Platons Ideenlehre

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten, Pavillon mit Säulenkolonnade. Sein Erbauer, Kronprinz Friedrich von Preußen, war ein Freund des Osmanischen Reiches und seiner Kultur. Die Villa, das Gärtnerhaus und die schützende Mauer mit riesigem Eingangstor bringen ein Stück Orient hierher.

Werk-Übersicht

Platon öffnet das Tor zum Idealismus, denn vor ihm (Vorsokratiker) setzten sich die hellenischen Denker hauptsächlich mit der Erforschung der Materie auseinander. Vorbild des platonischen Idealismus war die pythagoreische Zahlenlehre, denn die Mathematik nähert sich in Geometrie und Algebra einer in der Wirklichkeit nicht vorzufindenden Idealzustand an, z.B. Kreis und geometrische Körper im Allgemeinen. Platon berücksichtigt in seinen umfassenden, ca. 25 erhaltenen Werken (stets in Dialogform) und 13 philosophischen Briefen fast alle heute bekannten Disziplinen: neben der Staatenlehre (Nomoi, Politeia) eine Kosmologie (Timaios), eine Erkenntnislehre (Phaidros, Phaidon), eine Wahrnehmungslehre (Philebos), eine Seelenlehre (Menon), eine Lehre von der Liebe (Symposion) und eine Seinslehre (Sophisteis, Parmenides).

Die Frühwerke tragen zudem der Morallehre, die vor allem Sokrates am Herzen lag, Rechnung: Laches handelt über die Tapferkeit, Gorgias über die Wahrheit, Ion über die Nützlichkeit. Weniger thematisch als vom Stil her unterscheiden sich Platons Früh- von den mittleren- und Spätschriften, denn anfänglich folgt er der sokratischen Methode der Maieutik: der Gesprächspartner wird durch gezielte Fragestellungen so lange verunsichert, bis er sich selbst in Widersprüche verfängt. Eine Lösung des Problems erfolgt in den Frühdialogen höchst selten.

In der mittleren Periode kommt die Antwort aus dem Munde eines platonischen Schülers, zuletzt meist von Platons Lieblingsschüler Aristoteles. Die besten und bekanntesten Gleichnisse, die Platons Philosophie so anschaulich und in gewisser Weise leiblich machen, finden sich in der mittleren Periode, als der Frühzeit seiner eigenen Konzeption.

Die Ideenlehre ist über mehreren Werke verteilt, der Spätphase zuzuordnen, hauptsächlich in „Politeia“ erklärt; darunter ist auch das berühmte Höhlengleichnis im siebten Buch. Die Spätphase zeichnet sich ein Bruch bzw. eine Differenzierung zwischen Aristoteles und Platon ab: zu ihnen zählen Sophistes, Politikos, Philebos, Timaios, Kritias und vor allem Nomoi.

Grundsätzlich lassen sich die platonischen Schriften in Tetralogien einordnen. http://opera-platonis.de/platon.html

Foto Belinda Halmert: Neuruppin, Schlossgarten, Eingangsportal. Der Tempelgarten geht auf Friedrich den Großen zurück, der 1732 als Kronprinz nach Neuruppin kam und hier den „Amalthea-Garten“ anlegen ließ – einen Nutz- und Musengarten, in dem Obst und Gemüse geerntet wurden, aber auch gesellige Treffen mit Offizieren stattfanden.

Methoden

Die populärste Methode, die Platon anwendet, um seine Zuhörer zu überzeugen, bildet die Hebammenkunst, Maieutik. Dazu gehört die geschickte Fragekunst, die Sokrates anwendet, bis sich sein Dialogpartner in Widersprüche verwickelt und selbst einsieht, dass er Unrecht hat bzw. die ihn ermöglicht, zur wahren Erkenntnis durchzudringen.

