Deutschland, der bleiche Verbrecher

Mohnblumen

Foto Belinda Helmert: Lobetaler Mohnwiese im Barnimer Land bei Bernau/Berlin

Vorbild Nietzsche

Eigentlich hat alles, was meine Generation diskutierte, bereits bei Nietzsche die definitive Formulierung gefunden, alles weitere war Exegese. … Er ist, wie sich immer deutlicher zeigt, der weit reichende Gigant der nachgoethischen Epoche.“ Soweit Gottfried Benn in seiner Rede „Nietzsche nach 50 Jahren.“ ;Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, fünf Jahre nach Beendigung des Weltkriegs, den Deutschland heute wieder im Namen der Demokratie und der Menschrenrechte provoziert. Nietzsche spricht durch Zarathustra im gleichnamigen Kapitel vom „bleichen Verbrecher“, denn der Mörder Gottes löscht zugleich alle Werte aus, der individuellen Freiheit und den kollektiven Frieden eingedenk.

Die Erfahrungen des ersten Weltkrieges und Nietzsches Gedanken fließen in die Rönne – Novellen ein. An erster Stelle sind Sammlungen unter dem Titel „Gehirne“ (1916) zu erwähnen. In der literarischen Figur des Dr. Rönne (ein Alter Ego des Autoren) kulminiert Benns frühe Nietzsche-Rezeption, die aus dem Philosophen des Leibes einen Existenzialisten macht. Der am Zeitgeist leidende und an Nervenfieber erkrankte Rönne weist zahlreiche Identifikationsmuster zu Nietzsche auf, etwa seine subjektive Radikalität und der damit verbundene Zerfall von Innen- und Außenwelt. Zum zweiten seine Bezogenheit auf Kunst, die zu Realitätsverdrängung führt zur stufenweise Entfremdung von seiner Mitwelt. Die eigene Existenz wird entweder physisch als Wunde oder psychisch als Rätsel chiffriert. Ein Beispiel für das lustvolle Sich-Verlieren in selbstgenügsamen Assoziationsketten:

Foto Bernd Oei: Lobetal, Melchesee, ein natürliches Gewässer auf dem Gebiet des zu Bernau bei Berlin gehörenden Ortsteils Lobetal im Brandenburger Landkreis Barnim. Der kleine See liegt – von Wald umgeben – unmittelbar am nördlichen Ortsrand und ist von dort über einen als Privatweg gekennzeichneten Zugang zu erreichen. Als Honecker entmachtet und aufgrund schwerer Krankheit als nicht vernehmungsfähig eingestuft wurde, fand er in Lobetal sein vorletztes Asyl. Er starb in Santiago de Chile 1994, seine Frau Margot dort 2016.

Aus dem Leben verrückt

Offensichtlich löst sich der Sinn von Alltags-Sprache über den Sinn für Sprache in Sinnlosigkeit auf; die Worte sind Klang oder Farbe, deren Sinnlichkeit berauscht. Die Bedeutung tritt in den Hintergrund, wird poetisch neu kodiert und erhält so das, was Benn „Mythos“ heißt. Rönne monologisiert von einer „neuen Syntax“, die „den Du-Charakter des Grammatischen auszuschalten“ habe. Dies assoziiert Nietzsches Aussage: „Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, so lange wir noch an die Grammatik glauben“ (Nietzsche, „Götzendämmerung“, Die vier großen Irrtümer). Benn fordert eine Revolution der Sprache-

Sein Protagonist Rönne versucht über eine veränderte sprachliche Struktur, seine fraglich gewordene Individualität zu kompensieren und etwas zu finden, was im Zeitalter der Massengesellschaft nur ihm gehört und ihn auszeichnet: „die Anrede war ihm mythisch geworden“. Der Mythos als das dionysisch- fühlende Urbild und Sprache als das apolliniisch – bildhafte Erkennen als Abbild stehen im Kontext von Rönnes Psyche nicht mehr kon- sondern divergierend zu einander. Das begriffliche Wort tritt in seiner Person hinter die seelisch-organische Realität, den physiologischen Blick, zurück. Mit Sicherheit hat Benn das Geschehen vor dem Ersten Weltkrieg dem Mangel an Intellekt zugeschrieben. Er selbst fällt jedoch dem zweiten Weltkrieg fast anheim. Auch er ist ver-rückt.

Dr. Rönne – wie Benn Arzt, versinnbildlicht „Ärzte des Geistes“, Nietzsches Metapher, aus der „Morgenröte“ (V, 449) für die vergebliche Suche nach Heilung vor dem Verfall der Wirklichkeit. Auch die Phrase „Ich impfe euch mit dem Wahnsinn“ bzw. sein Impetus des Wahns für eine neue Sinnstiftung und Genesung von der Krankheit des Logos als der geistigen Sterilität , findet ihre leibliche Anwendung im Patienten Rönne. Wenngleich Benn die Symptome der Dekadenz, die „Wunde“ erst an der Aufklärung festmacht, so teilt er doch seine der Kritik des modernen verzärtelten Menschen.

Benn schreibt aus der Perspektive eines Ver-Rückt-Seins, das den Kausalnexus auflöst und damit alle Denk-Konventionen sprengt. Die Gedanken tanzen, funkeln, gurgeln, wie es Zarathustra verlangt. Rönne personifiziert damit das „ewig sinnlose Ich“, doch erscheint seine Krankheit, der lebensfeindliche Rationalismus, nur seiner Außenwelt-Wahrnehmung zu entspringen.

Foto Bernd Oei: Lobetal, Pfarrhaus, in dem Pastor/Bürgermeister Uwe Holms ehemals Erich und Margot Honecker Januar bis April 1990 Asyl gewährte.

Der große Irrtum

Benn schreibt aus der Perspektive eines Ver-Rückt-Seins, das den Kausalnexus auflöst und damit alle Denk-Konventionen sprengt. Die Gedanken tanzen, funkeln, gurgeln, wie es Zarathustra verlangt. Rönne personifiziert damit das „ewig sinnlose Ich“, doch erscheint seine Krankheit, der lebensfeindliche Rationalismus, nur seiner Außenwelt-Wahrnehmung zu entspringen. Nietzsches provokante Frage „Denn wo sind die Ärzte der modernen Menschheit, die selber so fest und gesund auf ihren Füßen stehen, dass sie einen andern noch halten und an der Hand führen könnten?“ trifft auf eine Gegenfrage bei Rönnes innerem Monolog „Wachgerufen wird in den Bewußtseinsabläufen das Bestreben, das Ungeklärte zu entwirren, das Zweifelhafte sicherzustellen, der Überbrückung des Zwiespalts gilt das Wort. Es tritt die Erfahrung hervor, Beweis und Abwehr gibt sie an die Hand; und die Beobachtung, hier und da gemacht, wenn auch nicht eindeutig, soll sie völlig wertlos sein?“ (Rönne-Novellen, Die Insel)

Ein weiterer Anknüpfungspunkt besteht in der Negation des naturwissenschaftlichen Materialismus, der für Benn ein dogmatischer Positivismus und radikaler Utilitarismus ist. „… aus einer solchen Fülle des Tatsächlichen sprach er; so äußerte er sich, so stand er Antwort und Rede, klärte manches auf, half über Irrtümer hinweg, diente der Sache und unterstand der Allgemeinheit, die ihm dankte.“ Für Rönne ist Wahrheit ein „zurechtgefälschtes Phänomen“.

Nietzsche heißt sie einen großen Irrtum; der größte besteht in der Verwechslung von Wille zur Freiheit mit Freiheit des Willens, was gerade die empirischen Wissenschaften beweisen. In „Doppelleben“ artikuliert Benn der Irrtum sei der einzige Weg in die Freiheit. Erachtet Nietzsche erachtet den „Glauben an die Freiheit des Willens als ursprünglichen Irrtum alles Organischen“, so erwidert Benn: „Der erste Weltkrieg ist auf einer falschen naturwissenschaftlichen Grundlage, sozusagen irrtümlich entstanden.“ Seine Rönne – Erzählung ( sind innen gekehrte Reaktion auf den Krieg.

Nietzsches Polarität als Gesetz notwendiger Einheit führt zu zahlreichen Paradoxa; dies gilt auch für die Rönnenovellen, die den Protagonisten in widersprüchlichen Denk – Konstellationen zeigen. Stilistisches Mittel dafür sind Oxymora und Synästhesien wie „schweigendes Licht … sanftgekappten Rande.. schweifendes Vergehen“, um nur die letzten drei am Schluss zu erwähnen. Dies gilt auch für personifizierte Gegenstände wie „schwankende Türen“ oder „Farne, die aus einer Sonne kamen“. Logik und Größenverhältnisse werden außer Kraft gesetzt.

Der Titel für die fünf, unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs entstehenden Rönne – Novellen spricht für sich. Benn benutzt das Gehirn als Metapher für den Zerfall und die Genese der Persönlichkeit (Rönnes Großhirnrinde weicht auf), er wird nach genormten Maßstäben irre (wie Nietzsche), ist Arzt (wie Benn) und dissoziiert unentwegt (ein umgekehrter Aphoristiker). Von den vielen Stellen, mit denen sich Nietzsche mit dem Gehirn auseinandersetzt, sei nur eine hier erwähnt: „… die Freude wird ins Gehirn verlegt, die Sinnesorgane selbst werden stumpf und schwach, das Symbolische tritt immer mehr an Stelle des Seienden, und so gelangen wir auf diesem Wege so sicher zur Barbarei …“

Tragischerweise verfiel Benn selbst einem großen Irrtum, als er der NSDAP beitrat im festen Glauben, dort die wahre Kunst verwirklichen zu können. https://www.deutschlandfunk.de/antidemokrat-gottfried-benn-100.html

Foto Bernd Oei: Uferweg am Mechesee, wo Honecker und Holms politische Gespräche führten.

