Als Heine und Marx auf Aquino und Magnus trafen und dabei Böll verpassten

Foto: Belinda Helmert: Kölner Dom, Mystik am Abend

Die Salons lügen, die Gräber sind wahr

Zeit ist relativ und natürlich hätten, rein fakultiv, Heine und Marx sich noch begegnen können. Der rebellische Dichter, 1797 geboren, besuchte Köln gewiss mehrere male und wär er hier, etwas südlicher am Rhein geboren worden statt in Düsseldorf , so hätte sein berühmter Satz gehießen: „Die Stadt Köln ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zumute. Ich bin dort geboren und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehen…“

Heine, Düsseldorfer und ein zum Protestantismus konvertierter Jude, saß in seiner Funktion als Jurist zumindest für kurze Zeit im Rat, der für den Dombau verantwortlich war. „Nicht den Werkstätten der Parteien will ich ihren banalen Maßstab entborgen, … die Salons lügen, die Gräber sind wahr.“

(Französische Zustände, Artikel V)

Ob Heine wusste, dass im Kölner Dom zu seiner Zeit bereits nur noch Erzbischöfe beigesetzt wurden? Es existierten längst nicht mehr so viele Gräber, wie einst, denn viele von ihnen wurden während der französischen Revolution Opfer von Plünderungen.

(https://://koelschgaenger.net/graeber-im-koelner-dom/)

Von der Kommunion zum Kommunismus

Der junge Marx, an der Mosel, die bei Koblenz in den Rhein mündet, 1818 in Trier geboren, hätte Heines Sohn sein können. Zweimal lebte er in Köln als Journalist, einmal 42/43 vor der Märzrevolution als Redakteur der Rheinischen Post und unmittelbar nach der Niederschlagung der Märzrevolution 48/49 des Nachfolge-Blattes Die Neue Rheinische Zeitung. Zu dieser Zeit lag der kranke Heine längst in seiner Patriser „Matratzengruft“ darnieder. Heine kokettierte mit dem Kommunismus, kam dann aber überkreuz mit ihrem bekanntesten Vertreter in Paris, seinem Konkurrenten Ludwig Böhme und hätte sich an Marx gerieben. Er vergleicht sie im Vorwort von Lutetia (dem lateinischen Wort für Paris) 1856 mit den Bilderstürmern: „Nur mit Abscheu und Grauen denke ich an die Epoche, wo diese finsteren Bilderstürmer zur Herrschaft gelangen werden; mit ihren schwieligen Händen werden sie ohne Erbarmen die Marmorbildsäulen der Schönheit zerbrechen, die meinem Herzen so teuer sind; sie werden all jenes phantastische Flitter- und Spielwerk der Kunst zerstören, das der Dichter so sehr liebte …“

Foto Belinda Helmert, Liebeschlösser vor dem Dom auf der Hohenzollernbrücke, Rehin Stromkilometer 688, 5.
(https://kunstundphysik.de/liebesschloesser-an-der-koelner-hohenzollernbruecke/)

Franziskaner und Dominikaner, Bauen heißt Wissen.

Köln ist die erste Universitätsstadt auf deutschem Boden (offiziell allerdings 1388 zwei Jahre nach Heidelberg) – als ihr Gründer gilt Albertus Magnus, 1193 an der Donau geboren als Albert Graf von Bollstadt, und in Köln fast ein Jahrhundert später gestorben. Sein berühmtester Schüler – und nur außergewöhnlich gute Lehrer erziehen Schüler, die sie noch übertreffen – reifte Thomas von Aquin heran, der die Sache der Dominikaner und der Scholastik auf den Gipfel führte durch sein vierjähriges Stipendium in Köln, rund vierhundert Jahre vor Marx.. Der Franziskaner Duns Scotus (im Grunde bezeichnet dies nur seine geografische Herkunft), der eigentlich Johannes hieß, starb in der Domstadet, deren gotisch anmutender Dom als Wahrzeichen der Scholastik gelten mag. Der Zusammenhang von Architektur als Versinnbildlichung von Spiritualität ist so alt wie die Pyramiden.

Foto Belinda Helmert, alte Turmspitze bis 1850

Als Fünfter und Spätgeborener erlebte Heinrich Böll (1917, nahezu 100 Jahre auf Marx) den Zweiten Weltkrieg, die fast gänzliche Zerstörung seiner Heimatstadt und darf als bekanntester einheimischer Kölscher Jung gelten, wobeier in der Südstadt das Licht der Welt erblickte, fußballerisch gesprochen bei der Fornuna und nicht beim großen FC. Für den Dom hatte er wenig über. Man sagt den Grünen, als sie noch grün, umweltfreundlich und parzistisch waren, eine Nähe zu Böll nach – er verstarb 1985 in ihren Gründungsjahren. Daher tragen Institutionenden Namen des Schriftstellers; so die der Partei der Grünen nachder nahestehende Heinrich Böll Stiftung und das Heinrich Böll Archiv, eine Dokumentations- und Informationsstelle über sein Leben und Werk.

(https://www.sehepunkte.de/2003/06/3292.html)

Foto Belinda Helmert, Hohenzollerbrücke mit Dom im Abendlicht und Reiterstandbild von Kaiser Wilhem II
(https://www.koelntourismus.de/sehen-erleben/poi/reiterstandbild-kaiser-wilhelm-ii/)

Symbol der Einheit aus Ruinen

Heine und der Dom, das ist auch ein Politikum. Der Dom war für für große Teile der deutschen Bevölkerung nicht nur ästhetisches Monument, sondern vor allem politisches Symbol. „Der Dom sei unvollendet, weil der „Geist der Zwietracht“ Deutschland zersplittert habe. Nun gelte es, den Dom zu vollenden – als Zeichen für das „wiedererwachte Bewußtsein des Deutschen Gemeinsinnes“ in der „Hoffnung auf ein einiges gesamtes und geordnetes deutsches“ Vaterland.“

Foto Belinda Helmert, Kölner Dom mit Bogen in Originalfarbe samt Museums-Hinweise

Wer hat den Dom gebaut?

Ein fiktives Gespräch über den Streitfall Dom stelle ich mir als Kölschen Klüngel im Quintett so vor:

Albertus Magnus: „Man sagt, ich habe den Kölner Dom erfunden. Aber so stimmt das natürlich nicht. Einnen Dom kann man nicht erfinden, höchstens bauen. Gott ist auch keine Erfidnung. Man kann nur an ihn glauben und das auch nur, weil er schon vor uns da ist, lange Zeit, viel länger als der Dom gebraucht hat für seine Werdung aus dem Fundament. Gott lässt sich überall in der Welt finden.“

(https://www.rundschau-online.de/region/koeln/albertus-magnus-und-meister-gerhard-wer-hat-eigentlich-den-koelner-dom-erbaut–24403688?cb=1664983771815&)“

Duns Scotus: „So stimmt es nicht, das Ihnen die Jungfrau Maria erschienen ist, um den Plan zu entwerfen. Er hat ja was Großes, doch eigentlich hätten doch drei Türme genügt. Die Dreifaltigkeit zu Ehren. Glaube, Liebe, Hoffnung. Kunst ist der rechte Begriff des Machbaren, will mir scheinen. Natürlich nur, wenn das Machbare sich an dem Wahrhaftigen orientiert.“

Foto Belinda Helmert: Vertikale Wucht des Kölner Doms, 1248-1880

„Ist denn Hoffnung fundamental verschieden von Liebe oder Glaube, dass es drei Türme braucht?“ fragt Heine.

„Und braucht Gott eine Kathedrale, einen solchen Palast aus Materie, Gold und Verschwendung im Angesicht der herrschenden Armut, wenn er wirklich gut und barmherzig wohlmöglich noch gerecht sein sollte?“ wirft Marx den Hut in den Ring.

Duns Scotus: „Glaube ist die Summe aus Hoffnung, das ist der Intellekt und Liebe, das ist der Wille. Beides ist Erkenntnis und Wissen. Das erstere eine Frucht der Erfahrung oder zumindest kognitiv , das zweite intuitiv.“

Marx: „Das Wasser für eure Taufen kam einst unterirdisch durch Rohre aus der Mosel. Das ist die Dialektik des Fortschritts: Weit hergeholtes nah erscheinen lassen. Dafür ist die Kirche bekannt. Das Jenseits versprechen, im Diesseits nur Verbrechen.“

Heine: „Und Wasser pedigen, um Wein zu trinken.Mir träumt‘: ich bin der liebe Gott,Und habe keine Schulden. Den Himmel überlassen wir Den Engeln und den Spatzen.“

Foto Belinda Helmert, Wartesaal zum Dom (https://www.rundschau-online.de/region/koeln/-wartesaal-am-dom–tafelspitz-auf-rehbraunen-moebeln-714916)

Von Märchen, Legenden und Moneten

Aquino: „Mag auch das Böse sich noch so sehr vervielfachen, niemals vermag es das Gute ganz aufzuzehren. Doch scheint ihr im Eifer des Gefechts die Ursprungsfrage aus dem Auge zu verlieren. Wer hat den Dom gebaut? Die Mutter von Artur, Johanna Schopenhauer, beichtete mir 1828, dass die Kölner den Namen desjenigen längst vergessen hätten, der sich die Pläne zu diesem gewaltigen Bauwerk ersonnen habe. Die Brüder Grimm aber erst berichten in ihren „Deutschen Sagen“ plötzlich von Meister Gerhard. Gar märchenhaft geht es unter euch Deutschen zu.“

Marx: „Wir sollten weder national denken noch zuviele Märchen spinnen, also beten. Ein Gespenst geht um in Deutschland.Das Judentum erreicht seinen Höhepunkt mit der Vollendung der bürgerlichen Gesellschaft: Aber die bürgerliche Gesellschaft vollendet sich erst in der christlichen Welt.“

(https://www.adelinde.net/karl-marx-1844-uber-judentum-und-christentum/)

Foto Belinda Helmert, Wartesaal am Dom in pink, Detail

Heine: „Das sagt der Jud aus dir. Du schreibst ja auch: Das Christentum ist aus dem Judentum entsprungen, es hat sich wieder in das Judentum aufgelöst. Etwas viel Tinte wie ich finde, dick aufgetragen. Ich hingegen schreibe in die Religion und das Christentum. Wir kämpfen nicht für die Menschenrechte des Volks, sondern für die Gottesrechte des Menschen.“

(Heine Säkularausgabe, 8 Bände, VIII, S. 175)

Foto Belinda Helmert, Detail Wartesal am Dom mit über 1000 Plätze (https://de.wikipedia.org/wiki/Wartesaal_am_Dom)

Marx: „Ich aber sage: Das Christentum ist aus dem Judentum entsprungen, es hat sich wieder in das Judentum aufgelöst. Das Geld erniedrigt alle Götter des Menschen und verwandelt sie in eine Ware.“

Heine: „Für den Christen ist alles Sünde und er zahlt teuer für seine Absolution. Er erkauft sich einen Platz zwischen den Wolken. Diese Weltsicht, die eigentliche Idee des Christentums, hatte sich, unglaublich schnell, über das ganze römische Reich verbreitet wie eine ansteckende Krankheit.“

(https://www.deutschlandfunk.de/heinrich-heine-und-die-religion-den-himmel-ueberlassen-wir-100.html)

Aquino: „Meine Herren. Über den Dom zu reden war unsere Absicht. Ich pflege immer zu sagen: Für Wunder muss man beten, für Veränderungen arbeiten. Der Dom ist harte Arbeit, uns staunen zu lassen. Und Staunen weckt die Sehnsucht nach Wissen. Steuern und Ablass sind Erfindungen des Menschen, nicht das Werk Gottes. Ich pflichte Ihnen bei, es ist erlaubter Diebstahl. Der Glaube an Gott aber bedeutet, Gutes tun zu wollen, im Fluss der Liebe zu baden.“

Foto Belinda Helmert: Vater Rhein am Kölner Dom. Entfernung zur Loreley 33 km Rheinkilometer südlich

Von Kamelen und Übersetzungsfehlern

Magnus: „In der Tag. Gott wohnt bei den Armen. Die wissen mehr von ihm und Barmherzigkeit als die weisesten Gelehrten. Daher sprach jesu Eher kommt ein Kamel als ein Reicher durchs Nadelöhr.“