Die zweite Methode liefert die Anamnese, die auf der Hypothese beruht, dass der Mensch intuitiv alles weiß, bevor er erkennt, weil dieses Wissen vom letzten Grund der Dinge in der Seele begründet liegt. Da die Seele Anteil an Geist- und Körperwelt , hat sie Anteil an den Ideen und erinnert sich an sie nach einem Auslöser, der diese Anamnese in Schwung bringt. Daher wissen wir von intelligiblen Zuständen wie Gerechtigkeit, Freiheit, Unsterblichkeit, die nicht in den Dingen selbst zu finden, also außer-phänomenologisch sind.

Die dritte populär einsichtige Methode betrifft die kritische Reflexion inklusive der Selbstbeobachtung. Man betrachtet Dinge und Argumente von verschiedenen Blickwinkeln, um die Richtigkeit einer Aussage zu überprüfen und Widerstände bzw. Widersprüche auszuschließen.

Etwas schwieriger einzusehen ist die Methode der Dihairesis, der Zergliederung, die grob einer Analysis gleicht. Während Dihairesis darauf abzielt, einen Begriff durch wiederholte Teilung nach Gattungen und Art zu unterschieden und so in seine elementaren Bestandteile in Hierarchien oder Kausalketten zu zerlegen und zu definieren was eigentlich genau ist (Hypokeimonon, das Zugrundeliegende), zerlegt die Analyse horizontal einen Begriff, der bereits feststeht., kümmert sich folglich um Details, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. So geht die Dihairesis der Analysis voraus. Ein grobes Beispiel: Dihairesis unterscheidet Feld- von Baumfrüchten oder Kern- von Stein- oder Schalen- und Beerobst, die Analysis dann die einzelnen Früchte in ihre Bestandteile, die notwendig sind, damit sie dieses singuläre Phänomen ergeben.

Die fünfte Form sind Gleichnisse, Mythen und Paradoxa, die Platon anführt, dazu gehören das Liniengleichnis (Politeia, 6. Buch) und das Wagengleichnis (Phaidon). Ersteres erklärt die Vierheit der Erkenntisstufen und bildet damit ein Analogon zum Höhlengleichnis: ganz unten sind die Spiegelbilder und Schatten konkreter sinnlicher Wahnehmung (eikasia); darüber die messbaren Eigenschaften der physikalischen Welt (pistis), darüber und bereits wesentlich objektiver die mathematische Welt der Zahlen und geometrischen Körper (dianoia), ganz oben die Ideen (noesis, epistemé). Beispiele für den Mythols liefern Atlantis, die vier Zeitalter (mit dem goldenen als Ziel) oder der Hermaphrodit (wie aus Einheit Zweiheit entsteht). Zu den bekanntesten Paradoxa zählen das „Meno-Paradoxon“ (wie man nach etwas sucht, das man nicht kennt), das Paradoxon der Philosophenherrschaft (die Schwierigkeit, Philosophenkönige zu finden) und das Paradox der Schrift (Platons Kritik an der Schrift in schriftlichen Werken).

Das Wagengleichnis zeigt die Seele als Wagen bzw. als Verbindungsstück des Lenkers (Vernunft) mit den beiden Pferden (eines strebt nach Erkenntnis, das andere ist triebgesteuert), so dass auch hier eine Vierheit (Tetralogie) entsteht. Im Grunde handelt es sich immer um eine Dreiheit und drei Welten, wobei die Verbindung/Teilhabe (methexis) sich als eigene vierte Welt deuten lässt analog zum fünften Element (Äther), das bekanntlich die vier Grundelemente zusammenhält.

