Der Wal im Müggelsee und die Wahl der Qual Fontanes

.Foto: Belinda Helmert, Großer Müggelsee mit Jacht, stillgelegter Brauerei Berliner Bürgerbräu und aufziehendem Gewitter aus Köpenick

„Courage ist gut – Ausdauer ist besser“

So zumindest sagt es Fontane, der eigentlich mehr für lange gediegene Sätze bekannt ist, aber als Reisejournalist, vor allem durch Brandenburg, auch lakonisch und pointiert zu formulieren verstand. Sein Rat könnte für unsere heutige Situation gelten und generell allen Schnecken zusprechen. Zahlreiche seiner Geschichten spielen am See, der immer beruhigend wirkt. Berlin ist reich, ahezu gesegnet mit ihnnen und an solchen spielt auch spielt auch sein letzter Roman, der posthum unmittelbar vor der Jahrhundertwende erschien.

An Wende oder Wendung mag man heute gar nicht mehr glauben. Etwa, dass die Mehrheit endlich noch begreift, wie wiedersinnig es ist, Russland zu dämonisieren (in Gänze) und zu sanktonieren wegen seines Kriegsvergehens an der Ukraine. Zum einen wirtschartlich, weil man sich damit ein Eigentor schießt und die Zeche der nicht so bemittelte Bürger (Fontanes Lieblingssubjekt) zahlt. Zum anderen diplomatisch, weil weder der Katar (Unterstützung terrostistischer Gruppen), Saudi Arabien (aktuell gegen Jemen) oder England (vor kurzem Jugoslawien und Falkland) noch Norwegen (Jugolslawien), ganz zu schweigen von den USA als Ölliferanten jemals von Kriegen abgesehen hätten, wenn sich die Regierung davon Vorteile versprach. Von den USA gingen mehr Kriege aus als von jedem anderen Staat. Werlcher davon gerechtfertigt ist, bestimmt das Pentagon. Wir schauen zu. Null Protest.

Ganz abgesehen davon, dass die USA zweifach den Krieg Putins vorbereitete und billigend in Kauf nah. Es scheint vergessen, dass man 2014 einen Militärputsch einleitete und diesen medial als demokratische Bewegung verkaufte. Vergessen auch, dass man nach der Wiedervereinigung, die wir primär Russland (Anerkennung der deutschen Gesamtrepublik, Rückzug der Truppe und Akzeptanz der Eingliederung des gesamten Flächenstaates in die Nato) zu verdanken haben, schriftlich vertraglich zusicherte, es gäbe keine Nato-Erweiterung gen Oste (not an inch). Das war dreist gelogen, denn neben dem forcierten Zerfall der UDSSR nahm die Nato alle Ex-Mitglieder des Warschauer Blocks auf und ignorierte sogar die Ukraine als letzte Schutzgrenze. Da Ausdauer mit dem Volk, den angeblichen Intellektuellen oder gar der Regierung aufzubringen, fordert viel Courage.

Foto Belinda Helmert: Großer Müggelsee, Berlin-Friedrichshagen, von der Spree durchflossen

Das Eis macht still und duckt das Revolutionäre

Fontane entschleunigt – besonders in seinen Alterserzählungen. So fehlt in „Der Stechlin“ fast zur Gänze eine Handlung. Sie wird zur Nebensächlichkeit. Der Stechlin erzählt von See und Schloss Stechlin, die in der Grafschaft Ruppin liegen. Dem See sagt man nach, dass er zu brodeln beginnt, wenn „auf der anderen Seite der Welt“ Katastrophen, Erdbeben und Revolutionen sich ereignen. Hier jedoch am stillen See ruht man sich vornehmlich aus und lässt alles schicksalshaft über sich ergehen:

„Im ganzen aber ließen beide besiegten Parteien dies [die Niederlage] ruhig über sich ergehen; bei den Freisinnigen war wenig, bei den Konservativen gar nichts von Verstimmung zu merken.“

Der alte Schlossbesitzer am Stechlin Graf Dubslav ist konservativ, er fühlt sich in den bestehenden Verhältnissen wohl. Von Freunden gedrängt, kandidiert er als Konservativer für den Reichstag. Er hält es aber für unter seiner Würde, auf Wahltournee zu gehen oder sich überhaupt Gedanken um ein politisches Programm zu machen. Er unterliegt daher dem sozialdemokratischen Kandidaten Torgelow, für den die kleinen Leute vom Lande und die Globsower die Mehrheit zusammenbrachten. Weil er sich nicht um eine positive Wahlaussage bemüht hat, so berührt Dubslav die Niederlage nicht weiter. Aber Fontane deutet es als Zeichen der Zeit des Untergangs.