Rönne als Odysseus

Da die Gesellschaft unrettbar verloren ist (eine Inversion Ernst Machs) kultiviert Benn einen Ton, der immer wieder auf die Stellung des indifferenten und einsamen Beobachters verweist: „Es gibt nur den Einsamen und seine Bilder, seit kein Manitu mehr zum Clan erlöst.5 Das Zitat bezieht sich auf Nietzsches Bemerkung „ … so dass Nichts übrig bleibt, als eines Tages die Nymphengrotte zu fliehen und, durch Meereswogen und Gefahren, nach dem Rauch von Ithaka … sich den Weg zu bahnen.“ Ithaka ist die Heimat des Odysseus und somit ein Symbol für die lange entbehrungsreiche Fahrt zurück zu vertrauten Gestaden. Da er den trojanischen Krieg mit seiner List entschied (alle sterben, damit er überlebt), steht er auch für den Triumph des Individuums über die (tumbe) Masse.

1919 schreibt Benn sein „Ithaka“ als Epilog auf den Ersten Weltkrieg in Form eines Lese-Dramas (formal eine Wiederkehr des Mythos) mit seiner an Zarathustra angelehnten Rönne-Figur, die mehr einer Allegorie als einer Person gleicht. Benn artikuliert darin Nietzsches Erkenntnis, dass der Mensch seine Freiheit überhaupt nur ins Innere zu retten vermag. Seine Assoziation auf das Kapitel „Vom bleichen Verbrecher“ ist deutlich. Rönne veranlasst, einen Professor zu töten, der wissenschaftliche Erkenntnis über das wahre Leben stellt. Benns Gleichnis auf das Ende aller Autoritäten und Traditionen („Tod Gottes“) ist evident. Ein Student verteidigt die Tat und imitiert Zarathustras Reden: „Unser Blut schreit nach Himmel und Erde und nicht nach Zellen und Gewürm … Wir rufen Dionysos und Ithaka.

Auch die symbolische Himmelsrichtung für apollinische Nüchternheit und der von Rönne geliebte Süden für Musik und Leidenschaft übernimmt Benn von Nietzsche. Die gefeierte Tat Rönnes (der hässlichste Mensch), der seinen Arzt tötet, richtet sich gegen ein erstarrtes, in konventioneller Moral verhaftetem und autoritätsgläubigen Bürgertum, das Nietzsche als „blutleer“ bezeichnet. Rönne will nicht mehr zu einer Glaubensgewissheit zurückfinden, die ihn gegen die unauflösliche Fremdheit der Welt schützt, in sofern gilt auch für ihn „Gott ist tot.“ Die Grundlage der Krise eines kranken Zeitgeistes, den Rönne personifiziert, analysiert Benn wie folgt: „Das Gefühl für diese Relativierung, Relativierbarkeit der europäischen Gedankenwelt, der Verlust des Bestimmten und Absoluten ist das augenblickliche Stigma des Kulturkreises.“ 6

Foto Bernd Oei: Lobetal, Bäume nach dem Regen

Ithaka und die Musik des Südens

Da die Gesellschaft unrettbar verloren ist (eine Inversion Ernst Machs) kultiviert Benn einen Ton, der immer wieder auf die Stellung des indifferenten und einsamen Beobachters verweist: „Es gibt nur den Einsamen und seine Bilder, seit kein Manitu mehr zum Clan erlöst.5 Das Zitat bezieht sich auf Nietzsches Bemerkung „ … so dass Nichts übrig bleibt, als eines Tages die Nymphengrotte zu fliehen und, durch Meereswogen und Gefahren, nach dem Rauch von Ithaka … sich den Weg zu bahnen.“ Ithaka ist die Heimat des Odysseus und somit ein Symbol für die lange entbehrungsreiche Fahrt zurück zu vertrauten Gestaden. Da er den trojanischen Krieg mit seiner List entschied (alle sterben, damit er überlebt), steht er auch für den Triumph des Individuums über die (tumbe) Masse.

1919 schreibt Benn sein „Ithaka“ als Epilog auf den Ersten Weltkrieg in Form eines Lese-Dramas (formal eine Wiederkehr des Mythos) mit seiner an Zarathustra angelehnten Rönne-Figur, die mehr einer Allegorie als einer Person gleicht. Benn artikuliert darin Nietzsches Erkenntnis, dass der Mensch seine Freiheit überhaupt nur ins Innere zu retten vermag. Seine Assoziation auf das Kapitel „Vom bleichen Verbrecher“ ist deutlich. Rönne veranlasst, einen Professor zu töten, der wissenschaftliche Erkenntnis über das wahre Leben stellt. Benns Gleichnis auf das Ende aller Autoritäten und Traditionen („Tod Gottes“) ist evident. Ein Student verteidigt die Tat und imitiert Zarathustras Reden: „Unser Blut schreit nach Himmel und Erde und nicht nach Zellen und Gewürm … Wir rufen Dionysos und Ithaka.