Als letzte Methode bedient sich Platon der Dialektik bzw. Didaktik: Wahrheit, zumindest die Annäherung daran, entsteht durch diverses, auch widersprüchliches Wissen im Dialog. Die Kollision verschiedener Meinungen (doxa), die über Austausch von Argument und Perspektive zu einem Konsens führen. Dafür ist u.a. Rhetorik notwendig. So basiert Rhetorik (Redekunst) in „Gorgias“ auf fünf Säulen: Erfindung (Inventio), Anordnung (Dispositio), Stil (Elocutio), Gedächtnis (Memoria) und Vortrag (Actio).Unter Erfindung sind die Findung von Ideen und Argumenten zu verstehen; unter Anordnung die folgende Struktur, z.B. Reihenfolge und Kausalketten. Der Stil betrifft die Gestaltung, z.B. die Lebendigkeit oder Sachlichkeit der Rede. Das Gedächtnis bezieht sich auf die Verinnerlichung der Rede. so dass sie frei gehalten werden kann und integriert die Erwartungshaltung der Zuhörer. Der Vortrag meint dann die plastische Ausgestaltung der Rede.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten, Café. Seit 1965 beherbergt der Garten ein Café, heute ein Restaurant. 1995 übernahm die Stadt Anlage.

Trinität

Eine mögliche Adaption der Dreiweltenlehre (nimmt man die Methexis aus) besteht aus Körper-,Seelen- und Ideenwelt. Entsprechend der Naturwissenschaft als Körperwelt, Sozialwissenschaften als Seelenwelt und Geisteswissenschaften als Ideenwelt. Auch die Ideen werden unterteilt in Haupt- und Nebenideen, die Uridee nous enthält das Gute, das Nützliche und das Schöne (welches das Zeugen vom Guten und Nützlichen ist); alle drei Bestandteile formen die Vernunft. Wie auch die Idee (idea bzw. eidos) selbst aus einer Dreiheit Form, Gestalt, Prinzip besteht.

Genauso kann von einer ontischen Dreiheit gesprochen werden: Körperwelt entspricht dem Werden, den Erscheinungen und Phänomenen; die physikalischen Gesetze und die ihnen überlegenen mathematischen Formen bilden die diskursive Erkenntnis, das Seiende, ab und erlauben bereits Wissen. Die höchste, Einsicht gebietende Form des Denkens ist die Ideen-Schau, das philosophische Erkennen und damit das wirkliche Sein.

Auf der ethischen Ebene, deren Zweck und höchste Idee die Eudaimonia darstellt, das glückliche Leben (zugleich das vernünftige und nützliche) basiert auf vier Säulen Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung (Besonnenheit) und Gerechtigkeit. Auf den ersten Blick entspricht dies einer Fünfheit. Da aber Tugend in Summa Wissen bedeutet gilt auch hier Wissen von der rechten Erkenntnis, dem rechten Handeln und der rechten Idee als ethische Grundform. Dementsprechend kennt Platon auch nur drei Arbeitsbereiche: die Bauern bzw. Ernährer (zu denen auch Handwerker zählen), die Soldaten als Beschützer und die Wissenschaftler als Denker und Lenker. Nebenbei: Philosophen sind bei Platon noch in der Lage alle Tugenden in sich zu vereinen.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten, Café. 1853 wurde die Anlage von der Neuruppiner Kaufmannsfamilie. Gentz erworben, die sie im Andenken an Friedrich restaurierte und für die Öffentlichkeit zugänglich machte.

Möglichkeitssinn

Die Idee selbst ist nicht sinnlich zu erfassen. Dies lehrt das Höhlengleichnis mit der Metapher der Sonne, die erstens blendet und so nicht zu schauen ist und zweitens der sich nur angenähert werden kann, denn ihre Entfernung und Hitze sind zu groß. Um die Idee zu schauen, die ohnehin intuitiv in der Seele verankert ist, muss sich der Geist von seinen irdischen Ketten und körperlichen Begierden befreien, also Gewöhnung hinter sich lassen, ebenso wie Meinungen und Gemeinschaft (welche die eigene Überzeugung nur bestätigt). Daneben ist die Methexis, die Teilhabe in auf- bzw. absteigenden Erkenntnisstufen entscheidend: im Schatten liegt bereits die Möglichkeit zur Erkenntnis der wahren Beschaffenheit der Körperwelt, in dieser die zur Einsicht in ihre allgemeinen Prinzipien und in jenen die ihrer mathematischen Urform, welche in der siebten und letzten Stufe (so Platon) zur Schau der Idee verhilft, quasi mit Gottes Augen zu sehen.

Die Idee ist zudem absolute Realität, die Summe aller Möglichkeiten, von denen nur einige in der Wirklichkeit realisiert werden. Daher ist auch unsere Wirklichkeit nur eine von vielen und ein instabiles Gebilde. Beispielsweise enthält der Stein die Möglichkeit, daraus eine Statue zu formen und diese kann dann entweder Apoll oder Helena nachgeformt sein und Apoll kann dann mit verschiedenartigen Attributen belegt werden und diese Attribute differenziert gemeißelt. Natürlich sind auch das nur grobe Annäherung an die Idee, doch erkennt man bereits, dass die Wirklichkeit immer mehrere Möglichkeiten zur Gestaltung anbietet und diese wie die Schöpfung der Natur mit ihren Mutationen schier endlose Variationen anbietet.

So ist die Idee auch ein Möglichkeitsraum, Möglichkeitssinn und spekulativ wie die Einbildungskraft. Aus ihr leitet Kant die drei regulativen Ideen der Vernunft ab.Beispiel: Die Statue, die ein Bildhauer aus einem Felsblock macht, ist ihrer Idee nach – potentiell – schon immer Statue. Das produzierte Bild ist also, obgleich sie nicht wirklich und auch nicht eigentlich ist. Die Statue ist, weil sie wahr ist, weil die Idee, die hinter diesem Felsblock oder in ihm eingemeißelt liegt.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten. Unter Mitwirkung des Architekten Carl von Diebitsch entstanden beeindruckende orien-
talisierende Gebäude, darunter eine Villa, eine Remise mit Minarett sowie aufwendig gestaltete Tore und Mauern. Die Gartenanlage wurde mit barocken Skulpturen (hier Flora und Bacchus, unterhalb des Apollotempels) und botanischen Besonderheiten bereichert.

Idee als Ursache von allem

„Timaios“ handelt von der Genesis der Welt, ausgehend von einem Schöpfungsmythos des unbewegten Bewegers, dem Demiurgen, der aus apeiron, der Unordnung, logos, die Welt in ihren Gesetzen, Prinzipien und Zusammenhängen schuf. Sie ist laut Platon vernunftbeseelt.und alle Hierarchien sind dementsprechend logisch. Das Muster (parádeigma) beruft auf Ideen (etwa der Vollkommenheit), auf die er dabei blickt. (etwa der Kreis, dem willkommensten Körper, der allerdings ein Gedankenkonstrukt bleibt). Darunter sind die Ideen der Elemente und aller Lebewesen gestaffelt. Beispielsweise der Zyklus der Jahreszeiten und der vier Naturelemente oder die Chronologie als Annäherung an eine Linie der Zeit, wobei diese (z.B. durch Palingenese, Wiedergeburt) einem Kreislauf entspricht. Der sichtbare Kosmos in seiner Gesamtheit ist ebenso wie jeder seiner Bestandteile ein Abbild dessen, was der Demiurg im Ideenbereich gesehen hat. Die Idee (hen) ist Ursache von allem als das Eine. Alles ist apodiktisch eingerichtet, nichts zufällig.

Die Ideen ermöglichen uns Erkenntnis, sie sind nicht selbst das Erkannte, weil Erkanntes zeitunterworfenes und subjektives Phänomen ist. Ursache ist aber nicht nur von Wirkung als ein zeitlich notwendig vorausgehendes Phänomen zu unterscheiden, sondern auch nicht identisch mit Grund.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten, Apollon Tempel. Zwischen 1732 – und 36 ließ Kronprinz Friedrich, der spätere König Friedrich II., von seinem Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff einen Amaltheagarten in Neuruppin errichten. 1735 entstand dabei der Apollotempel.

Ursache und Grund

Ursache oder Urgrund ist bei Platon immer Einheit, Gründe hingegen beruhen auf (stofflich bedingte) Vielheit und variieren (z.B. Motiv einer Handlung) Eine Differenz ist eine Abweichung oder ein Ergebnis einer Subtraktion, während eine Ursache ein Faktor ist, der immer zu einem bestimmten Ereignis oder Zustand führt,. Der Grund oder Begründung liefert die Erklärung oder den Anlass für etwas, aber er stellt nie den Anfang der Bewegung dar.

Während die Ursache die Frage nach dem Warum beantwortet und damit metaphysischer Natur ist, gibt der Grund konkrete (physische) Antwort auf das Woher oder Wozu und Wofür. Aristoteles spricht letztlich von der Vierheit des Grundes, der bekannt sein muss (causa efficiens, causa materialis, causa finalis, causa formalis), wbei er die Frage nach dem letzten Zweck als Ursache von allem über diese Vierheit stellt. So liefert die Ursache den letzten Grund. Gründe sind bei Platon bedingt von der Materie bzw. ihrem mathematischen Bauplan: Ursachen kommen von den Ideen her. So ist das Gute, das Vernünftige, das Nützliche, das Schöne, das Gerechte stets intelligible Ursache und nie in den Dingen selbst begründet.

So gründet die Existenz in Gründen, der jedoch Ideen als deren Ursache vorausgehen. Die Existenz ist das Seiende, anwesende (par einai) im wiederkehrenden Sein (Parusia); die Idee ist das Seiende, mögliche und auch abwesende im Sein (usia). Dies wird auch als ontisch-ontologische Differenz bezeichnet.Denn alles was ist, enthält auch noch das, was noch nicht oder nicht mehr ist ideenhaft in sich. Was nciht mehr ist zielt hier nicht auf Vergangenes, sondern auf eine bei der Gestaltungsmöglichkeit nicht wahrgenommene Teilhabe des Seins: etwas ist nicht mehr seiend, weil etwas anderes dafür seiend ist.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten, Skulpturenallee. Die dargestellten Figuren sind Süleyman I (1496-1566), Karl V (1500-58), sein Nachfolger Philipp II (1527-98) sowie Süleymans Thronerbe Selim II (1524-74). Symbolische Darstellung des westlichen und des östlichen römischen Kaiserreiches.

Wirkliches, Wahres, Eigentliches

Platon gibt nirgendwo eine exakte Definition der Idee. Manchmal bleibt er bewußt doppeldeutig oder pleonastisch: sein Lehrer Sokrates vermittelte offenkundig, daß Wahrheit nicht wirklich mitteilbar sei, weil die Sprache ein

zu unpräzises Instrument und zu mehrdeutig sei. Die einzige Wahrheit liegt folglich (und schon Parmenides behauptete dies) in der Zahl, weil diese eindeutig und zugleich vielseitig verwendbar ist. Idee heißt daher auch vorsprachliches Sein (arche). Im vorsprachlichen Sein herrschtOrdnung im Sinne von eindeutiger Positionierung.

Platons Metaphysik folgt der Dreiheit (Trinität): wirklich Seiendes wird von wahrem und eigentlich Seiendem unterschieden. Das Eigentliche ist zugleich das Ursprüngliche und allen Erscheinungsformen vorausgehende und damit ursächliche Sein.

Aristoteles setzt das Ideenhafte (eidolon) mit synolon, gleich. Die Interpretation der Idee als das Verbindende, etwa Stoff und Form durch Gestaltung konkretisiert und reduziert Platons Ideenbegriff. Dies liegt daran, dass er alles auf Begriffe und Definitionen herunterbricht. Platon kennt jedoch das Vorsprachliche, damit auch Unzweideutige und Unteilbare, eben das Ideenhafte.

Aus dem vorsprachlichen Charakter der Idee folgert er, daß nichts weniger oder mehr wird, sich nichts bewegt oder ruht. Diese abstrakte Erkenntnis, die zu konkretem Wissen führt, impliziert, daß Wahrheit nur der Idee nach, nicht im Konkreten besteht. Nur die Ideen vermitteln Wahrheit, nicht die Phänomene, welche höchstens Erkenntnis vermitteln. Das wirklich Seiende ist daher Täuschung und Schein; das Wissen ist einerseits dem Konkreten und damit dem Schein verhaftet, andererseits aber schon Bindeglied zur Idee: das Wissen hat Teil am eigentlich Seienden.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten. Wer den Tempelgarten Neuruppin durch das Haupttor betritt, fühlt sich binnen Sekunden in den Orient versetzt. Zur Rechten befindet sich das imposante Gartenhaus mit dem hoch aufragenden Minarett. Zur Linken steht die Türkische Ville, das Café Tempelgarten.

Idee der Materie entzogen

Platons Terminologie siedelt die Wirklichkeit in der Scheinwelt an, so daß Wirkliches in unserem Sinne nicht wahrhaftig ist. Anhand der doppelten Bedeutung des Wortes wirklich (im Sinne von vorhanden/tatsächlich und im Sinne von beständig/charakteristisch zeigt, daß in der Gegenwart offensichtlich eine Dopplung vorliegt: ein vergegenwärtigendes oder anwesendes Moment und ein abwesendes Moment. Der Begriff stellt das abwesende Moment, die Bedeutung das anwesende Moment der Idee dar. Platon beschreibt diesen Doppelcharakter der Idee mit den Begriffen ousia (anwesendem Sein) und parousia. (abwesendem Sein)

Noch deutlicher wird diese Differenzierung, wenn wir uns das Verb sein betrachten. Wenn wir sagen, etwas ist, können wir meinen, daß etwas immer (genau so und nicht anders) ist, oder aber, daß etwas geworden und damit zu etwas anderem gemacht worden ist. Das griechische Wort ousia = Sein umfasst daher vier Bedeutungen: Dasein, Wesenheit, Stoff, Eigentum. Das Sein ist folglich offensichtlich der Idee nach da, aber nicht unbedingt sichtbar: der Stoff ohne Form ist nicht sichtbar, das Eigentum nicht ohne Hinweis auf den Eigentümer, das Wesen nicht ohne Gestalt. Bezogen auf den Zeitcharakter der Gegenwart ist es das abwesende Sein. ousia heißt, etwas ist (besteht), auch wenn es nicht greifbar im Raume existiert. Platon sagt Anwesenheit der Idee bei Abwesenheit des Phänomens dazu.

Wir können es auch einfach als Möglichkeit (zu errscheinen, zu werden) bezeichnen. Das griechische Wort parousia (parusia) dagegen hat die Bedeutung Anwesenheit. Es ist der Idee nach etwas, was wahrgenommen, erkannt und damit anwesend ist. Zeitlich gesehen ist es der konkrete Moment, der in der Gegenwart sich vollzieht. Es bleibt an ein Wesen phänomenologisch gebunden.

Im Gegensatz zu Aristoteles, der die Idee an die Materie bindet, argumentiert Platon mit Hylemorphismus, der Untrennbarkeit von Seele und Leib, Form und Stoff der Idee nach. Alles Materielle, Leibliche, basiert auf Täuschung, daher sind die Ideen nie rein und wahr von uns erkennbar. Der Hylemorphismus ist das entscheidende Argument für das Primat der Idee gegenüber allem wirklich – stofflichen Sein.

Foto Belinda Helmert: Neuruppin, Schlossgarten, Ausgangstor.

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