Der Stechlin ist ein politisches Testament, geschrieben im Bewußtsein einer Zeitwende. Gegenüber seinen erstarrten und überlebten Standesgenossen, die satirisch gezeichnet werden, vertritt der alte Dubslav den Adel, „wie er sein sollte“: frei von moderner Heuchelei, aufgrund christlich-patriarchalischen Fürsorgedenkens aber offen für die moderne Idee sozialer Gerechtigkeit. Ebenso wie der Stechlinsee verspürt auch Dubslav in all seiner provinziellen Enge feinfühlig die kommenden sozialen Umwälzungen, die alle Ordnung sprengende Gewalt der Industrialisierung. Demgegenüber lebt er noch einmal vor, wie eine Verbindung alter moralischer Ordnung mit moderner Wendung zum Einzelmenschen aussehen könnte: Er gehorcht der Pflicht, im Dienst des Ganzen den persönlichen Egoismus zu überwinden; er lebt zugleich nach der Devise, jeder einzelne müsse sich immer wieder erneut und ohne Prinzipienreiterei fragen, welches Verhalten im einzelnen Fall das richtige sei.

Foto Belinda Helmert: Der Stechlin ist es nicht, sondern der Müggelsee, Berlins größter See. Dafür ist der Stechlin wesentlich tiefer

„Man muß sich untereinander helfen“

Fontanes Lehre geht noch weiter:

„Man muß sich untereinander helfen, das ist eigentlich das Beste von der Ehe. Sich helfen und unterstützen und vor allem nachsichtig sein und sich in das Recht des andern einleben. Denn was ist Recht? Es schwankt eigentlich immer. Aber Nachgiebigkeit, einem guten Menschen gegenüber, ist immer recht.“

Wo ist sie hin, unsere Solidarität? Sie gilt im Moment nur der Ukraine und Selenskyi ist ein Held, obschon der den Bürgerkrieg in den seit 2014 herrschenden „russischen“ Regionen Donbas und seit 2014, dem Putsch) mit Millionen Toten forciert und damit verschärft hat. Demokratische Regeln gelten hier ebensowenig wie für Anatolier oder Kurden in der Türkei; die selbstgerechte Art in gut und böse zu scheiden hat die deutsche Regierung von den Amerikanern übernommen und leider wird sie von einem Großteil selbterklärter „Gutmenschen“ im deutschen Volk goutiert. Selskyi mit Preisen und Ehrungen zu überschütten und gar mit Waffen auszurüsten ist die falsche Form von Nachgiebigkeit, die Fontane sicherlich nicht gemeint hat.

Eine friedliche Lösung bedarf, dass beide Parteien das Gesicht wahren können. Der Rückzug Russlands wäre ein Erfolg für die PR Maschine der von den USA gelenkten Selenskyi-Regierung. Die endgültige Neutralität der Ukraine unter Ausschluss der Nato (die auch in Jugoslawien gegen ihren Eid verstieß, nur in Verteidigungsfall einer ihrer Mitglieder aktiv zu werden) würde sich im Kreml als Erfolg verkaufen lassen. Worauf also warten, wenn Nachgiebigkeit immer recht ist. Ach ja, der gute Mensch ist auch im Zitat inkludiert. Doch wer von uns kann noch Anspruch auf ihn erheben? Er scheint dem Fabrikmenschen Platz gemacht zu haben, höflich wie er ist.

Foto Belinda Helmert:(Großer) Müggelsee mit ehem. Brauerei Berliner Bürgerbau, Berlins ältester Fabrik mit Ausschank-Spezialität Rotkehlchen.
1869 gegründet, zur Kühlung verwendete man Eis aus dem Müggelsee. Das Becks des Osten erreicht auch die USA , Japan und Australien. Von der Treuhand wie viele Betriebe kaputtsaniert, insolvent, an Oetker 2010 verkauft.
https://brauerei.mueggelland.de/bbb.html

Lasst uns Austern bestellen

„Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können.“

Was PR- Propaganda vermag sah man im Film „Haialarm am Müggelsee“ und sieht man, die Satire längst überbietend, in den heutigen Nachrichten, sei es C-Politik und medizinischer Hokuspokus oder die Darstellung des aktuellen Krieges in der Ukraine, von der Energiewende samt Mogelpackung ganz zu schweigen. Im Müggelssee ist es heute Mobby Dick, der schwimmt. (https://www.berliner-kurier.de/berlin/west-dampfer-legende-schippert-nun-im-ost-gewaesser-spaltet-moby-dick-berlin-li.233698) – ironischerweise ein West-Import zur Aufrechterhaltung der Ost- Nostalgie. 33 Jahre hat es gedauert, bis er seinen Weg hierher fand.

