Die potemkinsche Moschee im Osten

Palast Bahia, Marrakesch

Aufnahme aus einer Ausstellung im ehem. Bahia Palast, Marrakesch über den Sultanspalast und seine Beförderungstechnik Anfang des 20. Jahrhunderts

Potemkinsche Dörfer kennt man im Zarenreich und als Filmkulissen (https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/p:potemkinschedorfer-6418). Kurz vor der Wende auch in Ostberlin.

Gaddafi und die fehlende Moschee

Anlässlich seines Auftritts im Nienburger Theater im November gab Gregor Gysi eine Anekdote zum Besten, welche Errfindungsgabe und Flexibilität der ehemaligen DDR dokumentieren sollte. Es trug sich zu, dass Gaddafi, von 69 bis 2011 Regierungschef (Diktator) Lybiens, den Botschafter seines Landes in Ostberlin einem Besuch abstattete. Er zeigte sich darüber verwundert, dass es keine Moschee für die Mitarbeiter des „Volksbüros“ gab. Auf seine Frage, wo seine treuen Angestellten beteten, verwies die Regierung der deutschen demokratischen Republik auf den nahen Westen und eine Sondergenehmidung zur Ausfahrt. Gaddhafi, nicht mit dieser Gepflogenheit einverstanden, überwies eine horrente Summe mit dem Verwendungszweck, eine Moschee zu bauen.

Foto Bernd Oei: Marrakesch, Palast Bahia mit Orangenhain. Der 1578 vollendete Bau widerspiegelt die Pracht des „goldenen Sultanats“ unter Sultan Ahmad al-Mansur, der als der größte seiner Zeit. Das unter der Herrschaft der Saadier errichtete Gebäude liegt unweit des jüdischen Viertels, der Mellah und wurde unter den Alawiden und dem Großwesir Bou Ahmed im 19. Jahrhundert erweitert.(https://riads-marrakesch.de/bahia-palast/). Inm französischen Protektorat verkam er zusehends.

Sieben Jahre später reiste Gaddhafi erneut in den östlichen Teil Deutschlands, um die diplomatischen Beziehungen zu pflegen. Seine unverhoffte Anreise löste eine gewisse Aktivität im Berliner Regierungsstab aus. Das Geld war angekommen, die horrende Summe für Kitas und sozialen Wohnungsbau ausgegeben, an eine Moschee niemals gedacht worden. Was tun, wenn der Regierungspräsident (Diktator) das mit seinen Geldern erbauten sakrale Bauwerk in Augenschein zu nehmen gedachte? Eine von weitem ähnlich anmutende Architektur inmitten des Mekkas für Plattenbau lag in Sachsen und damit für eine Besichtigungstour zu weit entfernt. So kamen die Geister der Republik auf den Gedanken, ein Wasserkraftwerk aus den Zeiten von Sans Souci, das einen orientalischen Anstrich trug, als solches auszuweisen.

Foto Bernd Oei: Lüfungsschacht und Gräber des ehemaligen Bahia-Palastes, Marrakesch. Nach der Machtübernahme Ahmad al-Mansur, der Andersgläubige tolerierte, lies er um 1570 einen Palast um die Gräber herum erbauen. (https://riads-marrakesch.de/saadier-graeber/#Sultan_Ahmad_al-Mansur_verleiht_der_Grabstaette_neuen_Glanz).

Natürlich galt es, dem Innenleben einen spirituellen Anstrich zu verleihen. Man begann, Teppiche zu verlegen und sorgte für das notwendige Inventar, nach der Vorlage einer Moschee im Berliner Westen. Ein belesener Mann in Regierungskreisen verwies im letzten Momenent auf die nach Mekka auszurichtende Lage des Gebetsgewebes. Diese lagen de facto alle verkehrt herum. Dies sorgte für eine Umräumaktion in letzter Minute. Zum Besuch kam es dennoch nicht. Gaddhafi hatte die Zahlung schlichtweg vergessen. Die ehemalige DDR und die ehemalige Rgierung Lybiens kooperierten auf wirtschaftlicher Basis und mittels bilateraler Verträge. So schrieb die FAZ 2008: „Der Libysche Geheimdienst pflegte in den siebziger Jahren auch geheime Kontakte mit Ost-Berlin. Gaddafi wollte in der DDR Waffen kaufen, und die DDR brauchte dringend Geld – um sich der „zionistischen Lobby“ zu erwehren.“ (https://www.faz.net/aktuell/politik/geheimdienste-libysche-hilfe-fuer-die-ddr-1546425.html)

Foto Bernd Oei: wiederhergestellte Holztäfelung in den Palastwänden. Die Kooperation europäischer (vor allem ostdeutscher und französischer) Archäologen und Einheimischen ermöglichte dieses Glanzstück kultureller Zusammenarbeit.

