Die Ermordung der Demokratie durch Dummheit

Foto Belinda Halmert, Bastei (Sächsische Schweiz), Schlösser, Detail

Demokratie: nur ein Missverständnis ?

Die Wurzeln der Demokratie liegen in Athen. Das Verhältnis von Kunst und Demokratie oder Philosophen und deren pro und contra ist seitdem legendär. Möglicherweise überfordert die Demokratie und ihr Scheitern auch die Kunst und sollte Politikwissenschaftlern überlassen bleiben. Paradox bleibt es in jedem Fall. Zwischen Führung und Verführung liegt nur ein schmaler Grad: Führt das Volk in einer Demokratie oder wird es von ihr verführt?

So hatte Baudelaire nur Spott für die Bemühungen, das Volk in politische Entscheidungen einzubetten übrig, bewunderte aber den Maler Delacroix als Genie des Jahrhundert, obschon dieser mit seinem epischen Gemälde „Die Freiheit führt das Volk an“ sich eindeutig zur Demokratie, der Macht durch das Volk, bekannte. Dessen Versagen bei der Februarrevolution 1848 führte zum Hass der Intellektuellen auf die Dummheit der Masse, zumindest bei zahlreichen Künstlern, die sich aus Verbitterung und Enttäuschung der Geistesaristokratie oder der elitären l´ art pour l´art verschrieben.

Näher an die Gegenwart rückt das Versagen der Weimarer Republik, der ein demokratisches Bemühen ebenso wenig abzusprechen ist wie das engagierte Eintreten der Künstler, der so genannten Bohème für ihren Fortbestand. Hitler wurde gewählt. Franco erhielt nach seinem Putsch Zulauf der Massen, Salazar ebenso wie Mussolini. Das sind die Fakten: Diktatoren erfreuten sich großer Beliebtheit aufgrund Charisma, Führungsstärke, Entschlossenheit. Schwarz und Weiß kommt beim Volk, das gerne Grau trägt und sich dahinter versteckt, gut an.

Demokratie als Kulturimport

Allerdings musste im Fall Deutschlands ein erster Weltkrieg und ein taumelnder Kontinent der demokratischen Bewegung Vorschub leisten – man stolpert mehr in die Bewegung hinein, als das man sich von ihr mitreißen lies. (https://www.bpb.de/themen/erster-weltkrieg-weimar/weimarer-republik/275870/weimar-und-der-kulturelle-aufbruch/).

Demokratie muss man lernen. Sie wird einem nicht geschenkt. Wenn doch, geht es meist schlecht aus. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahmen die Amerikaner die Rolle der Hebamme. Und bei aller Liebe: ausgerechnet Amerika als Wiege der modernen Kultur der Demokratie? Als Schutzherr der demokratischen Werte? Wer kann das unterschreiben, ohne Blut an den Fingern und der Zerstückelung von Selbstbestimmung. Krisenzeiten fördern immer Extremismus und leider leidet jedes Jahrhundert an alten, unbewältigten oder neuen Krisen. Die heutige Osat-West- Schieflage ist augenscheinlich der verpassten Chance der Bundesrepublik geschuldet, einen Ausgleich, sowohl intern (Wiedervereinigung im Kolonialherrenstil) als auch extern (Amerikahörigkeit nach Glasnost und Perestroika) im Gefüge der Welt zu finden.Nur im Getränk mixen die Deutschen Cola und Wodka ideologische Systeme.

Foto Belinda Helmert: Skulptur im Dresdner Zwinger (eine von 132 Großfiguren) im Schatten. Wenn Götter Trauer tragen….

Demokratur

In der Kunst gibt es keine Demokratie. Vielleicht eine Art Demokratur, eine Mischung aus beidem. Zuviel Demokratie schadet der Entscheidung, zu viel Konsens und Mitbestimmung der klaren Kontur. Dem Beuys-Zitat zum Trotz: Die Verwirklichung der Demokratie ist die primäre Aufgabe der Kunst in der Gesellschaft“. Der Neologismus, ein Synkretismus aus Demokratie und Diktatur, hat historisch einen antiken Vorlauf. Zurück zu Aristoteles.