Auch die symbolische Himmelsrichtung für apollinische Nüchternheit und der von Rönne geliebte Süden für Musik und Leidenschaft übernimmt Benn von Nietzsche. Die gefeierte Tat Rönnes (der hässlichste Mensch), der seinen Arzt tötet, richtet sich gegen ein erstarrtes, in konventioneller Moral verhaftetem und autoritätsgläubigen Bürgertum, das Nietzsche als „blutleer“ bezeichnet. Rönne will nicht mehr zu einer Glaubensgewissheit zurückfinden, die ihn gegen die unauflösliche Fremdheit der Welt schützt, in sofern gilt auch für ihn „Gott ist tot.“ Die Grundlage der Krise eines kranken Zeitgeistes, den Rönne personifiziert, analysiert Benn wie folgt: „Das Gefühl für diese Relativierung, Relativierbarkeit der europäischen Gedankenwelt, der Verlust des Bestimmten und Absoluten ist das augenblickliche Stigma des Kulturkreises.“ 6Ithaka und die Musik des Südens

Da die Gesellschaft unrettbar verloren ist (eine Inversion Ernst Machs) kultiviert Benn einen Ton, der immer wieder auf die Stellung des indifferenten und einsamen Beobachters verweist: „Es gibt nur den Einsamen und seine Bilder, seit kein Manitu mehr zum Clan erlöst.5 Das Zitat bezieht sich auf Nietzsches Bemerkung „ … so dass Nichts übrig bleibt, als eines Tages die Nymphengrotte zu fliehen und, durch Meereswogen und Gefahren, nach dem Rauch von Ithaka … sich den Weg zu bahnen.“ Ithaka ist die Heimat des Odysseus und somit ein Symbol für die lange entbehrungsreiche Fahrt zurück zu vertrauten Gestaden. Da er den trojanischen Krieg mit seiner List entschied (alle sterben, damit er überlebt), steht er auch für den Triumph des Individuums über die (tumbe) Masse.

Foto Bernd Oei: Uferweg am Mechesee mit Blick auf das Pastorenhaus, ehemals von Holms bewohnt.

Ithaka und die Musik des Süden

Da die Gesellschaft unrettbar verloren ist (eine Inversion Ernst Machs) kultiviert Benn einen Ton, der immer wieder auf die Stellung des indifferenten und einsamen Beobachters verweist: „Es gibt nur den Einsamen und seine Bilder, seit kein Manitu mehr zum Clan erlöst.1 Das Zitat bezieht sich auf Nietzsches Bemerkung „ … so dass Nichts übrig bleibt, als eines Tages die Nymphengrotte zu fliehen und, durch Meereswogen und Gefahren, nach dem Rauch von Ithaka … sich den Weg zu bahnen.“ Ithaka ist die Heimat des Odysseus und somit ein Symbol für die lange entbehrungsreiche Fahrt zurück zu vertrauten Gestaden. Da er den trojanischen Krieg mit seiner List entschied (alle sterben, damit er überlebt), steht er auch für den Triumph des Individuums über die (tumbe) Masse.

1919 schreibt Benn sein „Ithaka“ – ein Lesedrama – als Epilog auf den Ersten Weltkrieg in Form eines Lese-Dramas (formal eine Wiederkehr des Mythos) mit seiner an Zarathustra angelehnten Rönne-Figur, die mehr einer Allegorie als einer Person gleicht. Benn artikuliert darin Nietzsches Erkenntnis, dass der Mensch seine Freiheit überhaupt nur ins Innere zu retten vermag. Seine Assoziation auf das Kapitel „Vom bleichen Verbrecher“ ist deutlich. Rönne veranlasst, einen Professor zu töten, der wissenschaftliche Erkenntnis über das wahre Leben stellt. Benns Gleichnis auf das Ende aller Autoritäten und Traditionen („Tod Gottes“) ist evident. Ein Student verteidigt die Tat und imitiert Zarathustras Reden: „Unser Blut schreit nach Himmel und Erde und nicht nach Zellen und Gewürm … Wir rufen Dionysos und Ithaka.“ (Benn, „Ithaka“, zweite Szene)

Auch die symbolische Himmelsrichtung für apollinische Nüchternheit und der von Rönne geliebte Süden für Musik und Leidenschaft übernimmt Benn von Nietzsche. Die gefeierte Tat Rönnes (der hässlichste Mensch), der seinen Arzt tötet, richtet sich gegen ein erstarrtes, in konventioneller Moral verhaftetem und autoritätsgläubigen Bürgertum, das Nietzsche als „blutleer“ bezeichnet. Rönne will nicht mehr zu einer Glaubensgewissheit zurückfinden, die ihn gegen die unauflösliche Fremdheit der Welt schützt, in sofern gilt auch für ihn „Gott ist tot.“ Die Grundlage der Krise eines kranken Zeitgeistes, den Rönne personifiziert, analysiert Benn wie folgt: „Das Gefühl für diese Relativierung, Relativierbarkeit der europäischen Gedankenwelt, der Verlust des Bestimmten und Absoluten ist das augenblickliche Stigma des Kulturkreises.“ (Benn, „Doppelleben“)

Foto Bernd Oei: Lobetal, Pfarrkirche, Frontseite. Unteres Bild: Pfarrkirche, Seitenanisicht. Benn war ein Christ, der sich jedoch vom zeitgemäßen Christentum nicht mehr angesprochen fühlte. und im Mythos neue Belebung für die Kunst suchte. Honecker und seine Frau waren hingegen bekennende Atheisten.

Der falsche Weg

1919 schreibt Benn sein „Ithaka“ als Epilog auf den Ersten Weltkrieg in Form eines Lese-Dramas (formal eine Wiederkehr des Mythos) mit seiner an Zarathustra angelehnten Rönne-Figur, die mehr einer Allegorie als einer Person gleicht. Benn artikuliert darin Nietzsches Erkenntnis, dass der Mensch seine Freiheit überhaupt nur ins Innere zu retten vermag. Seine Assoziation auf das Kapitel „Vom bleichen Verbrecher“ ist deutlich. Rönne veranlasst, einen Professor zu töten, der wissenschaftliche Erkenntnis über das wahre Leben stellt. Benns Gleichnis auf das Ende aller Autoritäten und Traditionen („Tod Gottes“) ist evident. Ein Student verteidigt die Tat und imitiert Zarathustras Reden: „Unser Blut schreit nach Himmel und Erde und nicht nach Zellen und Gewürm … Wir rufen Dionysos und Ithaka.“ Der lange gepflegte Rationalismus erscheint dem Naturwissenschaftler Benn als flasch.

Auch die symbolische Himmelsrichtung für apollinische Nüchternheit und der von Rönne geliebte Süden für Musik und Leidenschaft übernimmt Benn von Nietzsche. Die gefeierte Tat Rönnes (der hässlichste Mensch), der seinen Arzt tötet, richtet sich gegen ein erstarrtes, in konventioneller Moral verhaftetem und autoritätsgläubigen Bürgertum, das Nietzsche als „blutleer“ bezeichnet. Rönne will nicht mehr zu einer Glaubensgewissheit zurückfinden, die ihn gegen die unauflösliche Fremdheit der Welt schützt, in sofern gilt auch für ihn „Gott ist tot.“ Die Grundlage der Krise eines kranken Zeitgeistes, den Rönne personifiziert, analysiert Benn wie folgt: „Das Gefühl für diese Relativierung, Relativierbarkeit der europäischen Gedankenwelt, der Verlust des Bestimmten und Absoluten ist das augenblickliche Stigma des Kulturkreises.“

Der falsche Weg ist zurückzuführen auf die falsche Praxis des Glaubens. Schon Kants Vernunftethik derkompromsslosen Pflichterfüllung der liefert eine Steilvorlage für die Rationalismus-Kritik, die Nietzsche und Benn auszeichnen. Die Absage an Objektivität muss bei einem Arzt dennoch überraschen.

Foto Bernd Oei, Foto Bernd Oei: Glocken der Pfarrkirche in Lobetal., zugleich Anstaltskirche für Menschen mit kriminellem Hintergrund.

Weinhaus Wolf- und die innere Emigration

Benn erwacht spätestens nach dem Röhm-Putsch und geht in die innere Emigration. Als Militärarzt ist er Mitt der Dreißiger Jahre in Hannover stationiert, eine Stadt, die er nicht mag. Er verkehrt jedoch gerne im Weinhaus Wolf. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/roehm-putsch In seiner desillusionierten depressiven Phase 1935-37 sucht Benn nochmals Trost und Nähe zu Nietzsche, dem Vorbild der inneren Emigration des geistigen Aristokraten. Die lang zurückgehaltene Erzählung (Erstveröffentlichung 1949 in „Der Ptolemäer“) entsteht in der von Benn als angenehm altmodisch empfundenen Weingroßhandlung samt Weinstuben Friedrich Wolfs, das er 1935 regelmäßig frequentiert. So gilt der Beginn, die atmosphärische Beschreibung von Ödnis einer inneren Befindlichkeit im Stile Nietzsches wachsender Wüste. Man rüstet sich zum Krieg und trinkt behaglich Wein.

Zwischen dem Icherzähler, einem Konsularbeamten und Benn liegt so wenig Gemeinsamkeit wie mit Rönne, aber immerhin verweist er auf den Übergang zwischen dem stilisierten Doppelleben als Mensch und Dichter. Vordergründig reflektiert das Narrativ geistigem Verfall. Die Weltanschauung bleibt eingebettet in einer sparsamen Handlung; Benn spielt folglich mit der Verschränkung von Essay und Novelle, Fakt und Fiktion, wie es Nietzsche in seinen philosophischen Denk- und Stil-Üübungen (Wahrheit und Lüge) auch praktiziert, insbesondere wenn er Geschichte in Geschichten, Historie in Fabeln verpackt. Benns unausgesprochene Frage lautet daher, wie eine Geschichte erzählt werden, kann, wenn es keine Geschichte mehr gibt. Wie bei Zarathustra steht die literarische Inszenierung im Fokus. Weit weniger mythisch klingt die Zeugenaussage des Wirtes im Spiegel: https://www.spiegel.de/kultur/im-banalen-ueberwintern-a-25923d48-0002-0001-0000-000009287847

In seiner späten Prosa wendet sich Benn, enttäuscht oder arrogant, vom Weltgeschehen und der Dichtung ab. Seine Resignation will er mit dem Standpunkt erklären, Kein Zweifel:er entwickelt einen Zweifel m Widerstand durch oder nach der Flucht. Gottfried war zeitlebens weder gegen Gott noch gegen Friede Stattdessen formt e eine der Wirklichkeit ( wirklichkeitsnahe) Kraft der Sprache reflektiert und daraus epochale Gedichte. https://www.deutschlandfunk.de/der-gottesleugner-gottfried-benn-das-gezeichnete-ich-100.html

Widerspruch im Herzen

Benn spielt mit der Verschränkung von Essay und Novelle, Fakt und Fiktion, wie es Nietzsche in seinen philosophischen Denk- und Stilübungen (Wahrheit und Lüge) auch praktiziert, insbesondere wenn er Geschichte in Geschichten, Historie in Fabeln verpackt. Benns unausgesprochene Frage lautet daher, wie eine Geschichte erzählt werden, kann, wenn es keine Geschichte mehr gibt. Wie bei Zarathustra steht die literarische Inszenierung im Fokus.

Der ehemalige Konsul verrätselt sein Leben; auch das Enigmatische und Mythische verbindet Benn mit Nietzsche; das gilt besonders für rationale Widersprüche wie Stadtleben und Urwald (metaphorisch kann Stadt einem Dschungel durchaus gleichkommen), die an Zarathustras Stadt mit dem Namen „bunte Kuh“ und seinen Gebrauch des Urwalds als Trope für Triebleben erinnern. Der Konsul gibt Hinweise auf Kolonialzeit und Herrenmoral, lässt durchscheinen, dass er nichts von Rassenhygiene oder Rassenüberlegenheit hält, was weitere Analogien zu Nietzsche eröffnet. „Was berechtigte diese Völker, die Übrigen zu leiten?“ 1

Anstelle einer subjektiven Lebensgeschichte interessiert den Erzähler nur die geistige Haltin Drängen nach dem Sinn des Daseins warf sich ihm wiederholt entgegen: wer erfüllte ihn: ….“ seinem Fall die einer kultivierten Existenz als „Nomade des Geistes“ – so bezeichnet sich auch Nietzsche selbst. Da viele Metaphern von ihm aufgegriffen werden, u. a. auch der Schatten und die Maske, darf von Intertextualität gesprochen werden. „Da saß ich oft, hinter der Maske Bilder und Erinnerungen an vergangene Jahre, Erinnerungen an Tahitis schmalen Strand, die Hütten in den Brotfruchtbäumen, an die so süße und kühle Frucht der Nüsse und an die nie schweigende Dünung vor den Riffen; Bilder vom Broadway, noch immer im Feuer der Prärie, brandige Sonnenuntergänge am Horizont der Gassen, Erinnerungen und Bilder an alte und neue Welten, Rothäute, braune Perlentaucher, gelbe Schatten.“ Die bunte Aufzählung, deren es vieler in Benns Text gibt, erinnert an „Die Geburt der Tragödie“ (§ 9): „Der Widerspruch im Herzen der Welt offenbart sich ihm als ein Durcheinander verschiedener Welten, z.B. einer göttlichen und einer

Foto Bernd Oei: Lobetal, Martin Luther Haus

Einsamkeit

Was Benn mit Nietzsche zutiefst verbindet ist, nach seinen eigenen Worten Heimweh nach Sprache und mythisches Denken. Auffällig ist der prosaische Stil, in die er Sätze Nietzsches montiert, aber zudem mit Epsom nahe London und dem baskischen Pau Orte einbaut, die dieser nie bereist hat, so dass Wahrheit und Lüge in der Dichtung verschmelzen. Zum Mythos gehört untrennbar die Vermengung von Fiktion und Fakt.

Zudem wendet sich Benn an das Laufen in seiner wörtlichen wie metaphorischen (Verlaufen)-Bedeutung, da Nietzsche es häufig in Verbindung mit Gedanken, winden und Wolken gebraucht. U. a. heißt es in „Jenseits von Gut und Böse“ (VII, 224) „unsre Instinkte laufen nunmehr überallhin zurück, wir selbst sind eine Art Chaos“.

Bereits „Einsamer Nie“ 1936 deutet Benns Rückzug in die dichterische Ausdruckswelt, einem Monolog ohne Gefühl, an. Aus Nietzsches deus ist poetus absconditus geworden, um dem Ungenügen an der Welt und dem Widerspruch zwischen der Singularität des principio individuationis und de Universalität des Mythos eine Stimme zu geben. Stellvertretend dafür ist das biografische Poem „Orpheus Tod“ (1946), eine Reaktion auf den Suizid seiner zweiten Ehefrau auf der Flucht vor den Russen und einer bevorstehenden Vergewaltigung als Vergeltung. Wie Nietzsche sucht Benn Zuflucht in der Antike, im Mythos.

Benn komprimiert das zum Fragment verurteilte Leben, das Gefühl seiner Ohnmacht im Bild des verstummenden Orpheus. Das Verlöschen einer zu Ende gehenden Melodie versinnbildlichen die immer kürzer werdenden Verse der vier Strophen, bis nur noch eine Zeile bleibt: „und nun die Steine nicht mehr der Stimme folgend, dem Sänger, mit Moos sich hüllend, die Äste laubbeschwichtigt, die Hacken ährenbesänftigt –: nackte Haune –! nun wehrlos dem Wurf der Hündinnen,der wüsten –nun schon die Wimper naß, der Gaumen blutet –und nun die Leier –hinab den Fluß – die Ufer tönen“ –Der Sänger wird von den Mänaden zerrissen und seine Magie verliert ihre Macht, wo die Kraft des Gesangs erlischt. Doch selbst als dem toten Sänger das Instrument entrissen ist, antwortet der Leier noch der Natur. Etwas bleibt selbst im Vergehen. Das betrifft auch seine Faszination an Nietzsche.kompensiert dies mit einem Klangteppich samt exaltierten Rollen- und Maskenspielen, mitunter auch Tanz vor und nach einer Lesung im Stile Mallarmés, seinem dichterischen Vorbild. Damit wird der Wagnerische Gedanke des Gesamtkunstwerks neu belebt.

