. Auch die Waffenlieferung, sowohl in die Ukraine als auch nach Saudi Arabien. Es wird kolportiert, von den 450 ersten Mitgliedern kämen 28 und damit prozentual rund fünf Prozent aus Rheinland-Pfalz.  https://www.volksfreund.de/region/rheinland-pfalz/ex-gruener-ist-erster-abgeordneter-der-wagenknecht-partei_aid-105118179

Kritiker warnen vor Personenkult, u.a. weil der Name der neu gegründeten Partei den ihrer prominenten Gründerin trägt. Laut Aussage des Parlamentszeitung 2009 bekennt sie sich rückhaltlos zu Marx und Marxismus ist buchstäblich ein rotes Tuch für den Westen, da er Eigentum angreift. Sie wird folgendermaßen zitiert: „Wenn man sich in die theoretischen Grundlagen der Ökonomie einarbeitet, verliert man auch schnell den Respekt vor der neoliberalen Ideologie.“ https://webarchiv.bundestag.de/archive/2010/0203/dasparlament/2009/52/MenschenMeinungen/28182950.html

Foto Belinda Helmert, Traben- Trarbach, Brückentor aus rotem Sandstein im Jugendstil des Architekten Bruno Möring am linken (südlichens) Ufer von Mutter Mosel nach 107 km Flusslauf (https://www.mosel544.de/traben-trarbach/). Zwar wurde der Bau ist historisch leicht verändert, doch im Gegensatz zur Brücke selbst nicht im Krieg zerstört. Die durch die Moselbrücke zusammengewachsene Stadt liegt nahezu mittig zwischen Koblenz (60 km) undf Trier (40 km). Im Hintergrund die beginnende Weinberglandschaft Mont Royal und Trabenbach.

Es ist zum Weinen mit dem Wein. Alle sind betroffen: die Winzer der Ober- der Mittel- und der Untermosel, also rund 200 km Flussstrecke. Vor einer Million schuf die Natur diese einzigarten Terassen: der Mensch und noch mehr die Politiker sind drauf und dran, dass auch das untergeht. Das Lebenb ist kompliziert, die Biosphäre hoch komplex. „Wo früher Trauben wuchsen, wuchern heute Brombeerhecken“. (https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/trier/pestizide-weiter-erlaubt-winzer-an-der-mosel-erleichtert-ueber-eu-verordnung-biologen-fuerchten-um-artenvielfalt-100.html).

Man könnte meinen, es sei doch gut, wenn keine Pestizide mehr in Umlauf kommen und bedenklich für den Pflanzenschutz, wenn EU Richtlinien unterlaufen werden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Ohne Pflanzenschutz kein Weinbau an der Mosel. Ohne Subvention kann die Landwirtschaft nicht bestehen, schon gar nicht der Weinbau. Vorschriften ändern sich im Jahrestakt. Hohe Zinsen haben Kreditrückzahlung für die Investionen vereitelt. Der Mittelstand ist überschuldet.

Foto Bend Oei, Mittelmosel mit blick auf Trarbach links und Traben rechts. Trarbach besaß ein Schloss, das wie fast das gesamte Dorf 1857 durch einen großen Brand zerstört wurde. Von damals 1700 Einwohnern wurden 400 obdachlos. Erst 33 Jahre nach der Gründung des Deutschen Reiches wurden die beiden heutigen Stadtteile zusammengelegt. Wein (88% Weisßwein) bildet auch heute noch die Haupteinnahmequelle. Die bedeutendste Lage ist der Steilhang am Hühnerberg, der zum Hunsrück zählt (https://de.wikipedia.org/wiki/Trarbacher_H%C3%BChnerberg). Bei Taben, Flusskilometer 106 liegt mit über 16 Metern auch die tiefste Stelle der Mosel.

ein Mensch ohne Liebe und ohne Wein ist nur ein Stein

Ein Aufklärer und Freund des Weines war auch der in der Lausitz geborene Gotthold E. Lessing. Ob er je die Mosel sah, darf bezweifelt werden, aber ihren Wein hat auch er verkostet. In „Der Fehler der Natur“ m einem Teil aus „Die drei Reiche der Natur“ schreibt er 1747:

Freund! du erforschest die Natur. Sprich! Ists nicht wahr, sie spielt nicht nur, sie fehlt auch oft in ihren Werken. Ja, ja sie fehlt. Oft in der Eil versetzt sie dies und jenes Teil. Ich selbst kann meinen Satz bestärken. Denn hätt´ sich ihre Götterhand, als sie mich baute, nicht verloren; so wär ich an der Mosel Strand, Wo nicht doch in Burgund geboren. O Mosler, o Burgunderwein, Ich, ich sollt euer Landsmann sein!“

Foto Belinda Helmert, Bernkastel Kues, Marktplatz, ist Geburtsstadt des spätmittelalterlichen Philosophen und Humanisten Niklas von Kues. Der Ort an der Mittelmosel verfügt über ein großen Höhnenhunterschied von 300 m und einen gut erhaltenen Altstadtkern mit vielen, meist roten Fachwerkhäusern,uch mit Bernkastel und Kues zwei Dörfer rechts und links der Mosel über den Brückenschlag bei Moselkilometer 129 zusammen. (Brückenlänge 147 m)

Lessings teilweise herbe und feuchtfröhlich anmutenden Weinlieder enthalten durchaus eine politische Botschaft. Schon die „unberauschten“ Könige zerstören die halbe Welt, und es ergeht die Bitte an Gott, hier Schlimmeres zu verhindern. In seinem Sinngedicht „An die Gesundheit“ verweist er auf die Weisheit Salomos: „Sie können beim Trinken des Rechts vergessen und verdrehen die Sache aller elenden Leute!“ Die acht Zeilen lauten:

Trinket Brüder, laßt uns trinken
Bis wir berauscht zu Boden sinken;
Doch bittet Gott den Herren,
Daß Könige nicht trinken.
Denn da sie unberauscht
Die halbe Welt zerstören,
Was würden sie nicht tun,
Wenn sie betrunken wären?

Foto Belinda Helmert, Bernkastel-Kues, Spitzenhäuschen, die wohl schmalste Weinstube weltweit und ein typisches Beispiel alter moselländischer Winzerhäuser mit seinem mit Schiefersteinen ausgebauten Weinkeller mit Eichenbalken. Angeblich wollte der Bauherr Steuern sparen, die seinerzeit auf die Breite der Frontfassade errichtet wurden. Alte Aufnahmen unter https://www.roland-klinger.de/BKS/maspitz.htm

(https://www.mosel.de/region/baukultur/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=170&cHash=0c6b16b731da2dd96279462272977856).

Kein Auskommen mit dem Einkommen

So lautet der Titel einer Ohnsorg-Komödie. Er gilt auch für Lessing, wie die Autorin Britta Probol in ihrem Beitrag für den NDR Januar 2024 schreibt, da der Dichter und Philosoph als Theater-Ungternehmer in Insolvenz ging. Die Gründe fasst der gescheiterte Unternehmer zusammen: „keiner weiß, wer Koch oder Kellner ist“ . Trefflicher lässt sich die heutige Havarie deutscher Ampelpolitik wohl nicht resümieren.

https://www.ndr.de/geschichte/koepfe/Gotthold-Ephraim-Lessing-Der-Dichter-der-Aufklaerung,lessing145.html

Foto Belinda Helmert, Mosel, Konz unweit der Mündung der Saar. mit 235 km der längste Zufluss der Mosel. Beide Flüsse entspringen in Frankreich.

Notgedrungen diente Lessing der Regierung, seinerzeit Landesfürsten, die nichts von Demokratie oder Verfassung wissen wollten. (https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/schuldenbremse-haushalt-2023-verfassungswidrig-bundestag-sachverstaendige/). Ein wenig wie heute, wie es scheint. Denn dass die Haushaltsplanung nicht verfassungkonform war, brachte die Regierung Scholz in arge Nöte, da das Geld bereits ausgegeben war und nun anderswo eingespart werden muss: hier aufkosten der Bauern, zulasten der Steuerzahler generell. Während die Bahn weiter für bessere Löhne streiken darf, wird dieses Recht den Landwirten abgesprochen – sie bögen rechts ab, heißt es lapidar.

Foto Bernd Oei, Große Saarschleife bei Mettlach in 180 m Höhe auf einem bewldeten Bergrücken. Besucherterasse Aussichtspunkt Cloef, einem Feslsenvorsprung am Ende eines 2016 fertiggestellten Baumwipfelpfades.

Auch die aktuelle Regierung hat also kein Auskommen mit dem Einkommen. Mit der Entscheidung des Karlsruher Bundesvefassungsgerichtes (der höchsten Instanz, keine Berufung ,möglich) hat die Ampelkoalition ein massives Problem. Denn jetzt fehlen ihr 60 Milliarden Euro, die sie für viele Klimaschutzprojekte fest eingeplant hat. In Frankreich protestierten November 23 Bauern gegen die Fleischbeschaffung von Mc Donalds und Burger King, indem sie Gülle vor deren Läden abkippten. In Eystrup, Niedersachsen, Kreis Nienburg, sind Stand Januar 2024 neun von zehn Klos der Grundschule verstopft. Ob das ein Zufall ist?

Foto Bernd Oei: Aussichtsplattform Saarschleife. Die Gesamtlänge des über die Bäume führenden Gerüstes beträgt 1,25 km auf maximal 23 m Höhe. Der Turm ist 42 m hoch und war äußerst umstritten (https://de.wikipedia.org/wiki/Baumwipfelpfad_Saarschleife).

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