Da Sokrates von den Athenern, sei es durch Bestechung für ihre Stimmabgabe oder Überzeugung Kraft der Rhetorik seiner Ankläger in ihrer Verblendung den weisesten Mann ostrakisierten, also per Scherbengericht in die Verbannung schickten und später zum Tod verurteilten, darf man euphemisierend sagen, dass Volkes Wille launisch ist. Man darf auch getrost pointiert deklamieren: In der Demokratie herrschen die Dummen, die Viel zu Vielen, die Meinungen mit Fakten verwechseln.

Angeblich wünscht man sich selbst in der Schweiz einen König. Die Begeisterung der Deutschen für Klatsch und Tratsch rund um das britische Königshaus ist geradezu Treibstoff für den so genannten Boulevardjournalismus und damit eigener Wirtschaftszweig. Dazu ein Zitat Churchills, dass ein fünfminütiges Gespräch mit einem Durchschnittsbürger ihn davon überzeugt hätte, dass Demokratie zu vermeiden sei: https://www.watson.ch/schweiz/wissen/895022858-nach-diesen-22-zitaten-ueber-demokratie-wuenscht-man-sich-fast-die-schweiz-haette-einen-koenig.

Wieder zurück zu Aristoteles. Vorwegnehmen sollte man die Tatsache, dass weder über der amerikanischen Verfassung die Frauen und Sklaven (also weit unter 50 Prozent) abstimmten noch bei den Hellenen mehr als zehn Prozent freie Staatsbürger waren (der große Rest: Besitzlose, Fremde, Nichtbürger, Unfreie), denen die Rechte der Demokratie eingeräumt wurden. Ein wirkliches Vorbild für eine wenigstens numerische Demokratie fehlte daher bis ins 20. Jahrhundert.

Das Volk als Despot

Im vierten Buch der „Politik“ schreibt Aristoteles über diverse Formen der Demokratie, u.a. die direkte, die repräsentative, die eingeschränkte und die uneingeschränkte. Aristoteles sprach von gesetzlicher Willkür der Volksmacht: „Denn da ist das Volk Alleinherrscher, wenn auch ein aus vielen Einzelnen zusammengesetzter.“ Es braucht demzufolge einer Mehrheit an Schlauen, damit nicht die Willkür der Dummen regiert. (https://www.focus.de/wissen/experts/zerjadtke/demokratie-in-der-kritik-aristoteles-und-platon-waren-keine-fans-der-demokratie_id_4813409.html)

Wofür sich Aristoteles einsetzte war die gemäßigte Demokratie, in der Reiche und Arme im Stimmrecht gleichbeteiligt und gleichberechtigt waren. Besonnenheit und Mäßigung galten ihm als die Kardinaltugend der politie, die er stets mit guter Herrschaft verbindet. Die goldene Mitte galt Aristoteles gemeinhin als der Stein des Weisen. Zuviel Diskussionskultur schadet, Alleinherrschaft ebenso. Im Idealfall ist jedes Ressort mit dem begabtesten auf diesem Gebiet besetzt. Man sieht angesichts der heutigen Politiker weder Begabung noch die rechte Besetzung für das Ministerium und am allerwenigsten die Ausgewogenheit. Denn mit Mittelmäßigkeit darf diese nicht verwechselt werden. Der Verlust der Mitte wird immer dann bemerkt, wenn in Krisenzeiten Sündenböclke herhalten müssen für kollektives oder systemisches Versagen. Mit anderen Worten: Die Demokratie hat ihre Nagelprobe beim Virus „versaut“. Sie hat weder den rechten Umgang mit dem Recht noch mit dem vermeintlichen Unrecht gemeistert, sie hat weder Toleranz bewiesen, noch sich aus einer hysterischen Sorge um das eigene Selbst befreit. Sie hat beim Verbrechen an der Menschlichkeit zugeschaut, Lager gebildet, Hass geschürt.