Einige Schlüsselbegriffe Nietzsches variiert George; so nennt er die Wiedergeburt des Gleichen „Vorgeburten des Ewigen Ring“, die dionysischen Archaik wird zum esoterischen „Stern des Bundes“. Kein Künstler nimmt das Kultische so genau und wichtig wie der Georgekreis. Auf „Gott ist tot“ folgt das Elysium als „weltliches Kloster der Offenbarung“. Diese besteht aus dem reinen Schönheitskult, da nur das Makellose und Reine, der Formalismus, wahrhaftig wirkt.

George legt den „Wille zur Macht“ als Wille zur Lust am Schönen aus einem inneren Machtgefühl heraus und die „Umwertung aller Werte“ als Hinwendung zum „Wert der Schönheit“ aus. Der Poet ist folglich Prophet, Erlöser und Überwinder des Nihilismus in personifizierter Form; aus dem abstrakten Gottesmenschen wird ein „Menschengott“ und dies ist der asketisch nur für die Kunst lebende Dichter.

In seinen elitären „Blätter für die Kunst“ setzt George Nietzscheanismus mit Ästhetizismus und Metaphysik mit Ästhetik, gleich. Der höchste Form ist der Kunsttrieb, die größte Macht die Schönheit, ein ätherischer Rausch. Der „Übermensch“ ist das Ziel der Poesie; darunter wird der rein ästhetisch empfindende, nur für den Kunstgenuss lebende Mensch, der Auserwählte verstanden. Da George viele Anhänger aus politisch unterschiedlichen Richtungen besitzt (manche werden aktive NSDAP Funktionäre, andere Widerstandskämpfer) muss der Zeitgeist den idealen Nährboden für ein so hohes Maß an ätherischer Empfindlichkeit vorgelegen haben und der Kreis frei von politischer Diskussion bleiben.

Eine streng hierarchisch gegliederte Sekte, hermetisch von Außen abgeschlossen, ist der Georgekreis in jedem Fall. Nietzsche Anspruch, den Nihilismus zu überwinden, leben die Schüler, indem sie profanen Dingen einen sakralen Wert verleihen und in allem eine künstlerische Sublimierung und Steigerung erfahren. Die Unterordnung ist total; so opfert Georges erster Lieblingsjünger, der seinerzeit bis zu seinem Tod 1931 äußerst erfolgreiche Friedrich Gundolf (Algabal) zwei mögliche, aber von George untersagte Ehen, bevor es schließlich zum Bruch kommt. Dieses Beispiel verdeutlicht die absolute Unterordnung dem Primat der Kunst und dem „Meister“ gegenüber und erklärt, wie es zu einer solchen Hörigkeit gegenüber Hitler kommen kann. Der Führerkult ist auch im Georgekreis ausgeprägt, gilt hier einem Kunstverständnis. Sämtlicher Vitalismus bezieht sich auf Kunst zur Steigerung der Lebensintensität und deren Wiedergeburt. So steht im Vorwort der siebten Ausgabe der „Blätter der Kunst“ (1897) „das süssliche bürgertum der nachfahren wurde verdrängt durch das formlose plebejertum der Wirklichkeitsapostel und dieses durch die dichterische und schönheitliche Wiedergeburt.“ 2 Kunst ist absolut: „der vers ist alles.“

Als Impulsgeber dienen George zunächst Salomon Friedländer und Ludwig Klages, sowie Alfred Schuler; nach 1904 (dem endgültigen Bruch mit von Hofmannsthal) gewinnt Ernst Bertram an Bedeutung. Blut wird zur Metonymie seiner Kunstbegeisterung, so dass er formuliert „.so dachte gewiss auch Nietzsche, sonst hätte er nicht gesagt: Schreibe mit Blut , sondern: Schreibe mit roter Tinte !3 Die Anlehnung an die Wendung „Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist. Es ist nicht leicht möglich, fremdes Blut zu verstehen … Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden.4 Der Künstler schreibt weder für andere, noch des des Erfolgs, des Zuspruchs oder gar des Geldes wegen, sondern exklusiv für seinesgleichen, Brüdern desselben Blutes.

Für George heißt das lebenslang ein geschlossener und nur geladener, sorgfältig ausgewählter Leser- und Zuhörerkreis von geweihten Dichtern. Die Auflage der „Blätter für die Kunst“ überschreitet nie 2000 trotz ihrer internationalen Ausrichtung. Wie Graf Harry Kesslers „Pan“ legt George Wert auf höchste Druckqualität und exklusive Illustrationen Man konsumiert Poesie nicht, sondern zelebriert sie.

Der symbolische Kunstgehalt verbietet eine Analysis oder Deutung. Mit Blut anstelle von Tinte zu schreiben zielt darauf ab, Poesie nicht zu verdünnen. George appelliert wiederholt an die Potenzierung der Subjektivität. „Wir wollen sie gerne – verborgene wunder – mit unserem blut und unseren tränen pflegen.“ 1897)

Faszination am geistigen Rausch

Gleich Nietzsche zwischen Weinbergen aufgewachsen und daher für die Metaphorik des Rebensaftes überaus empfänglich, sieht der Sohn eines Weinhändler in der Metapher des Blutes wie die des Weines bzw. des Rebsaftes die Wiederkehr göttlicher Ekstase, somit auch Rausch. Das Wort kommt überaus häufig in den Texten Georges vor. Ein Beispiel liefert die siebte Ausgabe, ein Teil der Dante-Zyklus: „Im rausch des festes hab ich meinen hauch / Dass er euch süss umschwebt und grüsst verweht / Mein ganzes blut im abend hingeströmt Für euch geliebte – o all ihr geliebten!“ 6 Es zählt nie das objektive oder empirische Ereignis, sondern ausschließlich das subjektive Erleben und das intuitiv-rauschhafte Empfinden. So bleibt, um dies an nur einem signifikanten Beispiel zu illustrieren, der Rausch mit Gott und Wein assoziiert. Im Dante-Zyklus: „Wir preisen ihn froh dass des Gottes volle / Die für das wort und die gestalt verscheiden / Die kalte erde immer noch gebiert / Und dass es rollt bei ihrer namen tone / In unsren adern wie ein edler wein“ Diese Verse stammen aus dem Poem „Pente Pigadia“, was wiederum verdeutlicht, wie elitär kultiviert Georges Stil ist, denn die wenigsten dürften wissen, dass dies der Ort einer Schlacht der Griechen ist.

Von allen Dichtern, die Nietzsche verehrten, deren Vorbild er war in ästhetischen, metaphysischen oder moralkritischen Fragen — ob Hofmannsthal oder Sternheim, Musil und Döblin oder die Brüder Mann —, von diesen und vielen anderen war zweifellos Benn der betroffenste Apologet in Sachen Ästhetik, speziell die sprachlich formale Artistik betreffend. Viele seiner Essays fundierte er mit Nietzsches ästhetischer Theorie; ohne das große Vorbild ist Benns geistige Entwicklung nur schwer denkbar, keinen Namen hat er so oft beschworen wie den Nietzsches. Aber auch ohne direkte Nennung lassen die immer wiederkehrenden Andeutungen und Zitate das Vorbild seiner Kunstlehre erkennen. Die Verehrung Nietzsches als eines unerreichten Ästheten der deutschen Geistesgeschichte steht deutlich im Vordergrund der ästhetischen Theorien Benns,.

Es fällt auf, dass der Einfluss Nietzsches am stärksten in Verbindung mit einer oft provokativen, kämpferischen Betonung der formalen Beschaffenheit der Kunst in Erscheinung tritt. Auf den ersten Blick ist deutlich, dass Benn sich nur wenig für die Philosophie Nietzsches interessiert hat. Die zentrale Lehre Nietzsches etwa, die Umwertung aller Werte, wird unwichtig;, er ssieht in Nietzsche fast ausschließlich den Verkünder einer neuen Kunstlehre, den Theoretiker und Praktiker eines für Deutschland neuen, artistischen Stils.Von allen Dichtern, die Nietzsche verehrten, deren Vorbild er war in ästhetischen, metaphysischen oder moralkritischen Fragen, von diesen und vielen anderen war zweifellos Benn der betroffenste Apologet in Sachen Ästhetik, speziell die sprachlich formale Artistik betreffend. Viele seiner Essays fundierte er mit Nietzsches ästhetischer Theorie; ohne das große Vorbild ist Benns geistige Entwicklung nur schwer denkbar, keinen Namen hat er so oft beschworen wie den Nietzsches. Aber auch ohne direkte Nennung lassen die immer wiederkehrenden Andeutungen und Zitate das Vorbild seiner Kunstlehre erkennen. Die Verehrung Nietzsches als eines unerreichten Ästheten der deutschen Geistesgeschichte steht deutlich im Vordergrund der ästhetischen Theorien Benns, und auffallend ist, das der Einflss

Nietzsches am stärksten in Verbindung mit einer oft provokativen, kämpferischen Betonung der formalen Beschaffenheit der Kunst in Erscheinung tritt. Auf den ersten Blick ist deutlich, daß Benn sich nur wenig für die Philosophie Nietzsches interessiert hat. Die zentrale Lehre Nietzsches etwa, die Umwertung aller Werte, hat Benn kaum beachtet, er sah in Nietzsche fast ausschließlich den Verkünder einer neuen Kunstlehre, den Theoretiker und Praktiker eines für Deutschland neuen, artistischen Stils.

Foto Bernd Oei: Lobetal, Gedenktafel an die Opfer der Euthanasie im Dritten Reich. Benn unterschied stets dar der Kunst von dem der Politik bzw, im „Doppelleben“ das des Dichter von dem des Bürgers .

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