Die Frauen aus der Schokoladenfabrik

Es lohnt wieder ins Kino zu gehen – so fern sie denn wieder ihre Pforten öffnen. Märchen aus dem Orient und das mitten in Bremen. Aber auch wieder nicht: eher ein geplatztes, bittersüßes Märchen ohne guten Ausgang. In der hauptrolle: die vergessenen Frauen von Hachez. Träume aus dem Morgenland.

Es war einmal die Hoffnung auf ein besseres Leben. Von diesem träumten auch die türkischen und anderen Emigranten, die in den Siebziger Jahren, als Arbeitskräftemangel herrschte, zu etwa einer Million dem Lockruf der jungen Bundesrepublik folgten. Bremen war eine der reichsten Bundesländer, ein Geberland mit einer blühenden Industrie und einem der größten Hafenumschlagorte Europas, besonders für Ware, die man damals noch als exotisch bezeichnete und die meist aus Nord-und Südamerika, Asien oder Afrika in die Hansestadt gelangte.

Ein Film über die fast unsichtbaren (türkischen) Frauen hinter Hachez, die niemals im Geschäft beim Verkauf zu sehen waren, hat Orhan Calisir gedreht, der 2022 in die Kinos kommen soll. Für den Dokumentarstreifen hat er Bremer Kunst-Förderung erhalten; ihm wäre aber eine nachträgliche Ehrung der Arbeiterinnen lieber: „Bis in die späten 90erJahre wurden Arbeiteremigranten nicht akzeptiert.“

https://www.weser-kurier.de/bremen/kultur/portrait-des-filmemachers-orhan-calisir-eine-migrationsgeschichte-doc7fxpnhaopbo5tovhimx

Calisir gibt den Frauen eine Stimme; über Migranten wird wenig, über Frauen noch weniger gesprochen. Das will er ändern. „Mit Rückblenden und Archivmaterial möchte ich ihren Weg rekonstruieren, der sie damals über das türkische Arbeitsamt im Istanbuler Stadtteil Tophane nach Bremen-Neustadt heute führte.“

Der 1963 geborene Mann lebt Aristoteles´ Nikomachische Ethik, die glücklich macht: die Philosophie der guten Tat, dort helfen, wo es möglich und nötig ist. Wo die Hilfe direkt ankommt. Er vermittelt Neuankömmlinge mit Sprachbarriere auf dem Arbeitsmarkt, führt bildungsferne Menschen in Bildungszentren heran.

https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.356785.de&asl=

Vom Aufstieg und Fall einer Emigranten-Familie

Es begann 1890, quasi mit Geburt des Jugendstils und der Wiener Sezession. Das Jahr der Demission Bismarcks, weil der mit der Politik des jungen Kaisers Wilhelm überkreuz lag. Das Deutsche Reich tauschte Sansibar gegen Helgoland, Luxemburg wurde unabhängig und ja, ein Bremer Fabrikant mit hugenottischen Wurzeln namens Joseph Emil (Emile) Hachez gründete mit 28 Jahren eine eigene Schokoladenfirma. 

Die Wurzeln seiner Familie lagen im heutigen Belgien, das bei ihrer Flucht vor den Katholiken noch zu Flandern gehörte. Sein Zentrum Antwerpen war lange Zeit das New York des 19. Jahrhunderts. Das Familienunternehmen, die junge Braut, produzierte in der Altstadt, genauer der Hutfilterstraße, die aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammt und Sitz der Hutmacher war.

Aufgrund der räumlichen Enge und der eigenen Expansion zog Hachez schon sehr bald in die südlich gelegene Neustadt, das klassische Arbeiterquartier, Keimzelle der Kommunisten und Sozialisten. Rot war auch der Schriftzug auf weißem Grund, der für Qualität stehen sollte.

Märchen und Wirklichkeit

Das Gelände an der Westerstraße war einst ein Weizenfeld zwischen zwei Stadttoren, die im Volksmund Braut und Bräutigam genannt wurden. Sie fanden Erwähnung im Märchen Stumme Liebe von Johann Karl August Musäus (bekannt von Rübezahl). Wie jedes Kunstmärchen ist es an Orte gebunden und erwähnt eine Reihe Bremer Schauplätze, darunter auch die Neustadt, vermutlich, weil hier viele vom Reichtum träumten.