Verlust der Mitte: Kollatoralschaden

Der Mittelstand bzw. der mittlere Stand soll weder zu reich noch zu arm sein, damit keine negative Herrschaftsform aus ihm erwächst. Betrachtet man unvoreingenommen die Herkunft oder gar Ursache der Probleme wird man feststellen: es waren ehemalige Kolonialstaaten wie Spanien oder England gefolgt von imperialistischen Nationen wie Amerika oder einfach nur überdurchschnittliche reiche Länder wie Deutschland, die eine Menge Kriege und Unglück andernorts anzettelten. Zuletzt hat man Kunst und Mittelstand einfach abgeschafft. Nebenbei Reste des Humanismus aus der Aufklärung entsorgt.

Wenn man einwendet, die größten Diktaturen lägen heute in China oder die Verursacher größter Menschenrechtsverletzungen ließen sich doch heute eher in Nigeria oder Afghanistan festmachen, so wird man einsehen (müssen): sie gehen auf Kolonialismus zurück, d. h. auf die Intervention europäischer oder amerikanischer Partikularinteressen. Im Fall von Jugoslawien leisteten amerikanische und russische Interessen Vorschub (präziser: unbewältigte Konflikte aus der ersten Balkankrise,, die den ersten Weltkrieg auslösten und denen des kalten Krieges und seiner Wirtschaftskrise nach dem zweiten Weltkrieg), im Fall der Ukraine jener, von den Amerikanern eingeleitete Umsturz beim Maidan 2010 bis 2014 (https://www.infosperber.ch/politik/welt/ohne-hilfe-der-usa-haette-es-keinen-staatsstreich-gegeben/) Das Unwort für jeden Krieg lautet Kollatoralschaden. Nicht zu begrüßende, aber zu billigende Fehler, Qualen und Rechtsbeugung.

Zu reiche Länder verursachen Armut anderswo, teils, weil ihr Reichtum auf deren Rohstoffe oder politische Unmündigkeit basiert, teils, weil Kriege ein profitables Wirtschaftsunternehmen sind und seit einiger Zeit, die wir Globalisierung heißen, weil mächtige wirtschaftliche Imperien die Strippen im Hintergrund ziehen. Genau genommen herrschen laut Aristoteles´Definitionen folglich Oligarchie und Timokratie in der Welt, die Terminologie Demokratie taugt nur als Alibi oder Feigenblatt.

Foto: Belinda Helmert, Porzellanmuseum Meißen, Motiv einer Kanne, Der kleine Maulwurf nach Zdeněk Miler. Die Birne galt den Hellenen als Geschenk der Götter. Hölderlins Gedicht „Hälfte des Lebens setzt ein: „Mit gelben Birnen hänget das Land“ .

Die Verbannung von Aufrichtigkeit und Intelligenz

Mit Demokratie hat das insofern zu tun, weil fast alle dieser Krisen auslösenden, die Krisen aber zugleich auslagernden Nationen demokratische Verfassungen haben. Eine Republik, die sich auf Demokratie gründet, sind absurd und schwach, sagte der Dichter der „Blumen des Bösen“, der Volksherrschaft mit Dekadenz und Demenz gleichsetzte. Der Fortschritt zeigt, dass die Minderheit meistens Recht hat und große Bewegungen oder Gedanken von Individuen ausgehen, die von ihren Zeitgenossen wie Sokrates gesteinigt oder verbannt wurden. Mit ihr wurden Aufrichtigkeit und Intelligenz des Landes verwiesen. Quasi exportiert und eskamortiert in einem. Scherbengericht, wie es die hellenischen Demokraten nannten.

Demokratie ist ein Mechanismus, der sicherstellt, dass wir genau so regiert werden, wie wir es verdienen.“ Der irische Dichter Shaw, der sowohl eine kommunistische als eine faschistische Phase durchlief (wie Mussolini auch) bringt es auf den Punkt: wir leiden unter der Regierung, die wir verdienen. Offensichtlich sind wie in unserer Verdummungsphase somnambuler „Schlafschafe“ (mainstream-Gläubige hier, esoterische Verschwörungstheoretiker dort) noch lange nicht am Tiefpunkt angekommen.

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