Freiheit ist die Einsicht in das Notwendige

Bern, Altstadt mit Untertorbrücke, der ältesten Steinbrücke der Schweiz: Der junge Hegel verlebte 1793-96 drei Jahre als Hauslehrer und wohnte in der Junkergasse 51 nahe der Aare, dem wasserreichsten Nebenfluss des Rheins. (https://www.stadtwanderer.net/?p=2131). Von der Politik der damals konservativen und Frankreich-feindlich gesinnten Berner Patrizier hielt er ebensowenig wie von den Bergen. „Wenn es Gott gibt, so hat er die Natur eindeutig nicht für den Menschen erschaffen.“ (https://www.republik.ch/2019/03/18/der-denker-und-die-murmeltierwurst)

Freiheitsideal des jungen Girondisten

Verriet Hegel, der überzeugte Girondist, seine Ideale der Frühromantik? Der Stübinger Stiftsstudent entwickelte das subjektive Prinzip der sich aus der Freiheit heraus verwirklichenden Vernunft. Der preußische Staatsdiener hingegen schreibt dem Staat und seiner Notwendigkeit die höchste Freiheit zu. War der lange Zeit von materiellen Nöten lebende Philosoph ohne Hölderlins Einfluss und ewiger Rivalität zu seinem einstigen Stiftsbruder Schelling im Zuge des absoluten Transzendentalismus (Idealismus) auf Pegasos Rücken (Ballade Schillers 1795, erschienen im Tübinger Stift: https://www.youtube.com/watch?v=Lw0CE1iNapw) davongaloppiert? Ein Gespräch mit dem Kollegen und Autoren Schütt über ein Schwergewicht des deutschen Geistes und Weltgeistes im Allgemeinen sollte Klärung über den Dissens bringen. Er verwies auf den Fund, die Mitschrift Hegels Vorlesungen, von 1820.

Ilting fand die ursprüngliche, in Studentenkreisen verbreitete Fassung seiner Rechtsphilosophie: eine sentsationelle Entdeckung ( https://www.spiegel.de/kultur/sprache-der-revolution-a-189bab22-0002-0001-0000-000042645285), die Hegels ultrakonservative Rechtsphilosophie in Berlin als bloße Tarnung vor der Zensur erscheinen lässt.

Die Zukunft und das Sollen liegt im Wollen des Selbst

Hegels Geburtshaus, Stuttgart, Eberhardstr. 53. Seit 1991 ist das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert ein Hegel-Museum.

Vom Notrecht der Armen ist darin die Rede. (https://www.spiegel.de/kultur/recht-zur-revolution-a-10c3c3ba-0002-0001-0000-000014024650) – gerade für den „linksorientierten“ Spiegel immer wieder ein Thema, da sich an dem unbestrittenen König der Systemphilosophie die Geister scheiden: früher zu Marx und Heines Zeiten in revolutionäre Links- und Rechtshegelianer (Religions- und Staatsphilosophen). Heute argumentiert Erfolgsautor Ferdinand von Schierach in Gerichtsprozessen hegelianisch angesichts des Dillemmas zwischen Schutz des Individuums und Freiheitsrecht inklusive unantastbarer Würde des Menschen einerseits und kollektivem Sicherheitsinteresse andererseits, der „das Böse“, zumindest den Zwang als notwendig erscheinen lässt, womit der Zweck mitunter die Mittel heiligt.

Ernst Bloch, freiwilliger „Westler“ im Osten für den Aufbau des realen Sozialismus im Osten tätig (1948-61), meinte unmittelbar nach dem Kriegsende, die Fülle der Geschichte habe die Vollendung der Entwicklung der Freiheit bei Hegel verhindert und so die fruchtbare Frühphilosophie radikaler Selbstbestimmung scheitern lassen. 1956 nach dem Ungarnaufstand lies Bloch von seiner Hoffnung der deutschen demokratischen Republik ab; der Mauerbau 61war buchstäblich nur der letzte fehlende Stein zur Sichtbarmachung einer fehlgeschlagenen Utopie (die sich in eine Dyspotie gewandelt hatte): Laut Popper war Hegel, der die deutsche Einheit erstrebte, galt ihm nun als Vordenker des Präfaschismus und damit des totalitären Staates, so sein vernichtendes Urteil. Seine ausgefeilte Dialektik schien in einer Sackgase festgefahren zu sein.

Selbstbestimmung des Einzelnen in solidarisch-gesellschaftlicher Emanzipation

Schon die beiden Spiegeltitel „Sprache der Revolution“, „Recht zur Revolution“, verweisen auf ein progressives Kalkül, worauf auch einer der bekanntesten Hegel-Interpreten, Biografen und Jenenser Philosophen, Klaus Vieweg, beharrt. (https://www.uni-jena.de/221124-hegelfund). Bei so viel Verteidigung für den verunglipften Staatsphilosophen (er wirkte an der Preußischen Verfassung mit und befürwortete damit indirekt den Polizei- und Überwachungsstaat) kann der Vorwurf der Meinungsdiktatur nicht (länger) geltend gemacht werden.

Doch solche Extreme, dass man Hegel von Kopf auf die Füße stellen müsste, um aus dem revolutionären Gedanken der Freiheit und Demokratie (Volkssouveränität) ein Sprarchrohr der Intoleranz zu machen, verbieten sich von selbst. Weder war Hegel auch nur die Spur faschistoid (Popper: „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“), noch war er ein Feuerkopf, der mit Gewalt Freiheit zu verwirklichen suchte. Die Vernunft, so sein Credo, wird sich früher oder später verwirklichen, weil sie es muss.

Hegels Diktat der Vernunft als ein sich immer verwirklichender Grund, in der jede Form von Wirklichkeit ihre Berechtigung erfährt. Nein, Hegel hat, besonders in den ideologisch umkämpften Jahrzehnten, schon immer die deutsche Geisteslandschaft gespalten und entzweit. (https://www.spiegel.de/kultur/entzweiter-hegel-a-403374bb-0002-0001-0000-000044904820), was wenig verwundert. Denn Hegel war der letzte, der versuchte, das unvermeidbar Auseinanderstrebende, das Paradoxe in der Welt, zusammenzuhalten.

Der frühromantische Gedanke der Einheit in, über und hinter aller Vielheit eben. Klar ist auch, dass ihn Kants Rückzug vor der Uneinsichtigkeit des Dings an sich, das einen absoluten Anspruch der Vernunft verhindert, im Weg ist und dass ihm die auf das Reich der Gesinnung, der Moral reduzierte subjektive Freiheit nicht befriedigt hat.

Hegels Geburtshaus, Rückseite. 1787 verlies Hegel die Stadt, um in den Tübinger Stift zu gehen. (https://www.ekd.de/news_2008_03_03_1_stift_tuebingen.htm)

Kant fordert auf der Grundlage der Aufklärung nicht nur die Mündigkeit des Bürgers, er geht sogar von selbstverschuldeter Unmündigkeit durch falschen Gebrauch der Vernunft im Verstand aus. Er fordert hinreichend notwendige Gründe für die Kausalitätsbestimmung. Hegel verabsolutiert dieses System.

1788-93

Industrialisierung zeitigt den Pöbel

Als unreif für geistige Mündigkeit und Selbstverantwortung hat der spätere Hegel den deutschen Michel zweifellos angesehen. Es bestehen Analogien zwischen Naturgesetz und intelligiblen Gesetzen, eine Alchemie der Phänomenologie hinsichtlich der Art und Weise, sie zu denken oder Denkprozesse zu begleiten. Beanspruchen zwei Entgegengesetzte gleichgültigen Anspruch auf Wahrheit, die notwendige erste Frage ist, weil sie entgegengesetzt sind, welcher von beiden der wahre sei; und die höhere eigentliche Frage ist, ob nicht ein Drittes ihre Wahrheit oder ob einer die Wahrheit des anderen ist.Die Fragestellung geht auf Platons Dialog im Philebos zurück. Nehmen wir es an dieser Stelle hin, dass sich Wahrheit früher oder später zeigen bzw. verwirklichen muss.

Frankfurt, Haus zur goldenen Kette, am Roßmarkt 15, Hegels Wohn- und Arbeitsstelle von Januar 97 bis November 1800. Er wurde auf Vermittlung Hölderlins Hauslehrer bei dem Weinhändler Gogel in Frankfurt, der mit seinem Arbeitgeber, dem Kaufmann Gontard, befreundet war. Das Gebäude am Großen Hirschgraben liegt nur einen Steinwurf von Goethes Geburtshaus entfernt. (https://www.frankfurt-lese.de/streifzuege/anekdoten/hegel-in-frankfurt/)

Kernaussage des folgenden Beitrags liefert meine These, dass sich der frühe „linke“ Hegel auf „rechts“ konservativ gedreht hat. Das Frühwerk bleibt hier ausschließlich auf „Die Phänomenologie des Geistes“ (PdG, 1808) beschränkt, das in Jena, Hochburg des Transzendentalismus (FrühromantikI begann und im fränkischen Bamberg nahe meiner Heimat ihr Ende fand.

Zu seinen Spätwerken gehören die in Berlin entstandene Rechts-, Geschichts- und Religionsphilosophie sowie die Enzyklopädie. Thema bildet Freiheit. Schließlich bildet das subjektive Prinzip der Freiheit und soll hinsichtlich der Tugendlehre auf das Allgemeinwohl gelten, sich also real verwirklichen.

Das subjektive Prinzip der Freiheit

Es gibt ein subjektives, ein objektives und ein absolutes Prinzip der Freiheit. Hegels vornehmlich in Jena entwickelte PdG handelt von der „Erscheinung“ (phenomena) undbegründet transzendental die Vernunft, weil sie das Potential Freiheit real verwirklicht.DemBegriff ist a priori enthalten Bewusstsein als ein sich stufenweise verwirklichendes werdendes Wissen gegeben; Denken ist Sprachvermögen in Form von Begriffsarbeit, die Gesamtheit aller Erscheinungen intellektuell zu erfassen. Freiheit gründet in ihrer Notwendigkeit, das Weltganze zu verstehen. Indem ich das Allgemeine in Form von Selbstbewusstsein verstehe, die eigene Freiheit des Selbst zu begreifen. „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit“ heißt das in pointierter Fassung.

Romantikerhaus in Jena, u.a. Wohnhaus von Fichte, in dem aber auch Hegel während seiner Zeit in der Hochburg der Frühromantik 1801-07 verkehrte.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Collegium_Jenense_%28Jena%29.jpg

Das Collegium Jenense, ehemaliges dominikanisches Kloster und Gründungsort der Universität in Jena, an der Hegel seine erste Professur innehatte. Der Gebäudekomplex liegt im Stadtkern zwischen Teichgraben und Kollegienstraße und zwischen Leutragraben und Nonnenplan.

Historisch betrachtet bedarf der Weltgeist einzelner heroischer genialer Protagonisten wie etwa Napoleon, der zumindest anfänglich den Bürgerkrieg in Frankreich, Le Grand Terreur, beendete, mit dem Code civile Maßstäbe für demokratische Staaten setzte und die Prinzipien der Selbstbestimmung in Europa zu etablieren erstrebte. Daher sind sich Größen wie Goethe oder Fichte in ihrem Urteil über die Notwendigkeit uneinig, ob kurzfristig Gewalt zur langfristig positiven Veränderung anzuraten oder legitim sei (legal ist sie bereits, wenn die Verfassung dies hergibt). Für Hegel bestehen hier keine Zweifel.

Freiheit als objektives Prinzip

Die PdG gehört aufgrund ihrer Dialektik neben der KV zu den wichtigsten Systementwürfen des Transzendentalismus mit weitreichendem Einfluss auf die Entwicklung der Philosophie, also den zwei wichtigsten Werken. Hier bildet das subjektive Prinzip der Freiheit noch das Fundament für Glückseligkeit (Allgemeinwohl).

Aus meiner Sicht bleibt Kant noch dem platonischen Weltbild verpflichtet, Hegel dagegen bereits dem aristotelischen (allerdings im nicht empirischen Sinn). Das für ihn zentrale Attribut vernünftig bedeutet in der zum absoluten Wissen über die Freiheit (ihr Wesen) führen. Bewusstsein umfasst drei Stufen: In seiner ursprünglichen natürlichen Form ist es sinnliche Gewissheit.

In zweiter positiver Form ist es subjektive Wahrnehmung und in dritter negativer Form der aus Bildung hervorgegangene objektive Verstand. Ihm folgt als äußere, reale Seite das Gesetz, als innere, ideale Seite, die Sitte, verwirklicht durch Familie. So ist folglich die Familie Keimzelle des Staates.

Bamberg, Haus zum Krebs im Pfahlplätzchen 1,ehemaliges jüdisches Tanzhaus und Wohnstätte Hegels 07/08. Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht. In Bamberg arbeitete Hegel als Redakteur und gab seine „Phänomenologie des Geistes“ heraus. (http://www.bamberga.de/id69.htm)

In der fränkischen Stadt geriet Hegel in seiner Funktion als Journalist mit dem Bayrischen Pressegesetz aneinander; er wurde mit Berufs- bzw. Schreibverbot bestraft. Zu diesem Zeitpunkt deutete nichts auf einen Pakt mit Preußen hin. Übeaus klar und prägnant formuliert er: „Wo die Minderheit der Mehrheit gehorchen muss, da ist keine Freiheit.’“ Bekannt wurde das Zitat durch Erich Fromms Appell zum zivilen Ungehorsam. Er sagt darin mit biblischer Anspielung: «Die Menschheitsgeschichte begann mit einem Akt des Ungehorsams, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie mit einem Akt des Gehorsams ihr Ende finden wird.» Auch Hegel war zeitlebens ein gottesfürchtiger, doch zugleich bibelkritischer Theologe. Die Freiheit des Denkens, um sich in medias res seine eigene Reflexionsurteil zu bilden, blieb für ihn immer die Messlatte aller Vernunft. Objektiv erschien ihm die Wahrheit und diese lag keineswegs unerreichbar im Nebel oder verschleiert im „Ding an sich“, sondern im klaren Denken an und für sich. Frei ist stets, wer vernünftig handelt.

Logik über allem

In Nürnberg entstand und erschien die Wissenschaft und die Enzyklopädie der Logik. Das Manifest des absolutenm Transzenentalismus, das u.a. die Religions- und Geschichtsphilosophie, sowie die Ästhetik überlagert, da sie ihre Voraussetzung darstellt. Darin steht auch: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit.“ Mit der Metapher, Sprache sei der Leib des Denkens, ist auch gesagt, dass Freiheit im Bewusstsein sprachlich artikuliert sein muss und im Gesetz bzw. in begrifflich gefasste Form mündet. Das mündet in der prägnanten Aussage: „Der Staat ist die Verwirklichung der Idee.“

Man muss folglich konstatieren, dass sich Hegel in seinen Publikationen immer weiter vom subjektiven auf den objektiven Aspekt der Freiheit verlagert.

Nürnberg, Egiedienkirche und Gymnaisum: Hegels Arbeitgeber 1808-16 während der Napoleonischen Kriege. Erst die Einheirat in die Bier-Patrizierfamilie Tucher sanierte den in Geldnöten steckenden „.Weltgeist“ (https://museen.nuernberg.de/tucherschloss/kalender-details/hegel-in-nuernberg-1341).

St. Egidien (Nürnberg)

Foto Bernd Oei, Egidienkriche in Nürnberg, Sebalder Altstadt. Älteste erhaltene Kirche und einzige im Barockstil in der Protestanten-Hochburg Frankens. Hier heirate Hegel die begütete Braut .Hegel war zwanzig Jahre älter als Marie, ein Bürgerlicher und in ständigen Geldnöten. Maries Mutter Susanna fragte sich, ob ein fränkisches Gewächs und ein Schwabe miteinander auskommen könnten. (https://www.nordbayern.de/region/nuernberg/der-furst-der-denker-war-ein-perfekter-ehemann-1.904860)

Moral der ideale Bestimmungsgrund des objektiven Geistes

In Heidelberg erhielt Hegel seine erste ordentliche Professur, nicht zu vergleichen mit Jena, wo er nur ein paar außerordentliche Stunden bezahlt bekam. Aus dieser Zeit stammen seine ersten von ihn geprägten Schüler. Einer von ihnen Friedrich Wilhelm Carové (1789-1852), schrieb fast alles wortwörtlich mit. Der katholische Schriftsteller, Publizist und Politiker war einer der führenden Intellektuellen seiner Zeit. Seine Aufzeichnungen eröffneten gleichfalls neue Deutungswege Hegels und befreiten ihn vom sich manifestierenden Verdacht, ins Lager der konservativen Feinde übergelaufen zu sein – immerhin fiel seine Professur in die beginnende Wiener Restaurationsphase nach der Niederlage Napoleons. (https://www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/hegel-jahrhundertfund-2022/)

Inhaltlich rückt die „Enzylöpädie der Wissenschaften“ (EdG) in den Vordergrund seiner Vorlesungen. Darin führt Hegel die Religion, die Natur, den Geist zusammen. Zum objektiven Geist rechnet er Moral (darunter fallen Vorsicht, Absicht und das Urteil in gut und böse), Sittlichkeit (darunter subsumiert er die Familie), Recht (darunter subsumiert er Vertrag). Dass Moral nun der objektiven Seite zufällt mag überraschen.

Der freie Geist bleibt hingegen ein Element der subjektiven Seite des Geistes. Freiheit wird zum Zweck setzen (Freiheit für etwas, z.B. eine Pflicht) und Verwirklichungsgrund (mit Einsicht handeln); die Freiheit von etwas (im Sinn einer Befreiung) tritt in den Hintergrund. Vereinfacht: etwas sehend, bewusst und absichtsvoll zu bezwecken, darin besteht die eigentliche Freiheit des Subjekts. Entscheidend wirkt in der EdG §147, die List der Vernunft.

Foto Bernd Oei: Heidelberg, Blick vom Schloss auf den Neckar samt Neckarbrücke. Hegel verbrachtte von Oktober 1816- September18 zwei Jahre in der Stadt und unterrichtete an der Universität. Er wohnte mit seiner Frau und vier Kindern in der Friedrichstraße 10.

Foto Bernd Oei, Heidelberg, Friedrichstraße in der Altstadt.

Foto Bernd Oei: Heidelberg. Das Schloss und Altstadt-Fachwerkhäuser sind erbaut aus rotem Neckartäler Sandstein; im Hintergrund der Odenwald.

Foito Bernd Oei. Heidelberg,Kornmarkt mit Madonna-Brunnen (Muttergottessäule, 1718) im Vordergrund und Schloss im Hintergrund. Seine Ruinen wurden Wahrzeichen der Romantik und zogen die Hochromantik (von Arnim, Brentano) an – mit beiden war Hegel befreundet.

Absolute Freiheit

In Berlin tritt die Staats- und Rechtslehre in den Vordergund. Engels fasst Hegel so zusammen, nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liege die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. Entscheidend ist die Verwirklichung des Zweckes. Die Vernunft bedient sich der List, Leidenschaften und damit Partikularinteressen so für sich und das Allgemeine (Notwendige) wirken zu lassen, so dass dasjenige, «durch was sie sich in Existenz setzt, einbüßt und Schaden leidet»

Damit ist klar positioniert: das Individuum ist Mittel zum Zweck für das Ganze, Allgemeine, Notwendige. Höchste Idee: dies geschieht, damit sich die absolute Freiheit verwirklichen kann. Für Kant undenkbar, dass der Mensch Mittel zum Zweck werde, der durch seine Güte die Gewalt rechtfertige. Hegel überschreitet die Grenze, weil er an den Fortschritt des Geistes, die Vernunft glaubt und Rückschläge in Kauf nimmt. Es ist eine geschichtsphilosophische und vielleicht auch anthroposophische Perspektive und manche meinen auch psychologische Rechtfertigung, dass das Schlechte für die Gegenwart immer noch das Gute für die Zukunft beinhaltet.

Hier setzt Adornos Hegelkritik in der Kritik der Aufklärung ein, wenn er von der Selbstermächtigung (dargestellt im Odysseus-Kapitel, der mit List sich Natur unterwift) spricht, mit der der subjektive Geist die Natur zum bloßen Objekt degradiert und desavouiert. Pointiert: Die Natur, auch der Leib des Menschen, wird zum bloßen Gegenstand einer höheren Gewalt, die den Fortschritt erzwingt. Er bezieht sich dabei u.a. auf Hegels Aussage

Die Idee bezahlt den Tribut des Daseins und der Vergänglichkeit nicht aus sich, sondern durch die Leidenschaften der Individuen» … Ein anderer Anwendungsfall ist das technische Verhalten des Menschen zur Natur“ .

Hegels Freiheitsvorstellung bezieht sich gegenüber Kant auf Gesellschaft und konkret auf Staat, in dem Freiheit sich einzig für alle verwirklichen lässt. Poitniert: er opfert das Individuum für angebliches Gemeinwohl. Die Sicherheit triumphiert über die Freiheit: für Hegel geht das Eine in das Andere über; das wird bereits in Herr und Knecht bzw. doppelte Negation deutlich: allerdings bedarf es hier einer wechselseitigen Zustimmung. Diese wäre bestenfalls in einer direkten Demokratie denkbar. Hegel positioniert sich aber für die konstitutionelle Monarchie und selbst eine repräsentative Demokratie ist ihm bereits vernunftfern. List ist das Negative der Gewalt, Gesetz das Positive der Gewalt. Der Rechtsstaat und die Verwriklichungsgrund der Vernunft sind identisch.

Fazit: Vernunft steht über der Freiheit, wie Philosophie und der Begriff über der Religion und der Staat (Notwendigkeit, Zweck) über dem Individuum (Mittel). Der Einzelne wird zum Werkzeug über ihm stehender Absichten, an erster Stelle sei hier nochmals der Weltgeist genannt. Vereinnahmung durch Geschichte wäre ein zugespitzter Begriff dafür. Einen Verrat seiner ursprünglichen Freiheitsidee erkenne ich darin nicht, aber eine Schwerpunktverlagerung. Zum einen mag die Enttäuschung über den Verlauf der Französischen Revolution und zum anderen seine Skepsis dem Jungen Deutschland ( Vormärz) geschuldet sein. In jedem Fall sind polemisierende Äußerungen wie Hegel als Vordenker des Totalitarismus zu denken zu verwerfen. Seine Idee des Staates geht von der Fortschrittsgläubigkeit und einem intakten Gottesverhältnis aus, das dem zügellosen Handeln Schranken auferlegt.

Berlin, Humboldt-Universität. Von 1818 an trat Hegel in preußische Staatsdienste und war ordentlicher Professor, zuletzt sogar Direktor der von Fichte gegründeten Universität unter den Linden. (https://www.hu-berlin.de/de/ueberblick/geschichte/rektoren/hegel).

Berlin Mitte, Dorotheenstadt, Im Kupfergraben 4a erlag nach 12 jähriger Wirksamkeit in Berlin Hegel Am 14. 11. 1831einer Magencholik am 14. November 1831- Ursache hierfür war die Choleraepedemie. (https://www.fr.de/kultur/timesmager/choleratod-13606061.html). Das Wohnhaus selbst wurde bombardiert. Der Kupergraben erstreckt sich etwa einen halben Kilometer Länge an der Spree unweit der Museumsinsel.

Berlin, Dorotheenstädtischen Friedhof, Hegels Grab, das ich 2006 besuchte. (https://www.feinschwarz.net/besuch-am-grab-von-hegel/). In der Religion setzt sich der Mensch in Verhältnis zu dieser Mitte, schreibt Hegel in seiner Religionsphilosophie, dem Manifest der Rechtshegelianer.

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