Im Roman hat Graf Dubslav Eigenschaften des Stechlins angenommen, die Fähigkeit zur Reflexion und zur Überwindung des eigenen interessegebundenen Standpunkts und die daraus resultierende Ambivalenz. Seine Schwester Adelheid verkörpert das genaue Gegenteil: Starrsinnig und ohne jeden Zweifel an der eigenen Position hält sie an ihren Überzeugungen fest und versucht, sie anderen aufzuzwingen. Am Ende verwendet Dubslav die Farbe Rot, die er selbst zu Beginn des Romans nicht leiden mochte, als Mittel, um sie aus seinem Schloß zu vertreiben. Adelheid hasst die roten Strümpfe, denn sie liebt den märkischen Adel und verabscheut die Sozialdemokraten. In Fontanes, dem Untergang geweihten, Zeit gab es noch klare Unterschiede, Werte, Positionen. Man wusste, wofür rot stand oder sozial. Nicht alles war besser, doch vieles klarer. Wählt man heute grün(kohl), bekommt man braun(kohle) dafür. Dubilslavs Rezept ist einfach:

„Es gibt nur ein Mittel, sich wohl zu fühlen: Man muß lernen, mit dem Gegebenen zufrieden zu sein und nicht immer das verlangen, was gerade fehlt.“

Wir saturierten Wohlstandsbürger haben vergessen, wie das geht. Wir spielen uns gegenseitig aus. Autofahrer gegen Radfahrer, angebliche Demokraten gegen angebliche Querdenker. Begriffe sind austauschbar geworden, sie stehen für nichts mehr oder eben all das, was man gerade als Feindbild braucht. Ständig moralisieren wir andere und sollten besser bei uns beginnen

Foto Belinda Helmert: (Großer) Müggelsee Anlegestelle des Mobby Dick. Maximale Tiefe: 7.7 m. Der echte Mobby Dick hätte da so seine Probleme.

Anstaunen ist eine Kunst

„Anstaunen ist auch eine Kunst. Es gehört etwas dazu, Großes als groß zu begreifen.“

Was die Menschen als groß bezeichnen erscheint verzerrt in heutiger Zeit und vom ehrfurchtsvollen Staunen ist wenig geblieben, Abstumpfung oder Sensationsgier überwiegen. In „Der Stechlin“ ist Preußen im Aufbruch und steuert im Kaiserreich über die eigenen Füße, um in einem Weltkrieg zu landen. Heute befindet sich Europa im Umbruch und scheint aus alten Fehlern keine Lehren ziehen zu wollen. Wir kommen voran, aber nicht weiter. Der Block, der Russland sanktoniert ist Westeuropa, Amerika (dem Strippenzieher) samt Kanada und Japan sowie Australien. Dagegen steht die neue Supermacht China, die so genannte dritte Welt in Afrika und Südamerika, aber auch Indien und eigentlich der Rest, den man hierzulande weniger gewichtet. Ist das Schiff nun abgefahren? Kommt es wieder zum Schiffbruch mit Zuschauern?

Pastor Lorenzen spricht im Roman am deutlichsten aus, worum es bei diesem Wandel geht:

»Der Hauptgegensatz alles Modernen gegen das Alte besteht darin, daß die Menschen nicht mehr durch ihre Geburt auf den von ihnen einzunehmenden Platz gestellt sind

Die großen Helden der preußischen Geschichte sind seiner Ansicht nach durch Erfinder und Entdecker abgelöst worden, und jede Propagierung des Heldischen empfindet er als Versuch, etwas Abgestorbenes künstlich wiederzubeleben. Dabei gilt den alten Familien durchaus seine Sympathie, ja er spricht sogar davon, sie zu lieben; nur glaubt er, daß ihre Zeit vorbei ist:

»Eine neue Zeit bricht an. Ich glaube, eine bessere und eine glücklichere. Aber wenn auch nicht eine glücklichere, so doch mindestens eine Zeit mit mehr Sauerstoff in der Luft, eine Zeit, in der wir besser atmen können

Was wäre dem in einer maskenlosen Zeit hinzuzufügen? Die Masken müssen fallen, nicht nur die FFP 2 sondern alle die wahren Gesichter verhüllenden.

Foto Belinda Helmet: Die, der oder das Mobby Dick hat abgelegt Richtung Treptow-Köpenick. Der Seel ist 4,5 km lang und 2,3 km breit. Im Anzug ein Gewitter.
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCggelsee



Empfohlene Beiträge

Noch kein Kommentar, Füge deine Stimme unten hinzu!


Kommentar hinzufügen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert