Die Königin der Weine: Cabernet Sauvignon

Weinhänge in Saint Emillon

Önologischer Kodex

Wein ist eine der ältesten Kulturpflanzungen der Menschheit. Der Veredelung von Trauben widmen manche Menschen ihr Leben und exzellente Anbaugebiete verdanken ihren Ruf der Arbeit von Generationen. Genau wie in der Kunst müssen viele Faktoren harmonieren, um ein Ergebnis der Reife und außergewöhnlicher Qualität zu zeitigen.

Dem Klima entspricht vielleicht das Talent, ohne dass es weder im Weinanbau noch in der Dichtung geht. Der Fleiß tritt hinzu: der Winzer schneidet die Reben, erntet in steilen Hängen oder kämpft gegen Schädlinge aller Art, so wie der Dichter seine Silben zählt oder die Reime glättet, am Satzbau feilt.

Im Wein gilt: Qualität und Quantität gehen nicht zusammen. Für den Dichter bedeutet dies häufig, reduzieren, weglassen, denn weniger ist oft mehr. Eine Rebe wird bis zu vierzig mal geschnitten – nur die edlesten Trauben bleiben für Fass und Flasche erhalten. Qualität zeichnet sich dadurch aus, was nicht in dem Endprodukt ist – wie die Privation, der Mangel, häufig ein fundamentlaes Charaktermerkmal ist. Der heilige Gral der Rotweinkultur ist der Ort, in dem ich Cabernet Sauvignon wertschätzen lernte und Erntehelfer 1992 war: St. Emillon, 35 km nördöstlich von Bordeaux gelegen.

Weinkeller in Saint Emillon

Schließlich tritt ein Umstand hinzu, der schwer zu kalkulieren ist: für den Winzer ist es der Boden, denn trotz fundierter Sachkenntnisse verändert er sich jedes Jahr, schließlich lebt die Erde und kein Jahr gleicht dem anderen, auch wenn sich die Oberfläche kaum verändert anfühlt. In der Kunst ist dies vergleichbar mit Stimmungen und Zeitgeist, die ein sensibler Dichter – heilige Gefäße nannte sie Hölderlin – aufzunehmen bereit sein muss.

Gott in Frankreich wie ein Gourmet

Gott spricht französsch und hat am siebten Tag den Wein gemacht, da er sah, dass seine Schöpfung gut, aber nicht vollkommen war. In diesem Sinne geht der Wein nicht nur über den Gaumen in den Kopf, sondern auch auf seine Weise ins Herz. Zusammen mit einem inspirierenden Gedicht mag seine Wirkung sich aufs Delikateste entfalten, so wie umgekehrt ein Glas des edlen Tropfen den Dichter ins einer Kunst zu begeistern vermag – auch hier gilt Epikurs Grundsatz: Lust ist, wenn jeder nach seinem Maße zu genießen versteht. Oder, um mit Rabelais´ (ein Dichter, der aus Chinon an der Loire kommt) zu reden: Für einen Gourmet ist es fatal, Winzer, für den Gorumand ein Koch zu sein. So wenig wie ein Künstler seine Muse heiraten darf, kann der Winzer mit der Traube ins Bett gehen, ohne als ein gourmand zu enden Der Spagat zwischen Genießer und Fressack oder Schluckspecht zu enden gelingt nicht vielen.

Bacchus

Drei B – Faktoren: Boden, Bearbeitung, Beerensorte bzw. Auswahl (Mischung, Pinotage, Cuvée)

Drei L– Faktoren: Lage (Hangrichtung und Neigung), Umgebung (geologische Sonderfaktoren, Mikroklima) und Lagerung (Faß, Dauer, Holzart, eventuelle Behandlung)

Drei K – Faktoren: Klima, Kelterung, Klarheit (Tönung, Körper, Notenreichtum, Distinktion)

Drei T -Faktoren: Tanningehalt, Traubensorte, Traubenreinheit

Auch wenn Geschmak nach wie vor subjektiv ist. Das Maß der Dinge bleibt unter Önologen das Gebiet um Bordeaux:

Die Fläche des Weinanbaugebiets von Bordeaux/Bordelais beträgt etwa 122 000 km² mit ca. 6 Mio Hektorliter Weinertrag. Drei Viertel davon Qualitätswein. Weit über die Hälfte nationaler Anteil an Cabernet Sauvignon. Die Fläche entspricht etwa 3,73 mal Bremen (das flächenmäßig größer als München und vergleichbar Köln ist).

Cabernet Sauvignon

Viele wissen nicht und sind überrascht: eine Traube, eigentlich ein Weiswein (Sauvignon) Diese französische Züchtung ging 1710 hervor aus dem robusteren roten Cabernet Franc und der weißen Traube Sauvignon Blanc. Die Farbe ist daher heller als Cabernet Franc mit einem purpurnen Rand.

Die Sorte wird historisch vornehmlich in Bordeaux (Bordelais) angebaut. Beliebt ist diese Rebsorte vor allem auch in Überseeländern, z. B. Chile, Australien, Kalifornien und Südafrika, wo sie auf ganz anderen Böden gedeiht und dementsprechend anders riecht und schmeckt.

Die Trauben enthalten viele Farbstoffe, die dem Wein eine dunkelrote Farbe verleihen. Die gewöhnlich nach Zedernholz und Vanille duftende Rebsorte Cabernet Sauvignon eignet sich besonders für den Barriqueausbau. Zu den Aromen gehört auch, je nach Region, grüner Paprika oder Pflaume.

Cabernet Sauvignon in Saint-Émilion

Weine dieser Rebsorte haben einen großen Charakter, sie sind kräftig und bukettreich und enthalten fruchtige Aromen der Johannis- oder Brombeere (cassis). Sie gilt als edelste und anbauintensivste Rebe überhaupt. Sie wird zur Veredlung zahlreichen Abfüllungen zugemischt und ist selten zu mehr als 50% in den Flaschen. Je nach Landesgesetzen sind die Bestimmungen, wann ein Wein als Cabernet Sauvignon etikettiert werden darf, unterschiedlich. Fasslagerung, vornehmlich porutgiesische Eiche, rundet das Aroma ab. In den Kellern von St. Emillon stapeln sich die Fässer, wenngleich dieses nur ein Schaufass ist.

Weinfass zur Kelterung

In Bordeaux bewies die Traube zuerst, wie subtil, ja empfindlich sie auf die Charakteristiken verschiedener Böden reagiert. Während sie auf wasserdurchlässigen, kieshaltigen Böden im Haut-Médoc, St. Emillon, Pomerol oder Graves die mithin einzigartigste (und extrem teure) Weine der Welt hervorbringt, leistet die Cabernet Sauvignon auf anderen Böden in unmittelbarer Nähe dieser Spitzenlagen nur Durchschnittliches. Die Traube verfügt über den größten Anteil subtiler Phenole. Diese beeinflussen im Wesentlichen die Farbe, den Geruch, den Geschmack sowie die Textur des Weins.

Je nach Hanglage und jährlich schwankenden Wetterbedingungen liegt die Reifezeit Anfang bis Mitte Oktober. Trotz ihrem großen Potenzial wird Cabernet Sauvignon im Weinanbaugebiet Bordeaux (immer noch dem größten zusammenhängenden Europas) kaum je sortenrein vinifiziert, sondern stets entsprechend dem klassischen, inzwischen weltweit vielfach kopierten Rezept zusammen mit Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot und anderen.

Steilhang an der Mosel

In Frankreich werden seit 1960, 57913 ha (Stand 2010) ha Cabernet Sauvignon angebaut. Zum Vergleich: in der Pfalz 146 ha, in Kalifornien 31062 ha, Australien 27909 ha, Südafrika 13006 ha, Italien 4100 ha. Die klimatischen Anforderungen schwanken von Traube zu Traube. Eine Cabernet-Traube benötigt beispielsweise ein Drittel mehr Sonnenstunden als ein Merlot zur vollständigen Reife. Je mehr Sonne, desto schwerer und dunkler ist der Körper, vergleichbar mit der menschlichen Hautfarbe.

A propos Überraschung: Noch weniger wissen, dass Bordeaux einst ein Sumpfgebiet (mit nur kleinen, aber weltberühmten Weinkulturen) war, das in der Zeit von Baron Montesquieu trockengelegt wurde. Dessen Sohn, mit vollem Namen Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu (getauft am 18. Januar 1689 auf Schloss La Brède bei Bordeaux; gestorben 10. Februar 1755 in Paris), Autor des Buches „L´Esprit de Lois“ (Vom Geist der Gesetze, 7 Bände) schwörte auf Kontinuität und goldene Mitte: Von allem ein bisschen, von nichts zu viel, Qualität kommt von Quälen (also die Arbeit, die man investiert). Dabei kam die Region aus Bordeaux am besten weg; sie ist ideal geeignet für Philosophen und Weinanbau. Ein Wein von seinem Gut in den Graves kostet pro Flasche ab 20 €, abhängig vom Jahrgang. Abgefüllt im Château Des Fougères Clos Montesquieu.

Qualität und Lage

Ein guter Wein muss Wasser sehen – er braucht einen freien Blick auf den Fluss, der wertvolle Sentimente in die Böden trägt. Eine zweite einfache Faustregel à la Montesquieu lautet: Je enger die Herkunft, desto höher die Qualität. Die Reben sollten aber in gebührenden Abstande stehen, um den Boden nicht auszulaugen und einseitig Nährstoffe zu entziehen. Einer der beliebtesten und daher goldener Fluss genannter ist die Dordogne, die in die Garonne entwässert. Aufnahme an der tiefsten Stelle bei Bergerac, dem (wegen der Traube so genannten) purpurfarbenen Périgord:

Dordogne bei Bergerac, alte Brücke – tiefste Stelle

Spitzenweine nennt man grand cru, deutsch große Lage. Bedeutet: der Wein kommt nur von einem Gut, die Größe bzw. Fläche schwankt nach den Landesgesetzten, ist aber verhältnismäßig streng limitiert. In der Pyramide nimmt er folglich den Spitzenplatz ein, in Frankreich spricht man vom Finger(hut) Gottes, doigt du dieu, weil er so teuer und exklusiv ist.

Die Dordogne ergibt sich durch den Zusammenfluss von Dore und Dogne. Sie hat eine Länge von 483 km, das ist etwas weniger als die Weser oder die Mosel, vom Einzugsgebiet mit dem Zufluss des Rheins vergleichbar. Der Vergleich hat auch qualitativ seine Berechtigung: was die Krone des Weißweins, insbesondere dies Rieslings bedeutet (das Moselgebiet) darf mit Fug und Recht für die Dordogne und den Cabernet Sauvignon behauptet werden.

Der Name Dordogne bedeutet „schnelles Wasser“. Der Fluss macht seinen Namen alle Ehre: Mit 2,8% hat er ein fast dreifache Fließgeschwindigkeit gegenüber der Mosel. Das führt zu starker Versandung, die v.a. Bordeaux bei der Schiffahrt zu schaffen macht und zu permanenten Sandausbaggerungen zwingt. Die Brücke pont de Pierre (Fertigstellung 1821) bei Bordeaux ist nur bei Flut und auch nur minutengenau schiffbar.

Dordogne, Brücke Napoleon bei Bordeaux – breiteste Stelle

Spitzen-, Prädikats- und Qualitätsweine

vive la pétite différance. Es lebe der kleine Unterschied. Spitzenweine nennt man grand cru, deutsch große Lage. Bedeutet: der Wein kommt nur von einem Gut, die Größe bzw. Fläche schwankt nach den Landesgesetzten, ist aber verhältnismäßig streng limitiert. In der Pyramide nimmt er folglich den Spitzenplatz ein, in Frankreich spricht man vom Finger(hut) Gottes, doigt du dieu, weil er so teuer und exklusiv ist.

Gefolgt von Erster Lage, (premier cru), Ortslage, Gutslage – letztere kann sich über viele km² erstrecken und dementsprechend mindere Qualität in der Flasche enthalten.

Qualität und Quantität unvereinbar sind, wird die Menge beschränkt, wiederum landesabhängig. In Deutschland gilt z.B. für eine Erste Lage dürfen pro Jahr maximal 60 Hektoliter pro Hektar produziert werden, in Bordeaux sind es 45 Hektorlite. Bei einem grand cru sogar nur 12. Das sagt bereits einiges über die Differenz zwischen Qualitätswein und Spitzenwein aus.

Inzwischen sind bestimmte Anbausorten vorgeschrieben, die als regionaltypisch gelten, doch was darunter zu verstehen ist, entbehrt leider der Einheitlichkeit.