Seinen Kern bildet die Reise eines verliebten, doch am Anfang trägen Kaufmannsohnes namens Franz vom Scnoor in Bremen nach Antwerpen, der durch seinen guten Charakter an einen Schatz kommt, mit dessen Hilfe er um seine Liebe werben kann. Die Moral der Geschichte ist, dass die Mutter der Braut Meta nicht vom guten Charakter, sondern vom Geld beeindruckt ist und ihrem Schwiegersohn das Jawort gibt.

Einen märchenhaften Aufstieg nahm auch das Schokoladenimperium Hachez, deren Familie als Emigranten aus politischen Gründen, der Aufhebung des Toleranzediktes von Nantes, (1685) nach Bremen gekommen war. Früh hatten sie sich auf die Einfuhr von exotischen Gewürzen wie Tabak spezialisiert. Einer der Importschlager war Schokolade, genauer Kakao, das braune Gold. Ähnlich wie Wein nimmt der Boden schmackhaften Einfluss auf die Aromen, so dass die Bitterstoffe höchst unterschiedlich munden. Die ersten Lieferanten kamen aus Südamerika, doch bald schon aus der ganzen Welt.

Unter dem Firmengründer entstand auch das Markenzeichen der Firma, die braunen Blätter aus Vollmichschokolade. Der Aufstieg zu einem der größten Schokoladenfabriken schien zum Greifen nah, doch es kam anders. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, gelang der Neuaufbau – gewiss kein Zuckerschlecken – mithilfe eines Geschäftspartners, der praktischerweise Zucker produzierte: die Raffinerie Tangermünde (benannt nach dem Gründungsort an der Elbe nahe Stendals). Er wurde zum ersten Bräutigam der nicht mehr ganz so jungen zartbitteren Braut.

Die verkaufte Braut

„Hinter den großen Höhen folgt auch der tiefe, der donnernde Fall.

(Friedrich Schiller, Die Braut von Messina, Trauerspiel 1803)

Wenn auch erst rund vierzig Jahre später, so sollte doch der einstige Retter und Kooperationspartner Hachez komplett übernehmen und damit ein erster Sargnagel werden. Zwischenzeitlich stieg Mondolez (eine Tochterfirma von Suchard) in das Unternehmen ein, in dem hauptsächlich Frauen mit Migrationshintergrund am Band arbeiteten. Mit dem zweiten Bräutigam, einem global player im Rücken, träumte Bremen von dem großen braunen süßen Erfolg, doch am Ende verschluckte man sich.

„Nicht an die Güter hänge dein Herz, // Die das Leben vergänglich zieren! // Wer besitzt, der lerne verlieren, // Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz!“ (Die Braut von Messina)

2014 gliederte Hachez, inzwischen mit der dänischen Toms-Gruppe verbandelt und längst nicht mehr Herrin im eigenen Haus, die Verpackung nach Polen aus. Die Dame in ihren betagten Jahren trägt ihr Korsett nun zwischen Weichsel und Oder.

https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/hachez-polen100.html

Etwa 300 ArbeiterInnen verloren fast über Nacht und ohne Vorwarnung ihre Stellung. Manche davon hatten ihr ganzes Leben- mitunter sieben Tage die Woche – in den vier Backstein-Wänden zugebracht. Das Inventar wurde in Container verladen. Heute sollen hier Wohnungen entstehen. https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/kritik-nach-hachez-entscheidung100.html

Geschichte des braunen Goldes

Wie Kleider Leute, so macht Konfektionierung die Bohne, in deren ursprüngliche Heimat sie als Zahlungsmittel galt. Die Azteken horteten keine Scheine oder Gold, sondern Kaukaubohnen. Bis die Spanier kamen und ihnen sowohl alle Schätze als auch das Leben nahmen, kannten sie keine Schokolade, sondern machten Schnaps aus ihnen, und dies nur zu rituellen Zwecken, um Kontakt mit den Naturgeistern, die in den Bäumen wohnten, aufzunehmen. Butter zum Kochen, Pulver zum Schminken war ihnen vertraut. Xocóatl, bitteres Wasser, hieß das Getränk. Was wir als Kakao oder Schokolade kennen ist eine junge Erfindung des Industriezeitalters, das auch erst mit der Herstellung künstlichen Zuckers erschwinglich wurde. Auch zwei Götter hießen ähnlich: Feuer Xocotl und Blitz Xolotl. Die Azteken waren uns darin voraus und verwendeten sie als Heil- und Potenzmittel. Allerdings, es sei wiederholt, ohne Zucker, so dass Schokolade den gesundheitliche Aspekt invertiert.

Die Mayas nannten die Pflanze ka-ka-wa und das Getränk bzw. die Butter Chocol Haa, beide Namen dürften die bekanntesten Übernahmen aus ihrer Sprache sein. Der schwedische Botaniker Carl von Linné bezeichnete den Bohnen-Baum als Theobroma, „Speise der Götter“, wenn man sie wachsen ließe, werden sie etwa zwölf Meter hoch – man schneidet sie jedoch in der Regel, wenn sie ein Drittel davon erreichen. Die Größe der Bohnen reduziert sich durch die notwendige Trocknung um über die Hälfte. Heute ist die Elfenbeinküste weltgrößter Kakao-Lieferant, weit vor Ghana und Indonesien – Brasilien ist bereits ein Zwerg auf dem Kakaomarkt.

https://www.weser-kurier.de/bremen/kultur/portrait-des-filmemachers-orhan-calisir-eine-migrationsgeschichte-doc7fxpnhaopbo5tovhimx
https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.356785.de&asl=

Geschichte des braunen Goldes

Wie Kleider Leute, so macht Konfektionierung die Bohne, in deren ursprüngliche Heimat sie als Zahlungsmittel galt. Die Azteken horteten keine Scheine oder Gold, sondern Kaukaubohnen. Bis die Spanier kamen und ihnen sowohl alle Schätze als auch das Leben nahmen, kannten sie keine Schokolade, sondern machten Schnaps aus ihnen, und dies nur zu rituellen Zwecken, um Kontakt mit den Naturgeistern, die in den Bäumen wohnten, aufzunehmen. Xocóatl, bitteres Wasser, hieß das GetränkAuch zwei Götter hießen ähnlich: Feuer Xocotl und Blitz Xolotl.

Butter zum Kochen, Pulver zum Schminken war ihnen vertraut. . Was wir als Kakao oder Schokolade kennen ist eine junge Erfindung des Industriezeitalters, das auch erst mit der Herstellung künstlichen Zuckers erschwinglich wurde. Die Azteken waren uns darin voraus und verwendeten sie als Heil- und Potenzmittel. Allerdings, es sei wiederholt, ohne Zucker, so dass Schokolade den gesundheitliche Aspekt invertiert.

Die Mayas nannten die Pflanze ka-ka-wa und das Getränk bzw. die Butter Chocol Haa, beide Namen dürften die bekanntesten Übernahmen aus ihrer Sprache sein. Der schwedische Botaniker Carl von Linné bezeichnete den Bohnen-Baum als Theobroma, „Speise der Götter“, wenn man sie wachsen ließe, werden sie etwa zwölf Meter hoch – man schneidet sie jedoch in der Regel, wenn sie ein Drittel davon erreichen. Die Größe der Bohnen reduziert sich durch die notwendige Trocknung um über die Hälfte. Heute ist die Elfenbeinküste weltgrößter Kakao-Lieferant, weit vor Ghana und Indonesien – Brasilien ist bereits ein Zwerg auf dem Kakaomarkt.

Tropisch-feucht muss es sein, damit der Baum braunen Goldes wächst und gedeiht. Die traurige Wahrheit ist, dass man für die wirtschaftlich effiziente Kultivierung der Pflanzen roden und daher Regenwald geopfert werden muss. So lange man Kakao nicht ohne Einbuße an Duft und Geschmack künstlich herstellen kann, so lange wird man Bäume fällen für das süße Glück und den stimmigen Serotonin- Haushalt.

Die Globalisierung macht vor Bremen nicht halt: Es ist eine Geschichte, die in Mexiko begann und über die sich Bremen bereicherte. Eine Geschichte von einer Bremer Einwandererfamilie, die viele Gastarbeiter beschäftigte und die, um zu wachsen, mit einem dänischen Unternehmen zumindest teilweise Schiffbruch erlitt. Und eine Geschichte über einen Baum, der heute meist mit Afrika assoziiert wird, die uns ein schwedischer Wissenschaftler nahbrachte. Zuletzt auch die Geschichte eines Märchens, auch wenn der Name Hachez und die braunen Blätter darin nicht auftauchen.

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