Die Verbindung wurde Mitte der Achziger Jahre auf eine harte Probe gestellt:1986 wurde in Friedenau, Hauptstraße 78 ein Sprengstoff gezündet; etwa 260 Besucher dere Disco La Belle wurden teilweise tödlich, häufig schwer oder leicht verletzt. Die meisten von ihnen standen mit dem amerikanischen Militär in enger Verbindung; der Anschlag konnte Gaddhafis Geheimdienst nachgewiesen werden, der zur Befreiung Palästinas von der semitischen Besetzung beitragen wollte. Die US-Regierung sah darin einen Vergeltungsschlag für zwei zerstörte Kriegsschiffe vor Tripolis. Gaddhafi überwies über 35 Millionen an die Opfer der Discothek. (https://de.wikipedia.org/wiki/La_Belle_(Diskothek). Regan beschloss dennoch, Tripolis zu bombardieren

Fünf Jahre später hätte Gaddhafi tatsächlich ein solches Moschee-Werk sehen können: in Potstadam an der Havel, Brandenburg, sieht das 1991 fertiggestellte Dampfmaschinenhaus (https://www.united-archives.de/id/01860452) einem Glaubenstempel zum Verwechseln ähnlich.

Foto Bernd Oei: Fenster im jüdischen Viertel (Mellah) von Marrakesch. Während arrabische Wände keine Fenster in den Außenwänden besitzen, gehören Balkons und Fenster zur jüdischen Bauweise. (https://www.deutschlandfunk.de/juedische-identitaet-und-zeitgenoessische-architektur-100.html)

Die Söhne Zions

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zogen jüdische Flüchtlinge (Verfolgte) in der so genannten ersten Welle (alija) nach Palästina. Sie kamen zunächst aus Russland und Osteuropa, waren demnach orthodoxe Chassiden. Um die Jahrhundertwende festigte sich der Begriff Zionismus als Ausdruck für die Forderung nach einem eigenen Staat für die semitische Bevölkerung. Der Gründer dieser Bewegung, Birnbaum, wandte sich aufgrund zunehmende Radikalisierung, vom Zionismus ab. Wichtigster Redeführer wurde Herzl, der Kongresse für die Etablierung eines jüdischen Staates in ganz Europa organisierte.

Zion ist der heilige Tempelberg Jerusalems, das in vier Zonen (Viertel) geteilt ist: ein jüdisches, ein christliches, ein muslimisches und ein armenisches. Bis zum Sechstagekrieg 1967, den Israel gewann, gehörte den Semiten nur der Westen. Palästina beansprucht zumindest die Wiedererlangung der Autonomie im Osten, Radikale fordern die gesamte Stadt zurück, da sie Israel als historisch nicht existierend ablehnen. Palästina wird seinerseits von Israel nicht als Staat anerkannt.

Foto Bernd Oei: fleischbeschau in der Mellah von Marrakesch. Der oft zitierte Vergleich mit einem Ghetto hinkt: während dieses nur unangenehme Assoziationen, verbunden mit Diskriminierung, hervorruft, handelte es sich bei der Mellah in arabischen Ländern lange Zeit um eine firedliche Koexistenz.

Mitte der Neunziger Jahre zog sich Israels Militär aus den Ostgebieten zurück, zehn Jahre später kam es zur Teilung Plästinas in Gaza westlich und östlich Westjordanien. Aus eigener Anschauung kann ich nur von einer repressiven Politik Israels sprechen, die u.a. Wasserressourcen dem Jordan abzieht und den Import lebensnotwendiger Nahrungsmittel limitiert bzw. preislich reguliert. Die ständigen Vergeltungsanschläge hüben wie drüben schädigen beide Seiten in unannehmbarer Weise. Ein Aufeinander zugehen und verzeihen scheint aussichtslos, diplomatische Bemühungen ausweglos. Wer Vergeltung verübt, begeht immer Unrecht.