Eine Orientierung liefert die Zertifizierung: Doc in Italien, Deo in Spanien, Aoc in Frankreich, VQPRD in Portugal und VPD in Deutschland als Gütesiegel sind mit Abstrichen vergleichbar. Hierzulande ist ein Prädikatswein mit Mindesantforderungüssen des Mostgewichts (der natürlichen Süße einer Beere)mehr als ein Qualitätswein. Ein Prädikatswein kann Kabinett, Spätlese, Auslese beinhalten, dabei meist mehrere Kriterien erfüllen, mindestens aber eine.

Cabernet in Frankreich

Vielleicht hätte das Gebiet zwischen Garonne und Dordogne im Westen Frankreichs und das der Girondemündung nicht seine heu-tige bedeutenede Stellung auf dem Weltmarkt erlangt, wären nicht einige geschäftstüchtige Engländer, Iren und Schotten schon vor mehr als 400 Jahren hier ansässig geworden – nicht als Winzer, sondern als Weinhändler. Erst später gliederten sie ihren in Frankreich etab-lierten Handelshäusern auch regionale Weinbaubetriebe an; viele Châteaux im Bordelais tragen Namen britischer Herkunft, die auf Gründungen im 18. und frühen 19. Jahrhundert zurückgehen.

Hier ist der Cabernet Sauvignon beliebteste und exklusivste Rebsorte, nimmt aber nach Merlot, Grenache und Syrah im Anbau nur den viertgrößten Platz ein. Dieser konzentriert sich auf den Süden und Westen, wobei in Bordeaux etwa 60 % der Anbauflächen liegen. Im Bordelais dominieren die Rotweine, es werden allerdings auch Weiß- und Süßweine produziert.

Die Bordelais-Rotweine bestehen in der Regel aus drei verschiedenen Rebsorten: Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Sie bestehen zum größten Teil aus der mildfruchtigen Merlot-Traube, gefolgt von dem tanninreichen Cabernet Sauvignon. Die würzige und säurebetonte Cabernet Franc bestimmt nur etwa 5-10 % des Rotweines. Die edelsten Weine werden mit dem Etikett „Premier Cru“ oder „Cru Bourgeois“ versehen, während die „normalen“ Qualitätsweine das Etikett „Bordeaux AOC“ tragen. Der Cabernet Sauvignon gedeiht am besten am Südufer der Gironde oder der Garonne, hier findet er optimale klimatische Bedingungen. Auch in der Provence und im Tal der Loire wird Cabernet Sauvignon kultiviert.

Schloss mit Weingut in Saint Emillon

Das deutsche Klima ist abgesehen von Baden, der Pfalz und Rheinhessen zu kühl für den wärmeliebenden Südländer. Noch einmal zurück zu Baron Monteqsuqiue und meine Verbundhenheit mit der Region.

Privater Bezug zum Bordelais

1992 studierte ich zwei Semester in Bordeaux, um meine Abschlussarbeit in Romansitik Sur le pas de Montaigne – Auf den Spuren von Montaigne zu verfassen. Die Region kennt drei große Schriftsteller, die vergleichbar sind mit dem Hype um Goethe, Schiller und Herder in Weimar. Das Trias heißt hier Montaigne, Montesquieu und Mauriac. Ich hatte Zeit, ihre Schlösser und Landgüter zu besuchen, wobei mich Sarlat und Bergerac besonders inspirierten und Bordeau meine Wahlheimat wurde. Vorher trank ich gerne Wein, aber ohne Sinn und Verstand. Mit 26 Jahren also mein Erweckungserlebnis: angefangen von der Weinernte büber die Technik der Lagerung und den Dichtern, die über diese Weine sprachen oder sie tranken und weiß nun, was Kirchenfester für den Wein sind. Montesquieu vertritt in seiner Milieutheorie die These, dass der Wein viel über den Charakter seines Trinkers verrät, seine Vorlieben, aber auch seelische Zustände. Manche ändern ihren Geschmack nach und mit dem Essen. Für mich gab es immer nur eine Königin: der Cabernet Sauvignon von St. Emillon. Vermutlich trinkt man die Erinnerung und die Gefühle immer mit. Insofern ist Bordeaux, immerhin Ausgangspunkt der Girondisten und damit der Franzöischen Revolution, mehr als Wein oder Poesie für mich, es ist der Inbegriff von Kultur in vino poesia est.

Schloss Montesquieu, ältestes Weingut in La Brède bei Bordeaux

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