Scotus: „Verzeihung, www.katholisch.de/artikel/32922-das-kamel-und-das-nadeloehr-schwierige-bibelstellen-und-ihre-deutungda liegt eindeutig ein Übersetzungsfehler vor. Das Hebräische wurde durch das Griechische verwässert und dann noch das Latein alles versaut. Aus „kamilos“ (Schiffstau) wurde das Wort „kamaelos“ (Kamel). Heute wollen sich Politiker ernsthaft glauben machen, sie gingen für Rennpferde durch und weil sie es beschließen, wären sie keine Esel mehr. für einen

Aquino: „Das Nadelöhr meint ein kleines Nebentor in der Stadtmauer Jerusalems, durch das Kamele sich nur mühsam hindurchzwängen konnten. So wird aus dem vermeintlich eine zwar schwierige, aber prinzipiell lösbare Aufgabe.“

(https://www.katholisch.de/artikel/32922-das-kamel-und-das-nadeloehr-schwierige-bibelstellen-und-ihre-deutung)

Scotus: „Damit ist gemeint, dass für Menschen Unmögliche vermag allein Gott.“

Heine. „Dann hat also doch Gott selbst den Dom erbaut.“

Marx: „Dichterische Freiheiten. Unerhört. Natürlich hat der Mammon und der progressive Fortschritt die Kathedrale finanziert und ermöglicht. Technik plus Geld plus Wissenschaft minus Menschlichkeit gibt realen Sozialismus.“

Foto Belinda Helmert: Dom, Seiteneingang

Gott hört kölsch

Als Karl Marx Chefredakteur bei der Rheinischen Zeitung wurde (15.10.42) brach der Kölner Kirchenstreit aus zwischen dem protestantisch dominierten Preußen und seinen katholischen Provinzen, zu denen auch das Rheinland gehört. Er lancierte geschickt (aber nicht erfolgreich) zwischen Glaube, Mutmaßung und Halbwissen, um die Zensur zu umgehen. Der rheinische Gott hat eben nur einen Buchstaben: Jott.

(https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag7000.html)

Foto Belinda Helmert, Musical Dome (ehem. Oper)am Dom gegenüber dem Kölner Dom an der linken Uferpromenade bietet 1800 Plätze. Derzeit läuft Moulin Rouge. Der Dom brauchte sechs Jahrhunderte, die Halle mit dem blauen Kuppeldach nicht einmal sechs Monate zur Fertigstellung (https://de.wikipedia.org/wiki/Musical_Dome)

Die Dom – Gründungszeit geht auf 1248 zurück, also die Zeit von Albertus Magnus und das letzte Jahr von Thomas von Aquino in Köln. Vollendet wurde er – manche sagen nie – offiziell unter Kaiser Wilhelm 1880, drei Jahre vor dem Tod von Marx, dessen letzter Aufenthalt in Deutschland in Bad Neuenahr 1877 erfolgte. Er konnte demnach als einziger von den Genannten noch den alten Turmabschluss gesehen haben. Seine Zeitung hatte der protestantische-preußische König Friedirch Wilhelm IV. als „Hure am Rhein “ lassen. Bei seinem zweiten Versuch, Köln zu liberalisieren, wur­de sein po­li­ti­sches Ziel die Her­stel­lung ei­ner ein­heit­li­chen Re­pu­blik auf der Ba­sis ei­ner brei­ten, den Mit­tel­stand und die Ar­bei­ter­schaft um­fas­sen­den Volks­be­we­gung und nicht, wie häufig mythologisiert, die pro­le­ta­ri­sche Re­vo­lu­ti­on. Im No­vem­ber 1848 trat er als ei­ner der In­itia­to­ren der Steu­er­ver­wei­ge­rungs­kam­pa­gne im Rhein­land her­vor. (https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/karl-marx/DE-2086/lido/57c948ac14dc61.79983187)

Foto Belinda Helmert, Rheinufertunnel unter der Hohenzollerbrücke bei grünem Ampelschein

Ausgediente Kirchen, aber Raum für Schwache

Heinrich Böll war ein Katholik, einer der unbequemen Sorte. Er mochte den pompösen Dom nicht. Ob Böll Marxist war? Schwerlich. Beeinflusst schon und für viele standen die Positionen der damaligen SPD, kurz der Linken, den Ideen Marx´ bürgerlicher Revolution näher als seine vermeintlichen Schüler im Osten.“ „Die Kirche hat ausgedient – hierzulande“,“ schreibt Böll in seinem letzten Roman, „Frauen vor Flußlandschaft“ . Kommentierend sagt er in einem Interview mit René Wintzen, „Die Kirchen können nicht spirituell oder spiritualistisch denken.

(https://www.herder.de/hk/hefte/archiv/2010/8-2010/ein-unbequemer-katholik-was-heute-von-heinrich-boell-zu-lernen-waere/)

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der scheinbar unversehrte Dom inmitten der ausgebombten Stadt als „Wunder“ aufgenommen. Alles lag in Trümmern, nur der Dom nicht, der 600 Jahre Bauzeit hinter sich hatte. Zur Vollständigkeit gehört auch der Satz von Böll: „Ich möchte lieber in der schlechtesten christlichen Welt leben, als in einer nichtchristlichen, denn in einer christlichen Welt ist immer auch Raum für die Schwachen.“

(https://://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/predigt/article/predigt-ueber-ein-zitat-von-heinrich-boell.html)

Foto Belinda Helmert, Tunnel, Stahlträger, grün erleuchtet

Langweilige Atheisten und schweigender Staat

Ich werde wir weder falsche noch echte Dämonie bieten können“ heißt einer der Sätze in „Billard um halb zehn“, allerdings ist die Rede von der Entjungefung und nicht vom lieben Gott. „Sie muss also zu weit gehen um herauszufinden, wie weit sie gehen darf“ ist einer der prägenden Aussagen in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Auch hier geht es nicht um Transzendenz oder gar Transzendentaltität, aber um Selbst- und damit Grenzerfahrung. Auf einer Postkarte fand ich den Spruch: „Atheisten langweilen mich, weil sie immer nur von Gott sprechen„; er stammt von Bölls „Ansichten eines Clowns“. Auch das ist kein Beleg für den Glauben oder seine Notwendigkeit, aber doch für die Absurdität, ihn widerlegen zu wollen.

Vier Jahre war der Dom mit seinen 158 m das höchste Gebäude der Welt – eine Welt, die Zahlen liebt und Superlative anbetet. Nur vier Jahre hielt der Rekord. Geblieben ist die Faszination am statistisch meist besuchten Gebäude in Deutschland. Es erstaunt, dass die heutigen Leser Bölls an seinen einfachen Grundsätzen vorbeisehen: „Nichts darf man, auch keinen Krieg anfangen.“

Foto Belinda Helmert, Stahlträger (natürlich grün), Detail

Christen und Pazifisten sind nicht mehr ein und dasselbe. Ein anderer markanter Satz von Böll lautet: „Schweigen wir also vom Staat, bis er sich wieder blicken lässt.“ Auch er scheint für die Ewigkeit geschrieben. Denn es gibt nicht nur eine Omnipräsenz staatlicher Willkür, die der Masse an verbautem Beton im Kölner Dom gleicht, sondern auch eine erschreckende Hilflosigkeit, die sich durch im Stich lassen der Menschen an der Ahr, Überflutungsopfer, niederschlägt und auch im Wegsehen am offensichtlichen Unrecht, dass die Kirche meist an Kindern begeht.

Es ist nicht Gott, der Kriege führt, sagt auch aktuell die medial omnipräsente Pastorin und Pazifistin Margot Käßmann. Sie sagt auch, Jesus habe nie eine Waffe getragen. Natürlich nicht. „Wohin ich dich auch führe, es wird das Leben sein.“ Sagt, vielmehr schreibt Böll in „Der Zug war pünktlich“. Gott soll das Leben sein, nicht der Tod.

Foto Belinda Helmert, Monströses Grün

Aber wenn wir ehrlich sind, ohne den Tod und die Hoffnung auf ewiges Leben bedürfte es ihn gar nicht. Ein wenig verhält es sich damit wie mit dem aus Sandstein erbaute Dom: ohne dem Schmutz der Welt in seiner Alltäglichkeit wäre er blendend weiß. Ohne den Lärm der Straßen würden wir die Stille im Allerheiligsten nicht bemerken.

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