Auch die zweite Welle jüdischer Auswanderung nach der gescheiterten Revolution in Russland bis zum ersten Weltkrieg brachte noch keinen eigenen Staat Israel. Diesem kam man nach Ende des Krieges einen bedeutenden Schritt näher und viele Juden erhielten Land in dem weitgehend unbewohntem Gebiet. Vor allem der englische Premier Churchill sorfte für einen unkontrollierten Zugriff, der einer widerrechtlichen Aneignung gleichkam. Palästina stand damals unter britischem Mandat.

Foto Bernd Oei: Mellah in Marrakesch. Die Landflucht spülte zwei Drittel der im Maghreb lebenden Juden in die jüdischen Viertel der Großstädte, zu denen Marrakesch zweifellos zählt. (https://www.placesonline.de/marokko/viertel-strassen-plaetze-marrakesch/mellah)

Maßgeblichen Anteil an einer endgültigen Errichtung des jüdischen Staates besaßen die Nürnberger Gesetze 1935, welche Juden alle rechtlichen Grundlagen entzogen und sie als minderwertige Rasse denaturalisierte. Die Alliierten, vorweg England, wollte einen Krieg vermeiden und duldete daher den Zustrom der WestJuden, vornehmlich Aschkenasen, auf palästinänsischem Gebiet. Weitere Flüchtlinge folgten nach den Novemberpogromen 38 aus Deutschland und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, diesmal aus Polen. Damit waren Fakten geschaffen.

Foto Bernd Oei: Marrakesch, Mellah. Folgen des Erdbebens am 11. September – das Epizentrum lag circa 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Hohen Atlas (https://www.spiegel.de/reise/fernweh/erdbeben-in-marokko-was-urlaubende-jetzt-wissen-muessen-a-c6e3d60a-1621-4533-9600-91a91f1b7ebc).

Ein neuer Staat und alte Probleme

Der Holocaust beinnt offiziell mit dem Bruch des Stalinpaktes und dem damit verbundenen Einfall deutscher Truppen in Russland, begleitet von der „Endlösung“, dem geplanten und durchgeführten Genozid. Gleichzeitig hatte sich in Palästina eine illegale Einwanderung etabliert. Organisationen wie die Hagana, die Mossad und die paramilitärische Palmach bzw. Igrun entstanden; es kam auch zu Attentaten gegen die britische Verwaltung, nachdem diese Boote mit Flüchtlingen nach Mauritius verschifft hatte, um der unkontrollierten Einwanderung entgegenzuwirken. Doch wer von Gysi lernen will: wer überleben möchte, muss Komrpomisse machen.

Foto Bernd Oei: Mellah von Marrakesch und eine Blumenhändlerin.

1945, als Zugeständnis zu den Opfern des Weltkrieges, stimmte die britische Regierung einem Mandatsverzicht in Palästina zu und überlies den angestammten Arabern ihrem Schicksal. Die Gründung Israels erfolgte 1946. Unrecht erfolgte vorher und nachher auf beiden Seiten. Die Gewichtung darf allein kein Maßstab sein. Das Miteinander und mögliche Gleichstellung auf allen Gebieten muss im Sinne aller oberste Priorität besitzen. Wie die Geschichte zeigt, lassen sich ethische Konflikte nicht ausgrenzen und religiöse nicht diplomatisch lösen, zumal die realen Herrschaftsverhältniss ungleichgewichtig sind. Vor allem muss endlich erkannt werden: ein Weltfrieden kann nicht mit einem zwischezeitlichen Burgfrieden erkauft oder Konflikte ausgelagert werden. Einseitige Schuldzuweisung, unilaterale Schutz- und solidaritätsabkommen führen zu nichts. Wir sind alle Bürger einer Welt und nichts anderes.

Foto Bernd Oei: Freihängende Elektrokabel im Suk der Mellah, Marrakesch.

Empfohlene Beiträge

Noch kein Kommentar, Füge deine Stimme unten hinzu!


Kommentar hinzufügen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert