Foto Belinda Helmert: Nacht in derStadt des Lichts Lissabon und Skuptur die Tänzer
Mit Bataille gegen den Krieg
Es scheint Selbstironie: Bataille (französisch: Schlacht) war Pazifist. Sein Vater war Alkoholiker und wurde als nervenkrank in eine Klinik verbracht: die Mutter sexuell promiskuitiv und hyperaktiv – er selbst suchte im Kloster und der Religion Zuflucht, stieß dort ebenso auf Gewalt und Missbrauch. Bei dem vielseitigen Werk des Franzosen, das immer um Ausgrenzung kreist und tradierte (scheinbar eindeutige) polarisierte Begriffe hinterfragt, ist aus aktuellem Anlass auch auf seine Gedanken zum Krieg zu achten.
Die Zitate sind alle seinen Schriften „Der heilige Eros“ und „Die Tränen des Eros“ entnommen. Beide Werke der Fünfziger Jahre sind Anthologien, Aufsatzsammlungen und aufgrund nie endender Aufrüstung oder Kriegshandlungen auch aktuell geblieben. Ein Anspekt berührt die Entstehung, den Sinn und die Überschreitung von Tabus, zu dem auch der Mord bzw. das Töten im Krieg zählen. Sie sind Folge eines Ungleichgewichts aus lebensbejahnendem Prinzip Eros und lebensbegrenzendem Prinzip Thanatos.
Bataille, drei Jahre vor Nietzsches Tod geboren, gehört der zweiten Generation seiner Rezeption an, die zwei Weltkriege erlebt. Viele seiner Mitstreiter müssen in der Résistance töten oder sehen sich zumindest mit existentiellen Fragen der Schuld und des Ressentiment konfrontiert. Erhinterfragt die Lust am Krieg,die trotz aller moralischer Beteuerung immer wieder aufflammt.
Krieg als Aggressionsstau
„In einem gewissen Sinne ist der Krieg nichts als die kollektive Organisation der Aggressionstriebe.“
Bataille, drei Jahre vor Nietzsches Tod geboren, gehört der zweiten Generation seiner Rezeption an, die zwei Weltkriege erlebt. Viele seiner Mitstreiter müssen in der Résistance töten oder sehen sich zumindest mit existentiellen Fragen der Schuld und des Ressentiment konfrontiert. Bataille beklagt die Lebensfeindlichkeit in der Religion, aber auch die des Staates, die erotische (zwischenmenschliche lebensbejahende) Kontakte weitgehend unterbindet. Er kritisiert die allianz von Kirche und Staat, die unerwünschtes Verhalten als Sünde ausschließt und Sexualität vonn Erotik nicht trennt. Gewalt soll zielgerichtet erfolgen und kontrolliert wie instrumentalisierbar sein. Die Folge ist gezieltes, erlaubtes Töten als ein ideologisch, politisch oder religiös motiviertes Instrument von Patriarchen. Krieg wird zum Kanal für Aggressionsstau und Feindbilder, die meist von inneren Problemen und Diversitäten ablenken sollen. DerKrieg gilt sit Jahrtausenden als heilig.
„In einem gewissen Sinne ist der Krieg nichts als die kollektive Organisation der Aggressionstriebe.“
Bataille, drei Jahre vor Nietzsches Tod geboren, gehört der zweiten Generation seiner Rezeption an, die zwei Weltkriege erlebt. Viele seiner Mitstreiter müssen in der Résistance töten oder sehen sich zumindest mit existentiellen Fragen der Schuld und des Ressentiment konfrontiert. Bataille beklagt die Lebensfeindlichkeit in der Religion, aber auch die des Staates, die erotische (zwischenmenschliche lebensbejahende) Kontakte weitgehend unterbindet. Er kritisiert die Allianz von Kirche und Staat, die unerwünschtes Verhalten als Sünde ausschließt und Sexualität vonn Erotik nicht trennt. Gewalt soll zielgerichtet erfolgen und kontrolliert wie instrumentalisierbar sein. Die Folge ist gezieltes, erlaubtes Töten als ein ideologisch, politisch oder religiös motiviertes Instrument von Patriarchen. Krieg wird zum Kanal für Aggressionsstau und Feindbilder, die meist von inneren Problemen und Diversitäten ablenken sollen. Der Krieg gilt seit Jahrtausenden als heilig.
So segnet die Kirche als die religiöse Institution bisweilen den Krieg, sie verbietet interkonfessionelle Ehen, schließlich setzt sie Eros mit Leidenschaft und Trieb gleich bzw. tabuisiert sie Sexualität. Stattdessen inszeniert sie einen Opfer-Mythos, der auch für Kriege Verwendung findet. Das Heilige an der Religion und der religiöse Aspekt des Erotischen liegen im Opfer und der Schuldzuweisung eines Täters.
Bataille greift auch auf Nietzsche zurück, weil er für Kriegspropaganda missbraucht wurde. Zu den vielen Pervertierungen gehört, das Denken eines Pazifisten zu Kriegsverherrlichung zu entstellen. Die Individualität, eigene Grenzen und Vorurteile zu überwinden, wurde nach außen projiziert: es galt den Feind zu überwinden und Grenzen zu verschieben, auch Grenzen des Erlaubten. Krieg ist ein Tabu. Wie jedes Tabu kann und soll es sogar überschritten (transgrediert) werden. Transgression der Konvention ist notwendig, um die Tyrannei der Vernunft zu verhindern, die apokalyptisch in der Massenvernichtung endet. Batailles fundamentale Botschaft ist Nietzsches heiliges Ja zum Leben trotz aller widrigen Umstände und ein Nein zum Krieg, zur Herrschaft und zum Kapitalismus, der die Menschen zu Konsumeinheiten degradiert. Atheismus als die Wiederbelebung des Heiligen; aus seiner Sicht hat das Christentum mit seiner Opfermentalität zwei Weltkriege mitverschuldet und den Kolonialismus gefördert, den Ethnologen als Genozid bezeichnen.
Verwechslung von Wille an die Macht mit Wille zur Macht
Der „Wille an die Macht“ (von dem Nietzsche nicht ein einziges Mal schreibt) liegt in der Bereitschaft zum totalen Krieg. Der Wille zur Macht liegt in der Eigenverantwortung und dem Prinzip heiligen Ja zum Leben. Was Nietzsche dionysisch nennt Bataille Eros, Lebenstrieb. Sie basiert auf innere Erfahrung, die Selbstbewusstsein ermöglicht und Voraussetzung zu einem angsgfreien offenen Dialog mit dem Anderen (auch in uns selbst) bietet. Wo sie fehlt, ist Massen-Wahn, kollektive Angst und schließlich kollektiver Suzid (Krieg) die Folge. Krieg ist die Folge von Entfremdung, der auf Ausgrenzung und Intoleranz eigener oder fremder Heteorgenität basiert. Erotik hingegen fördert die innere Erfahrung und Selbstreflexion:
„Die innere Erfahrung mit der Erotik verlangt von dem, der sie macht, eine nicht weniger große Sensibilität für die Angst, die das Verbot begründet, wie für das Verlangen, das zu seiner Übertretung führt.“
Der Eros integriert Heteronomie, gerade weil er eine Autonomie im Inneren festigt. Diese besteht nicht in einem Eigenbild, das vor Fremdwahrnehmung geschützt werden muss, sondern in einem Miteinander von Ein- und Vorstellungen, die nicht ausgrenzt, sondern mäßigend eingrenzt. Der Eros ist unvereinbar mit kriegerischen Handlungen, weil dieser auf das Bestreben, etwas zu begrenzen, zu kontrollieren, basiert. Krieg ist Ausdruck von Totalität: es kann keine Rechtfertigung für ihn erfolgen.
Krieg die Folge von Lebensmüdigkeit
Der „Tod Gottes“ bedeutet für Bataille das Ende alles Heiligen. Er ist die einzige Waffe gegen den vorherrschenden Rationalismus, der Krieg mit Gegenkrieg (Sartres Loyalität mit Stalin) zu beantworten sucht. Bataille differenziert in eine knechtische reaktive Gesinnung des Schreibens der littérature, die sich der selektierenden Ordnung des Logos unterwirft und eine freie écriture, die offen und experimentell bleibt, so dass sie einen wahren Diskurs erlaubt. Der Tod Gottes bedeutet vor allem: Der Mensch hat vor sich selber Angst er ist seines Vertrauens beraubt und darum lebensmüde. Die Kultur der Rationalität beraubt den modernen Mensch der griechischen Heiterkeit, seiner fröhlichen Wissenschaft. Der Verlauf der Geschichte zweitausendjähriger Herrschaft des Christentums bildet den Vorlauf, der „Tod Gottes“ sein Echo. Die Predigt von Altruismus, Barmherzigkeit und Frieden haben zu Egoismus, Ressentiment, Krieg geführt.
Nietzsche sieht im Christentum eine große Lüge durch Verfälschung aller lebenswerten Werte und der Verabsolutierung des Todes. In der „Ewigen Wiederkehr des Gleichen“ soll nun das Leben geheiligt werden und nicht der Tod.Im Zeitaler der Rationalisierung habe man den Wahn dämonisiert und den Sinn instrumentalisiert: das Ergebnis sei in zwei Weltkriegen und Kolonialkriegen abzulesen. Nietzsche hingegen habe seinen Verstand auf wundersame Weise verloren: «Il a perdu son raison d´une manière magnifique».1Er hat „Verführung“ (tentation) gewagt, die Bataille „l´ érotisme“ nennt. Nietzsche erst führt Wahn und Sinn, Heiliges und Eros (wieder) zusammen.
Ein solches Denken sei nicht zu verstehen, sondern nur zu fühlen und zu erleben.
„Ich traue keiner Wahrheit, die ich nicht selbst erlebt habe“
Bataille bedenkt, dass große Kriege mit inflationären Sterbeziffern die Konsequenz der Geringschätzung des Sterbens sind. Der „verfluchte Teil“ ist das vom Leben ausgegrenzte Ende, dem Bataille eine heilige Thanatologie entgegenstellt, die auf alte Kulturen wie die Ägyptische oder auf den vorsokratikischen eu thanatos (Lehre vom guten Tod) beruht. Mit Heraklit: Du stirbst, wie du gelebt hast. Der heilige Tod beinhaltet als begrenzende Form ein notwendiges Gegengewicht zum entgrenzenden heiligen Eros. Er bezeichnet Exekution und Krieg als scheinheilige Lüge einer «société suicidaire» (sterbensmüden Gesellschaft), die sich zu wenig Gedanken über die Qualität des Lebens, der Freude, der Lust macht. Krieg und Todesstrafe (Lynchjustiz) sind ein kollektiver Suizid in seinen Augen und ihn nicht als Wahnsinn zu erkennen deutet auf eine Gesellschaft, die in ihrem Logos selbst fanatisch und irre ist.
1 Bataille, oeuvres complètes III, «La folie de Nietzsche», S. 387.
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